Werk in Xinjiang Der riskanteste Standort im VW-Imperium

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Eine der ärmsten Provinzen Chinas

VW plant Crafter-Werk in Polen
Posen, PolenVolkswagen steht kurz vor dem Bau eines neuen Werkes in Polen für seinen Großtransporter Crafter. Die Konzernzentrale in Wolfsburg favorisiere den Standort im Großraum Posen, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Managements im VW-Nutzfahrzeugwerk Hannover-Stöcken, das auch auf den Zuschlag für den Crafter-Bau hoffte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete ebenfalls von entsprechenden Plänen. Bisher lässt VW den Großtransporter bei Daimler bauen, der Crafter gleicht größtenteils dem Mercedes-Sprinter. Die Kooperation läuft 2016 aus. Nach dpa-Informationen könnte die Fabrik in Stöcken künftig Teile der Produktion des VW-Kompaktvans Touran bekommen. VW war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Quelle: dpa
Puebla, MexicoVW gilt in Mexiko als Erfolgsgeschichte. Rund zehn Millionen Autos haben die Wolfsburger bislang am Standort Puebla gebaut. Eine ganze Region hängt an dem Riesenwerk. Auf dem Weg zum größten Autokonzern der Welt soll der neue Golf nun den schwierigen US-Markt erobern. „Der Produktionsstart des Golf 7 wird Volkswagen in Nordamerika ordentlich Schub nach vorn geben“, sagt auch VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn bei der Jubiläumsfeier. Bis 2018 will Volkswagen in der Region sieben Milliarden US-Dollar investieren. Ein Großteil davon dürfte nach Mexiko fließen. Quelle: AP
Foshan, China300.000 neue Golf-Modelle sollen in Foshan jährlich vom Band rollen - vorerst. Das neue Volkswagen-Werk in der südchinesischen Provinz Guangdong, nahe der Stadt Foshan soll in einer zweite Phase auf eine Kapazität von 600.000 Fahrzeuge ausgebaut werden. 6500 Beschäftige hat das Werk bisher. VW-China-Vorstand Jochem Heizmann erklärte, VW befinde sich zudem in "intensiven Gesprächen" mit seinem chinesischen Partner FAW. Dabei gehe es um eine Erhöhung des VW-Anteils am Joint-Venture FAW-Volkswagen auf von 40 auf 50 Prozent. Angesichts der Krise auf dem europäischen Automarkt wird für VW das Geschäft in China immer wichtiger. Im vergangenen Jahr produzierten die Wolfsburger mit ihren beiden chinesischen Partnern SAIC und FAW gut 2,6 Millionen Fahrzeuge. Bis 2018 sollen die Kapazitäten früheren Angaben zufolge in China auf vier Millionen Autos pro Jahr ausgebaut werden. Quelle: dpa
Changchun, ChinaModelle: VW Jetta, New bora, Golf, Sagitar, Magotan, Magotan CC, Motoren, Getriebe Das Joint-Venture mit FAW gingen die Wolfsburger 1991 ein. Fast 16.000 Menschen arbeiten in den gemeinsamen Werken. In Ningbo hat Volkswagen mit dem Bau eines neuen Werkes in China begonnen. Es soll 2014 fertig gestellt sein und eine Kapazität von 300.000 Fahrzeugen jährlich haben. Quelle: dpa/dpaweb
Puebla, MexikoModelle: Beetle, Jetta, Golf Variant In Puebla produziert Volkswagen seit 1964. Mehr als 15.000 Menschen arbeiten hier für Volkswagen. Werk Nummer 101 soll übrigens ebenfalls in Mexiko entstehen. Ab 2016 wird Audi hier den Q 5 produzieren. Quelle: dpa
Wolfsburg, DeutschlandModelle: Tiguan, Touran, Golf, Golf Plus Seit 1938 besteht das Werk Wolfsburg. Am Stammsitz des Volkswagen-Konzerns arbeiten fast 50.000 Menschen. Quelle: dpa
Chattanooga, USAIm Mai 2009 war in Chattanooga der offizielle Baubeginn des ersten amerikanischen VW-Werkes. Die Fertigung dort sollte laut Konzernangaben 2011 mit einer jährlichen Gesamtkapazität von bis zu 150.000 Fahrzeugen starten. Dieses Ziel hat der Autobauer erreicht: Mittlerweile ist dort der 250.000. Passat vom Band gelaufen. „Vor zwei Jahren haben unsere Leute gerade mal gelernt, Autos zu bauen“, erklärte Werksleiter Frank Fischer. „Ich bin sehr stolz auf dieses Team.“ Der US-Passat ist eine Erfolgsgeschichte: Die Produktion hatte am 18. April 2011 begonnen. Das auf den amerikanischen Geschmack abgestimmte Modell verkaufte sich auf Anhieb deutlich besser als der aus Europa importierte Vorgänger. Auch dank des Passat haben sich die Verkäufe der Marke VW in den USA von 2009 bis 2012 verdoppelt. Quelle: dpa

Journalisten, die Volkswagen in der chinesischen Einöde besuchen wollen, versucht der Konzern abzuwimmeln: Es gebe dort noch nicht viel zu sehen, die Produktion sei gerade erst angelaufen. Das abweisende Verhalten hat aber noch andere Gründe. Denn das Joint Venture, das VW hier mit seinem bewährten Partner Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC), eingegangen ist, lässt sich allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen kaum erklären, eher schon mit den industrie- und bevölkerungspolitischen Zielen der Regierung und den langfristigen Interessen des Konzerns in China. „Wir haben hier auch eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir gerne wahrnehmen“, sagt ein hochrangiger VW-Manager. Immerhin sitze VW-Chef Martin Winterkorn im Global CEO Advisory Council von Ministerpräsident Li Keqiang.

Dafür schlucken die Wolfsburger auch schon einmal Staub. Die Provinz mit ihren 22 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten Chinas. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei umgerechnet rund 4.000 Euro. Asphaltierte Straßen existieren außerhalb der Stadt Urumqi kaum. Zulieferbetriebe gibt es nicht. Von allen Auslandsinvestitionen, die 2010 nach China flossen, gingen gerade einmal 0,15 Prozent in die autonome Region Xinjiang.

Vor allem aber ist Xinjiang für notorische ethnische Unruhen bekannt. Jahrhundertelang war die Provinz – von der Fläche so groß wie Westeuropa – von Uiguren bewohnt. Die moslemische Bevölkerungsgruppe ist ein Turkvolk und hat mit der chinesischen Kultur wenig gemeinsam. Doch Peking versucht seit Jahrzehnten, die angestammte Bevölkerung durch Zuwanderer zu minorisieren. Seit Gründung der Volksrepublik siedeln sich immer mehr Han-Chinesen an, ihr Anteil in Xinjiang stieg von 1949 bis 2008 von 6,7 Prozent auf 40 Prozent. In Urumqi stehen bereits 1,75 Millionen Han-Chinesen 300.000 Uiguren gegenüber.

Absatz des VW-Konzerns in China. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Dass das Werk in Urumqi kein vollwertiger Produktionsstandort für VW ist, zeigt die Konzeption der Fabrik als „Semi-Knocked-Down“-Montage. Das heißt, alle Teile werden aus anderen Werken im entwickelten Ostchina angeliefert und dann hier zusammengeschraubt. „Die Teile von Shanghai ins 3.000 Kilometer entfernte Urumqi zu bringen, um sie dort zusammenschrauben, ergibt betriebswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn“, sagt JSC-Berater Siebert. Ein Semi-Knocked-Down-Werk könne zwar schon ab 20.000 Fahrzeugen sinnvoll sein, wenn die Logistik kein großes Problem darstellt und wenn der Absatz dieser Fahrzeuge als relativ sicher gelten kann. Beides sei hier mehr als fraglich.

Auf sich allein gestellt

„Das ist ein völlig absurdes Unterfangen, zu dem Volkswagen von der Regierung gezwungen wurde“, sagt Berater Siebert. Offiziell verkaufe der Konzern den Gang nach Urumqi als „Go-West-Strategie“. In der Praxis höre in China die Autoproduktion aber in Chengdu in der Provinz Sichuan auf, 2.000 Kilometer östlich von Urumqi.

So ist denn VW in der entlegenen Region auch ziemlich auf sich allein gestellt. Viele Zulieferer hofften angeblich mit Erfolg darauf, VW nicht nach Urumqi folgen zu müssen. Zu abgelegen, unterentwickelt und unruhig sei die Region.

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