Volkswagen macht beim Ausbau seines Fabriknetzes in China kräftig Tempo. Von den insgesamt sieben neuen Werken, die VW im Reich der Mitte baut, sollen fünf noch dieses Jahr eröffnen. Das teilte der Dax-Konzern auf Anfrage mit. Mehr lokale Produktion in dem asiatischen Riesenreich ist ein zentraler Schlüssel beim Ziel von VW, bis 2018 Toyota und General Motors an der Weltspitze abzulösen. China ist absehbar der größte Pkw-Einzelmarkt der Welt und schon heute die mit Abstand wichtigste Verkaufsregion für die Wolfsburger, in welcher der Konzern nach bisherigem Stand zwölf Produktionsstandorte zählt.
Die massive Absatzflaute auf dem Heimatkontinent hat Europas größtem Autobauer in der Verkaufsbilanz für das erste Halbjahr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Während der wichtigste Einzelmarkt China - er steht für rund jedes dritte VW-Fahrzeug - um 19 Prozent zulegte, lag Europa mit seinen knapp 1,9 Millionen Auslieferungen fast 4 Prozent im Minus. Das teilte der Dax-Konzern am Freitag in Wolfsburg mit.
VW lieferte von Januar bis Ende Juni 2013 weltweit 4,7 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge aus - 5,5 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Bereinigt um die Verkäufe der neuen Marke Porsche, die vor einem Jahr noch nicht in die Statistiken einfloss, sinkt der Zuwachs auf unter vier Prozent. Zum Vergleich: In der Halbjahresbilanz vor einem Jahr hatte das Plus mit 9 Prozent noch merklich höher gelegen. Angesichts der Absatzkrise daheim sprach VW von „enormen Herausforderungen“ in naher Zukunft.
Der Konzern fertigt aktuell in China rund 20 Pkw-Modelle der Marken Volkswagen, Skoda und Audi. Zudem werden rund 50 Modelle nach China importiert. Bis zum Jahr 2015 sollen schon 30 Modelle lokal produziert und 60 Modelle importiert werden. Ob die spanische Tochter Seat demnächst lokal produzieren soll, hat VW noch nicht entschieden. Die sieben neuen Werke unterteilen sich in vier Fahrzeugfabriken, in denen komplette Autos vom Band rollen, und in drei sogenannte Komponentenwerke, die Teilebereiche abdecken. Die Fahrzeugwerke in den Städten Foshan und Ürümqi sollen nach Konzernangaben sogar noch in diesem Quartal - also spätestens im September - ihren Betrieb starten. Die Autofabrik in Ningbo folgt laut Plan zum Jahresende.
VW entspricht Chinas "Go West"-Strategie
Das vierte Fahrzeugwerk wird in Changsha entstehen und laut der Wachstumsstrategie erst 2015 an den Start gehen. Zusätzlich sollen die Komponentenwerke in Foshan und Changchun auch schon dieses Jahr eröffnet werden, der Standort Tianjin folgt nächstes Jahr. Während erstere Achsen und Motoren bauen werden, fertigt Tianjin Getriebe.
Die kommunistische Führung in China lässt ausländische Investoren aus Schlüsselbranchen wie der Autoindustrie nur mit inländischen Partnern agieren - in Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures). Damit soll verhindert werden, dass die ausländischen Marken den Markt alleine dominieren.
So will VW seine Töchter im neuen System auf Linie bringen
Beispiel: Kilmaanlagen
Bisher: 102 Varianten in 20 Modellen
Neu: 28 Varianten
- einfachere Entwicklung von Fahrzeugen
- verbesserte Qualitätskontrolle der verwendeten Teile
- günstigere Einkaufspreise durch höhere Stückzahlen
Beispiel: Fixierung des Motors
Bisher: 309 Positionen
Neu: 36 Positionen
- einfachere Entwicklung
- schneller Montage
- Verwendung gleicher Montagemaschinen
- niedrigere Kosten für Montagemaschinen
- niedrigere Kosten auch für Modelle mit geringen Stückzahlen
Beispiel: Herstellung von Golf und Audi A3 in China
Bisher: Eine VW-Fabrik baut zwei Golf-Modelle, eine Audi-Fabrik zwei A3-Modelle
Neu: Im chinesischen Werk Foshan baut eine einzige Fabrik je zwei Golf- und A3-Modelle
- Autos aller Marken werden in mehreren Werken gebaut
- Schnellere Reaktion auf Nachfrageschwankungen
- bessere Auslastung von Werken
Beispiel: Lackierer-Werkstätten
Bisher: 90 Fabriken mit 90 individuellen Lackiermethoden
Neu: 90 Fabriken mit gleicher Lackiermethode und gleichen Lernwerkstätten
- gleich hohe Qualifikation der Arbeiter
- geringere Fehlerzahl
- schnellere Produktion
Auf diese Weise spart Volkswagen 1500 Euro pro Auto und verdoppelt damit seinen Gewinn.
VW kam dem Wunsch der chinesischen Regierung entgegen, sich stärker im Westen zu engagieren, in dem auch ein neues Werk in Ürümqi in der fernen nordwestlichen Region Xinjiang gebaut wird. Das von der muslimischen Minderheit der Uiguren bewohnte Xinjiang gilt seit langem als Unruhegebiet. Erst im Juni gab es wieder blutige Zwischenfälle. Die chinesische Regierung wirft uigurischen Gruppen separatistische Bestrebungen und Terrorakte vor. Das Turkvolk fühlt sich durch die chinesische Fremdherrschaft politisch, religiös und auch wirtschaftlich unterdrückt. Volkswagen will die Uiguren in die Belegschaft des neuen Werkes integrieren. Es gebe die klare Strategie, Minderheiten „entsprechend der Anteile in der Bevölkerung auch bei uns zu beschäftigen“, sagte VW-China-Chef Jochem Heizmann.
Nach der Machtübernahme 1949 in Peking hatten sich die Kommunisten das frühere Ostturkestan einverleibt und später als Xinjiang zur autonomen Region der Volksrepublik gemacht. Die chinesische Regierung versucht schon seit den 1990er Jahren mit einer „Go West“-Strategie, die ärmeren und rückständigen Gebiete im Westen zu entwickeln.
Ausländische Investoren konnten anfangs nur langsam dazu bewegt werden, in den Westen zu investieren. Seit der Wohlstandsgürtel an der Küste aber zunehmend gesättigt scheint und dort auch die Löhne steigen, suchen Autobauer und andere Unternehmen im Westen neue Produktionsstandorte und Märkte - insbesondere in den sogenannten Millionenstädten der „zweiten Ebene“. Die Volkswagenwerke in Chengdu im Südwesten und Changsha in Mittelchina sind dafür Beispiele.