Werner knallhart

"Umparken im Kopf": Opel überrascht mit Selbstironie

General Motors hat begriffen: Lassen wir Opel einfach mal wieder gute Autos bauen, dann klappt's auch mit einer mutigen Werbekampagne. Motto: Wir sind besser als unser Ruf. Das gilt aber auch für andere Firmen. Bei wieder anderen ist es leider umgekehrt.

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"Umparken im Kopf" - Wenn Firmen neugierig machen wollen
„Umparken im Kopf“Die Welt ist voller Missverständnisse – das greift die Werbekampagne „Umparken im Kopf“ auf ihren zahlreichen Plakaten in deutschen Innenstädten auf: „Aus Sicht der Physiker kann die Hummel unmöglich fliegen – Der Hummel ist das egal“ heißt es auf dem einen Plakat, auf dem anderen  „68 Prozent der Männer halten rothaarige Frauen für  feuriger – 90 Prozent davon haben noch nie eine kennen gelernt.“ Die dazugehörige Internetseite zeigt Videos von Prominenten, die sich über Vorurteile aufregen. Das werbende Unternehmen dahinter kommt nicht zum Vorschein. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Teaser“—Kampagne, die Neugier wecken will. In solchen Fällen folgt meist eine Auflösungs-Kampagne, die klar stellt wer oder was dahinter steckt. Hierbei soll es der angeschlagene Autobauer Opel sein, der dies jedoch nicht bestätigt. Werbeexperte Ronald Focken sieht darin einen Versuch, Opel von seinem staubigen Image zu befreien: „Opel hat seit seiner Neuaufstellung gute Kampagnen gemacht, aber konnte mit den herkömmlichen Werbemechanismen nicht von den alten Vorurteilen loskommen“, sagt der Geschäftsführer der Münchner Werbeagentur Serviceplan, die nicht in der Opel-Kampagne involviert ist. Solche Neugier weckenden Kampagnen lohnen sich immer dann, wenn es darum geht, eine alte Marke neu zu entdecken, oder neue Marken vorzustellen. Dies zeigen folgende Beispiele. Quelle: Screenshot
Ich bin ON Quelle: imago/Enters
Don't be a Maybe Quelle: imago / steinach
Daewoo und DuSchon 1995 bediente sich der südkoreanische Autohersteller Daewoo einer Teaser-Kampagne, um sich den deutschen Kunden vorzustellen. Die damals unbekannte Automarke bewarb sich, indem rote Lippen vor weißem Hintergrund eingängig „Daewoo! Daewoo und Du! Daewoo und Du, eine Freundschaft beginnt!“ sangen. Die Stimme dahinter kam von Popstar Jennifer Rush. Daraufhin wurde der Text eingeblendet: „Wenn Sie wissen wollen, wer oder was sich hinter Daewoo verbirgt, rufen Sie bis zum 27.02.1995 an und gewinnen Sie eine Reise nach Fernost.“ Auch hier sollte die Neugier wieder für eine ganze Marke geweckt werden, erklärt Ronald Focken von der Werbeagentur Serviceplan. „Wegen ihrer hohen Kosten gibt es Teaser-Kampagnen meist nie für einzelne Produkte, sondern immer für ganze Markenauftritte.“ Grundsätzlich gehen solche Kampagnen zurück – vor allem sind sie nicht mehr in dem großen Ausmaß zu finden, wie bei E.On 2002. Opel ist aktuell etwa mit weniger Plakaten vertreten und setzt stattdessen stärker aufs Internet.  „Marketingchefs haben heutzutage gar nicht mehr das Budget, in eine Kampagne mit so vielen Plakaten und Printanzeigen zu investieren, die letztlich nur Neugier schaffen soll.“ Quelle: Screenshot

Kennen Sie den Spruch noch? "Jeder Popel fährt 'nen Opel." Das waren noch Zeiten. Als Opel noch auf Augenhöhe war mit Volkswagen. In den 70er/80er-Jahren. Da perlte es mit Sicherheit an den Opelanern ab, dass ihre Autos als Jedermanns-Karre verspottet wurden. Und vielleicht ja bald wieder. Denn Opel hatte eine gute Idee: Wieder Autos bauen, die was taugen und die nach was aussehen. Und das Kuriose: Die Konzernmutter General Motors hatte nichts dagegen. Der Adam, der Ampera, der Mokka.

Passend dazu jetzt diese komische Kampagne. Ich war so angetan von den ungewöhnlichen Aussagen, dass ich erstmal ein paar Tage gebraucht habe, um zu merken, dass aus den Plakaten ja gar nicht hervorging, wofür die Werbung eigentlich warb:

  • Aus Sicht der Physiker kann eine Hummel unmöglich fliegen. Der Hummel ist das egal.
  • 18 Prozent der Deutschen mögen keine Oliven. 60 Prozent davon haben noch nie eine probiert.
  • Weißwein entfernt Rotweinflecken. Millionen ruinierte Teppiche sehen das anders.

Die Kampagne lief unter dem Motto "Umparken im Kopf". Irgendwas mit Autos? Ein Freund sagte: "Schwarz-gelbe Plakate und Umparken? Bestimmt Opel." Super, damit war die Überraschung natürlich flöten gegangen.

Wenige Tage später ließ Opel die Katze dann selber aus dem Sack. Und jetzt liest Deutschland Plakate mit der Frage: "Ist Opel noch so, wie Sie denken? Schauen Sie doch mal nach."

Und Til Schweigers Hamburger Tatort-Kollege Fahri Yardim erzählt in einem Opel-Image-Spot: "Opel, Popel. Ich sag mal so: Man hat das jetzt nicht mit den Gewinners assoziiert, das Ding, ne? Ich hatte auch immer das Gefühl, Opel hat keine schönen Farben. Ein Kadett oder so, das war ja immer so bisschen Opa-mäßig, sag ich mal, so ein bisschen Bauern. Wie heißt die Unterhose von einem Opelfahrer? Rüsselsheim."

Diese Modelle entscheiden über Opels Zukunft
Opel Adam Quelle: dpa
Opel Mokka Quelle: dpa
Opel Monza Quelle: GM Company
Opel Cascada Quelle: dpa
Opel Insignia Quelle: dpa-tmn
Opel Zafira Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms

Soviel Selbstironie muss man zu seiner Vergangenheit erstmal aufbringen. Das leistet sich nur, wer sie bewältigt hat. Wie ein Supermodel, das gesteht: Als Kind war ich eine fette Brillenschlange.

Und jetzt gilt es. Denn wenn es jetzt nicht klappt, dann war's das wohl für Opel.

Und siehe da: Experten schwärmen von der neuen Opel-Qualität. Ist diesmal alles anders?

Denn Opel spielte auch schon in den vergangenen Jahren in seinen Werbekampagnen mit seinem schlechten Image und damit, dass nun alles besser würde.

1994: "Opel. Wir haben verstanden." Sollte wohl heißen: Ihr findet unsere Autos scheiße? Na gut, dann bauen wir halt andere.

2002: "Frisches Denken für bessere Autos." Wieder so eine Neustart-Parole.

2007: "Entdecke Opel": Bitte, bitte, bitte, gebt uns doch eine Chance, euch zu überzeugen.

Das Schlimme war nur: Es gab keine guten Autos, die Opel retten konnten.

Seit 2009: "Opel. Wir leben Autos." Kinners, nicht Autos leben. Autos verkaufen! Aber gut. Opelaner sind Menschen, die Autos leben. Guckt doch, wie sie forschen und basteln und schrauben. Und dann verrennen die sich halt auch mal. Mensch statt Auto. So hat Toyota jüngst auch geworben, als Reaktion auf die sagenhaften Rückrufaktionen.

Versprochenes muss eingehalten werden

Auto-Werbung, die die Deutschen nicht kapieren
Die Kölner Agentur Endmark hat das Verständnis englischsprachiger Werbesprüche in der Autobranche untersucht. Dafür wurden rund 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren befragt. Fiat wirbt mit "Simply more" - "Einfach mehr" und erreicht damit satte 72 Prozent der Probanden. Ein skurriler Übersetzungsversuch lautete etwa: "Ein einfaches Morgen". Quelle: Screenshot
59 Prozent der Probanden konnten mit Hondas "Power of Dreams" - "Die Kraft der Träume" etwas anfangen. Doch es gab auch skurrile Übersetzungsversuche wie: "Das Puder der Träume". Quelle: Screenshot
In Sachen Verständlichkeit ebenfalls noch ganz gut dabei ist Peugeot. Immerhin 58 Prozent der Befragten verstanden den Slogan "Motion & Emotion" richtig. Gemeint ist "Bewegung und Gefühl". Einige Probanden übersetzten die Werbebotschaft aber auch als "Motoren mit Gefühlen" oder, besonders schön: "Umzug mit Gefühl". Quelle: Screenshot
"Drive the Change" heißt es bei Renault. Das verstehen schon wesentlich mehr Menschen nicht richtig. Nur jeder Dritte verstand die Botschaft "(Er)fahre die Veränderung" richtig. Skurrile Fehldeutungen waren etwa: "Fahre mit Wechselgeld" oder "Wechsel den Fahrer". Quelle: Screenshot
Jaguars Werbebotschaft "How alive are you?" - "Wie lebendig bist du?" verstehen 25 Prozent der Befragten. Einige schlugen stattdessen als Übersetzung "Wie überlebst du?" vor. Quelle: Screenshot
Auch bei dem Werbeslogan für das Jaguar Coupé XK hatten die Deutschen so ihre Probleme. "Life by Gorgeous" konnten jedenfalls nur acht Prozent der Befragten richtig übersetzen. Statt "Leben auf prächtige Art" übersetzten viele "Leben in Georgien" oder "Leben bei George". Laut der Jaguar-Pressestelle habe man mit der Botschaft allerdings auch gar nicht die breite Bevölkerung, sondern nur einen elitären Kreis erreichen wollen. Quelle: REUTERS
Hyundai hätte sein "New Thinking. New Possibilities" gerne als "Neues Denken. Neue Möglichkeiten" verstanden. Den Gefallen tun dem Autobauer aber nur 24 Prozent der Befragten. Andere versuchten es mit "Neu gedacht. Neue Besitztümer." Quelle: Screenshot

Dann schließlich die riesige Kampagne zum Opel Ampera: das erste alltagstaugliche Elektroauto. Mit Range Extender, also einem Verbrennungsmotor, der einzig dazu da ist, die Batterie aufzuladen. Die Fachwelt war begeistert. Das Blöde war nur: Zum Zeitpunkt der Kampagne war der Ampera überraschend nicht lieferbar. Technische Probleme. Die Herzen der Opel-Marketing-Menschen müssen spritzend geblutet haben.

Aber jetzt passt eine Opel-Kampagne offenbar endlich zum Produkt. Aufbruch nicht nur behaupten, sondern auch liefern. Das hat Audi in den Neunzigerjahren auch hinbekommen. Vom Hut auf der Ablage des Audi 80 hin zur Weltmarke.

Von der Opel-Kampagne lernen, heißt: Fehler offensiv benennen und mit den Stärken wuchern. Das würde auch anderen Konzernen gut zu Gesicht stehen.

Die Deutsche Bahn etwa wirbt im Wesentlichen mit Preisrabatten. Dabei ist doch Volksmeinung, dass auf die Bahn kein Verlass ist in Sachen Pünktlichkeit. Dazu kein Wort in der Werbung der Bahn. Dabei lag die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr 2013 bei 74 Prozent. Das ist nicht gerade berauschend. Aber solche Werte schaffen Sie mit dem Auto auf unseren Autobahnen niemals. Und fahren Sie mal von Köln nach Berlin in vier Stunden 22. Das schafft nur der ICE. In dem ausländische Reisende regelmäßig in die 2. Klasse einsteigen und fragen: "Excuse me, is that first or second class?" Und das Zugrestaurant führt wirklich ganz gute Weine. Und bietet Blick auf die vorbeiziehende Landschaft. Das gibt es in keinem Sternerestaurant. Wieso sagt die Bahn das nie? "Nicht gerade pünktlich aber trotzdem schneller. Deutsche Bahn." Oder so ähnlich.

Aber vielleicht sind Autohersteller einfach die Mutigeren. Daimler bewirbt den Smart, indem sie erstmal zeigen, was er alles nicht kann. Im Gelände bleibt er an Steigungen hängen, setzt bei kleinsten Unebenheiten mit dem Bodenblech auf und versinkt in seichten Pfützen, über die Geländewagen-Fahrer nur lachen. Aber finden Sie mit einem Geländewagen mal einen Parkplatz in der Großstadt. Die Aussage: Der Smart ist im Gelände das, was ein protziger Geländewagen in der Stadt ist (aber wer fährt schon durchs Gelände?).

Aber Vorsicht! Von Opel lernen, heißt auch: Versprechen einhalten. Nicht die coolste Werbekampagne der Welt könnte junge Leute an Karstadt binden, solange in den Häusern noch der verschnarchte Atem der 80er-Jahre steht.

"For you, vor Ort." Witz und Augenzwinkern bei Schlecker? Schlecker stand doch für Ideenlosigkeit, Lieblosigkeit, Herzlosigkeit - vor allem auf Kosten der Mitarbeiterinnen. Das alles sollte aber lieber totgeschwiegen werden. Und zack. Weg sind sie!

Und bestes Beispiel dafür, wie man es nicht macht: RWE. Merkt, dass erneuerbare Energie gut ankommt und lässt einen Spot produzieren, in denen RWE wie ein grüner Riese durch die idyllische Landschaft trampelt. Wie viele Eltern ihre Kinder abends vorm Schlafengehen wohl trösten mussten: "Keine Angst, den grünen Riesen gibt es nicht. Das hat sich die Stromfirma nur ausgedacht, weil sie sehr eingebildet ist. In Wirklichkeit ist die Stromfirma aber nur ein kleiner dummer grüner Zwerg."

Ausgerechnet RWE ein grüner Riese. Da schüttelt es einen vor Fremdscham bei so viel verlogener Selbstherrlichkeit. Da stimmt nichts. Und dann auch noch "voRWEggehen". Nun kam ja raus: RWE ist der Energiewende nicht gewachsen und macht riesige Verluste. Und was macht der Konzern? Mault rum, dass die Deutschen schuld sind, weil die die Energiewende nun einmal wollen. RWE: dem Alten hinterheRWEinen.

Die Kampagne von Opel kommt aber genau zur rechten Zeit. Die Marktanteile halten sich und sind jüngst sogar gestiegen. Opel nutzt die letzte Chance. Und irgendwie scheint es zu klappen. Ist nur so ein Gefühl. Aber allein dieses Gefühl spricht ja zumindest mal für die Kampagne. Und wenn die Leute dann endlich aufhören, Rotweinflecken mit Weißwein zu bekämpfen, hat sich der Millionenaufwand sowieso schon gelohnt.

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