Wey und Chery auf der IAA Wie gefährlich Chinas Autobauer werden

Klapprig und unsicher – dieser Ruf haftet chinesischen Autos an. Inzwischen gehen in China neue Hersteller an den Start – mit vielversprechenden Ansätzen. Muss man sich dieses Mal vor der neuen Konkurrenz fürchten?

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IAA 2017: Die SUV-Konkurrenz aus China. Quelle: imago images

Um den Ruf chinesischer Autos in Deutschland zu beschreiben, bedarf es nur eines Namens: Landwind. Unter dieser Bezeichnung bot Jiangling Motors im Jahr 2005 erstmals ein Auto in Europa an. Es war so, wie es viele Europäer erwartet hatten – klapprig und unsicher.

Der Nachbau des Opel Frontera und Isuzu Rodeo, fiel bei Crashtests krachend durch. Die geräumige Karosserie und Details wie eine serienmäßige Klimaanlage oder Ledersitze konnten die eklatanten Mängel bei Bremsweg, Fahrverhalten und Sicherheit bei weitem nicht ausgleichen. Der Landwind entspreche noch nicht den hohen europäischen Sicherheitsstandards, bilanzierte der ADAC.

Als nur kurze Zeit später der Autobauer Brilliance – in China immerhin Joint-Venture-Partner von BMW – einen Versuch in Europa wagte, sah das Ergebnis ähnlich aus. Nur einen von fünf möglichen Sternen im EuroNCAP-Crashtest: Miserable Verkaufszahlen waren die Folge.

Boom-Segment dominiert
BMW X6 2007 Quelle: dpa
Land Rover Quelle: dpa
VW T-Roc Quelle: dpa
Skoda Karoq Quelle: obs
Seat Arona Quelle: Spotpress
Hyundai Kona Quelle: Spotpress
Kia Stonic Quelle: AP

Ankündigungen gab es viele, der Erfolg aber blieb aus. Auf dem Autosalon in Genf zeigte sich vor einigen Jahren ein Hersteller namens Qoros. Allerdings kämpft das Unternehmen heute noch mit mauen Verkäufen in China selbst, an Europa ist derzeit nicht zu denken.

Chery und Wey stellen sich auf der IAA vor

Die Liste der Fehlversuche ist lang. Und dennoch treten auf der diesjährigen IAA gleich zwei chinesische Marken auf. In Halle 8, quasi nur durch die Stände von Toyota und Opel getrennt, stellen Chery und Wey ihre Autos aus. Sind die Fahrzeuge dieses Mal besser?

Jens Steingräber ist davon überzeugt – schließlich ist er Chef von Wey. Schutz für die Insassen beteuert der Manager, ohne den Namen Landwind zu nennen, stehe bei ihm ganz oben auf der Agenda. „Sicherheit ist die Voraussetzung für Premium“, sagt Steingräber und schiebt eine Kampfansage hinterher: Den europäischen Premiummarken „steuern wir mit einem konkurrierenden Produkt entgegen, das bei den Aspekten wie Sicherheit und Ausstattung kein Follower ist, sondern vorangeht.“

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Um diesen Anspruch zu untermauern, hat Wey eine aufsehenerregende Aktion gewagt. Bei einem Dachfestigkeitstest nach US-Standards haben die Chinesen das dreieinhalbfache Fahrzeuggewicht aufgelegt, vorgeschrieben ist nur das Dreifache. Bei dem Test saß Steingräber persönlich in dem Auto – wohl wissend, dass seine Ingenieure die Konstruktion für das vierfache Gewicht berechnet haben.

Eine Demonstration zu Marketingzwecken, keine Frage. Wey ist noch ein wenig um Aufmerksamkeit bemüht, schließlich ist die Marke erst im April an den Start gegangen. Als Teil des Großkonzerns Great Wall soll Wey als Premium-SUV-Marke das Aushängeschild werden – quasi wie Audi bei VW. Um der Sache Glaubwürdigkeit zu verleihen, hat Firmengründer Wei Jianjun die Marke nach sich selbst benannt – international tritt Wei unter dem Namen Jack Wey auf.

Wo Wey hin will, sind heute schon Marken wie Land Rover zu nennen, aber auch Bentley und nicht zuletzt alle deutschen Premiumhersteller bauen jede Menge SUV. Das Ziel der Marke Wey ist ein bezahlbares Premium-Erlebnis für Jedermann. „Jack Wey wollte einen Gegenpol zu den bekannten Premiummarken bilden, die in China mit einem exorbitanten Preisaufschlag verkaufen“, sagt Steingräber.

Zum Launch der Marke brachte Wey das Mittelklasse-SUV VV7s, inzwischen wird auch das etwas kleinere Modell VV5s verkauft. Das Topmodell kostet umgerechnet etwa 20.000 Euro, inklusive Vollausstattung mit modernem Infotainmentsystem und zahlreicher Fahrassistenten. „Der Plan für August waren 5.000 Fahrzeuge, es sind aber über 7.000 geworden“ sagt Steingräber sichtlich stolz. „Wir hatten bis Ende 2017 50.000 Einheiten als Ziel, erwarten aber inzwischen 80.000 Autos.“

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Über solche Stückzahlen kann Anning Chen nur schmunzeln. Chen ist Chef von Chery, dem nach eigenen Angaben größten Fahrzeugexporteur der Volksrepublik. Vor 20 Jahren wurde das Unternehmen als Motorenbauer gegründet. Mehr als 700.000 Autos hat die Marke im Jahr 2016 verkauft, daneben produziert Chery Jaguar und Land Rover für den chinesischen Markt. Chery steht außerdem für 30 Prozent der chinesischen Auto-Exporte. In Frankfurt stellte Chen mit dem Exeed ein neues Top-Modell der Marke vor. Das SUV soll „die Marke auf das Level der Wettbewerber“ bringen.

Chinas Autobauer lernen schnell

Dass man hier und da einen Rückstand hat, sehen die Verantwortlichen bei Chery offen ein. Sie wissen aber auch, wie schnell die chinesischen Unternehmen lernen. Die neu entwickelte „M3x“-Plattform des Exeed bewirbt Chen offensiv mit „Europa-ready“ und auch „Autobahn-ready“. Die Standort-Entscheidung für ein europäisches Design- und Technikzentrum soll noch in diesem Monat fallen, bis Jahresende soll der Bau beginnen. Chen meint es ernst mit Europa.

Kuriose Konstruktionen wie der Landwind waren gestern, preiswerte, aber gute Autos von Chery und Wey mit europäischem Knowhow und Zuliefererteilen von Bosch, Continental, Schaeffler und Valeo sind heute. Und morgen.

Die Zukunftskonzepte der Autobauer
Audi Aicon Quelle: Audi
Mini Electric Concept Quelle: Mini
BMW iVision Dynamics Quelle: BMW
Audi Aicon Quelle: Audi
Honda Urban EV Concept Quelle: Honda
Mercedes-AMG Project One Quelle: Daimler
Mercedes Concept EQA Quelle: Daimler

Das hohe Lerntempo ist auch einer der Gründe, warum Auto-Experte Wolfgang Bernhart von der Unternehmensberatung Roland Berger den Auftritt der chinesischen Hersteller „sehr ernst“ nimmt. „Die Chinesen durchlaufen gerade im Zeitraffer, wofür japanische und koreanische Autobauer lange gebraucht haben“, sagt Bernhart. „Qualität und Anmutung chinesischer Autos können in den meisten Fällen noch nicht mit europäischen Fahrzeugen mithalten, im Vergleich zu amerikanischen sieht das aber schon heute anders aus.“

Volumenhersteller müssen nach China schauen

Laut Bernharts Prognose werden die chinesischen Autos, wenn sie dann nach Europa kommen, nicht nur reine Billigautos, deren größtes Argument der Preis ist. Sie werden sich vielmehr „auch im etablierten Kern des Volumensegments festsetzen“. Dafür sorgen nicht nur die europäischen Zuliefererteile, sondern auch eine moderne Produktion. Statt auf vermeintlich billige Arbeitskraft setzt Wey auf eine hochautomatisierte Fertigungslinie. „Die Präzision, die wir in allen Bereichen des Fahrzeugs brauchen, bekommt man mit einer klassischen Drehbank und Handarbeit nicht mehr hin“, sagt Steingräber, der einst bei Audi den Q3 entwickelt hat. Sein Netzwerk und vor allem den Qualitätsanspruch hat Steingräber mit nach China genommen.

Ähnlich wie Audi ist auch Wey in den Great-Wall-Konzern eingebunden. Dieser verkauft bereits Autos unter dem Markennamen Haval Geländewagen – der Haval H6 war zwischenzeitlich sogar das meistverkaufte Auto in der ganzen Volksrepublik. Aus dem H6 stammt auch der Zweiliter-Vierzylinder-Benzinmotor mit 218 PS, der die Wey-Modelle derzeit antreibt. „Würden wir nicht bewusst auf Synergien setzen, würde ich unseren Preisvorteil verlieren“, so Steingräber. „Wir haben aber gewisse Freiheiten und können vorneweggehen, als Vorreiter im Konzern agieren.“

Eine dieser Freiheiten verantwortet Jürgen Greil. Der ehemalige BMW-Ingenieur ist bei Wey Direktor für die eigens entwickelte Elektro-Plattform XEV. Die Studie, die Greil in Frankfurt enthüllte, soll in 4,6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen können und über eine Reichweite von 530 Kilometern verfügen. „Leichtbau am gesamten Fahrzeug ermöglicht es uns, eine kleinere Batterie einzubauen“, sagt Greil. „Das macht nicht nur das Auto nochmals leichter, sondern verkürzt auch die Ladezeiten.“

Bis das erste Fahrzeug auf XEV-Basis auf den Markt kommt, wird es noch ein wenig dauern. Noch vor Jahresende soll mit dem P8 ein Plug-in-Hybrid in die Showrooms rollen. Aber vorerst nur in China, für eine Expansion nennt Steingräber eine klare Bedingung. „Wir sind den chinesischen Händlern, die mit einer enormen Investition in den hochwertigen Showroom in Vorleistung gegangen sind, quasi verpflichtet, sie voll zu versorgen. Alles andere würde ich persönlich als unfair betrachten“, sagt der Wey-Chef. „Erst wenn wir merken, dass wir eine Kapazität ‚China + X‘ haben, werden wir über das Ausland reden.“ Und auch wenn er zwischen den Zeilen durchblicken lässt, dass er seine Autos auch in Europa für wettbewerbsfähig hält: der erste Schritt dürfte eher in Richtung USA gehen.

Während Chery und Wey die klassische Autobühne in Frankfurt gesucht haben, um internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, fehlt eine andere chinesische Marke auf der IAA, deren Name man sich dennoch merken sollte: Byton. Die reine Elektromarke soll in den kommenden Monaten zu einem „chinesischen Tesla“ aufgebaut werden. Hinter Byton – chinesisch ausgesprochen Baiteng – steht der Konzern Future Mobility Corporation.

Byton hat BMWs Elektro-Experten abgeworben

An erfahrenem Personal fehlt es Byton nicht. Die Chinesen haben sich vor allem bei BMW bedient: CEO ist Carsten Breitfeld, einst Chefentwickler des BMW i8. Marketing-Chef Henrik Wenders hat auch die Vermarktung der BMW-i-Modelle ersonnen. Das Design der Byton-Modelle stammt aus der Feder von Benoit Jacob, der – Sie ahnen es – auch den i3 und i8 entworfen hat. Und FMC-Präsident Daniel Kirchert war zuvor für den China-Vertrieb von BMW und der Nissan-Tochter Infiniti zuständig.

Über die Kündigungswelle vor anderthalb Jahren war BMW natürlich „not amused“. Groß in Erscheinung getreten ist die Future Mobility Corporation seitdem nicht. Die Schlagzeilen bestimmten chinesische Elektro-Start-ups wie Faraday Future und Nio. Besonders um Faraday Future, im Januar noch mit der Präsentation eines superschnellen Elektro-SUV vorgeprescht, halten sich hartnäckig Gerüchte über Geldprobleme. Wichtige Manager, wie etwa der frühere Ferrari-Nordamerika-Chef Marco Mattiacci, haben das Unternehmen nach nur wenigen Monaten wieder verlassen.

Die SUV-Festspiele von Frankfurt
VW Polo Quelle: Volkswagen
VW T-Roc Quelle: Volkswagen
Skoda Karoq Quelle: Skoda
Audi A8 Quelle: Audi
Porsche CayenneIn Frankfurt stellt Porsche die bereits dritte Generation des SUV-Modells Cayenne vor. Trotz zahlreicher Änderungen am Alu-Kleid folgt die Neuauflage der Linie des Vorgängers. Anfangs bietet Porsche nur zwei erstarkte Turbo-Benziner mit 340 PS (plus 40 PS) und 450 Newtonmetern sowie 440 PS (plus 20 PS) und 550 Newtonmetern. Der Cayenne S schafft es in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Im Dezember ist bereits Marktstart für den mindestens 75.000 Euro teuren Fünf-Meter-Riesen. Auf der Messe zeigte Porsche auch noch den Cayenne Turbo, der aus einem Vierliter-V8-Biturbo 550 PS schöpft. Quelle: Porsche
BMW X3 Quelle: BMW
Jaguar E-Pace Quelle: Jaguar Land Rover

Anstatt auf die schnelle Aufmerksamkeit zu drängen, haben Unternehmen wie Byton dazugelernt. Statt Sprüche klopfen wollen sie mit Produktsubstanz überzeugen. „Man hat vor uns in den vergangenen eineinhalb Jahren nichts gehört, weil wir keine leeren Ankündigungen machen wollten wie viele andere“, so Carsten Breitfeld, „vergangene Woche haben wir mit Byton den Namen unserer Marke verkündet und den Grundstein für unser Werk in Nanjing gelegt.“ Neben dem Standort in China gebe es noch ein Designcenter in München und ein Entwicklungsbüro im Silicon Valley. Das erste Fahrzeug soll im Januar auf der CES in Las Vegas präsentiert werden.

Deutsche Zulieferer in der ersten Reihe

Der Name Byton ist angelehnt an „Bytes on wheels“ – die Software wird hier zum Markenversprechen. Ein Ansatz, den Bernhart für angebracht hält. „Die Differenzierung über Technologie wird zunehmend schwieriger“, sagt der Unternehmensberater. „Künftig wird sich der Markterfolgt eines Automodells viel mehr über die Marke und die User Experience entscheiden.“

Sechs Ideen, die uns das Leben erleichtern werden
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Und hier kann es einfacher sein, mit einem weißen Blatt Papier zu starten anstatt das benzingetränkte Erbe der eigenen Unternehmensgeschichte mit sich herumzutragen – siehe Tesla.

Dass die deutsche Autobranche aus dem Fehler gelernt hat, das aufmüpfige Elektro-Start-up aus Kalifornien nicht ernst zu nehmen, wurde auch auf der IAA ersichtlich. Bei der Pressekonferenz saßen Vertreter der wichtigsten Zulieferer in der ersten Reihe. Auch Klaus Bräunig, Geschäftsführer des deutschen Branchenverbands VDA, hatte sich unter das Publikum gemischt. Dieses Mal hören sie alle aufmerksam zu.

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