Zulieferer gibt Gas Continental - vom Sorgenkind zum Börsenstar

Conti-Chef Degenhart hat alles richtig gemacht: Der Zulieferer- und Reifenkonzern war 2013 der Überflieger im Dax und macht Bosch beim Thema automatisiertes Fahren Beine. Nun ist das Unternehmen auch 2014 mit Zuwächsen unterwegs.

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Conti-Chef Elmar Degenhart: Der Autozulieferer war in den vergangenen beiden Jahren einer der erfolgreichsten Werte im Dax. Quelle: dpa

Es ist nicht leicht ein Foto von Elmar Degenhart zu finden, auf dem er strahlt. Meist blickt der Continental-Chef, der als wohlüberlegt und ausgeglichen gilt, konzentriert – manchmal huscht ein mildes Lächeln über sein Gesicht. Degenhart ist kein Mensch der großen emotionalen Ausbrüche. Dafür dürfte er umso mehr bei den Anlegern für Freudensprünge gesorgt haben. Denn in den vergangenen beiden Jahren war der Reifenhersteller und Autozulieferer Continental der absolute Top-Performer im deutschen Aktienindex. Allein seit Ende April 2013 hat sich das Conti-Papier mehr als verdoppelt. Gleichzeitig zählt Conti zu den margenstärksten Zulieferern weltweit (siehe Grafik). Und der Höhenflug muss noch lange nicht zu Ende sein. „Wir rechnen mit einem Umsatzplus von drei bis vier Prozent im ersten Quartal“, sagte Conti-Chef Elmar Degenhart am Donnerstag in Frankfurt am Main. „Europa kommt langsam aus dem Tal.“ Auch Nordamerika dürfte weiter zulegen und in Asien solle China das Zugpferd bleiben. Unter dem Strich verbuchte Conti 2013 rund 1,92 Milliarden Euro und damit etwa ein Prozent Plus gegenüber dem Vorjahr. Mit 2,50 Euro Dividende will der Dax-Konzern seinen Aktionären dieses Frühjahr 25 Cent mehr ausschütten als zuvor.

Die zehn profitabelsten Autozulieferer weltweit (zum Vergrößern bitte anklicken)

Continental gehört zu den größten Reifenherstellern der Welt - geschlagen werden die Hannoveraner nur vom US-Konzern Goodyear, Michelin aus Frankreich und dem Marktführer Bridgestone aus Japan. Eine starke Leistung. Und damit nicht genug: „Conti hat die Kostenführerschaft in der Branche übernommen“, lobt ein Bank-Analyst. Das ist umso erstaunlicher, bedenkt man, dass Degenhart den Konzern 2009 mit einer Milliarde schweren Schuldenlast übernommen hat. Die Hannoveraner hatten sich an der elf-Milliarden-teuren Übernahme der Siemens-Tochter VDO verhoben. Jetzt - dazu später mehr – zahlt sich der Deal allerdings aus.

Die Top Ten der größten Reifenhersteller

Denn die Deutschen stützen sich als einziger international tätiger Reifenhersteller nicht allein auf das Geschäft mit dem rollenden Gummi. 70 Prozent des Umsatzes macht Continental mit elektronischen Komponenten. Größere Unabhängigkeit von der Automobilindustrie zu erlangen, war das erklärte Ziel von Degenhart, als er 2009 das Ruder des finanziell angeschlagenen Konzerns übernahm. Wie konsequent er diesen Weg geht, beweist die Übernahme des amerikanischen Kautschuk- und Kunststoffspezialisten Veyance im Februar. Er produziert Fördergurte, Schläuche, Antriebsriemen und Luftfedersysteme. Dahinter verbirgt sich die ehemalige Industriesparte des größeren Conti-Konkurrenten Goodyear. Für 1,5 Milliarden Euro schluckte Degenhart die Gummi-Bude mit 9000 Beschäftigten. Ein geschickter Schachzug.

Denn im Industriesektor kann Continental - wegen des harten Wettbewerbs in der Automobilbranche auf Produktivität und Effizienz getrimmt und somit reinen Industrie-Playern weit voraus - besonders üppige Margen einstreichen. Gebündelt sind die Geschäfte mit Schläuchen, Transportband- und Luftfedersystemen in der Sparte ContiTech. "Das ist die reinste Cashcow", sagt ein Berater, der die Branche seit Jahren beobachtet. Doch die Übernahme von Veyance soll nicht nur das Geschäft abseits des konjunkturell anfälligen Autosektors stärken, die Amerikaner sollen Degenhart die Tür zu neuen Märkten öffnen.

Freie Fahrt in die Wachstumsmärkte


Das sind die größten Autozulieferer der Welt
Platz 10: Faurecia Quelle: dpa
Platz 9: Michelin Quelle: dpa
Platz 8: Bridgestone/Firestone Quelle: dpa
Platz 7: Aisin Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 6: Hyundai Mobis Quelle: dpa
Platz 5: ZF Friedrichshafen Quelle: dpa
Platz 4: Magna Quelle: dpa

Veyance ist stark in den USA und Südamerika. Regionen, in denen Degenhart weiter zulegen will - und muss, will er langfristig erfolgreich bleiben. Im Reifen-Geschäft sitzt Continental im Premium-Geschäft fest im Sattel, doch vor allem in Asien - Korea, China, Indien - reifen Konkurrenten wie Double, Cin, MRF, apollo oder Kumho Tyres heran, die bald über ihre angestammten Territorien herauswachsen könnten und die Fühler nach Europa ausgestreckt haben.

Die größten Automobilzulieferer nach Umsatz:

ZuliefererUmsatz in Mrd. EuroOperatives Ergebnis in Mrd. Euro*Marge operatives Ergebnis vom Umsatz
Continental32,73,510,7 %
Bosch30,9keine Angabenkeine Angaben
Denso (1)30,92,37,6 %
Bridgestone/Firestone (1)26,82,59,4 %
Magna23,31,25,2 %
Aisin22,51,56,7 %
Hyundai Mobis (1)21,82,19,4 %
Michelin21,52,411,3 %
Johnson Control20,61,25,6 %
Faurecia17,40,53 %

(1) = Umrechnung Geschäftsjahr auf Kalenderjahr

* = Ebit oder Operating Income; nur Unternehmen mit einem Umsatzanteil von > 50 %; 2012; Quelle Berylls Strategy Advisors

Im Herbst sollen die Kartellbehörden grünes Licht für die Transaktion mit Veyance geben, dann heißt es freie Fahrt für Conti - auch nach Mexiko, Kanada, China und Australien. China spielt als größter Wachstumsmarkt für die Automobil- und Logistikbranche eine herausragende Rolle. Bis 2025 sollen hier allein 35 Millionen Pkw rollen, so eine Prognose des CAR Center of Automotive Research der Uni Duisburg-Essen.

Expansion in USA, Russland, China und Indien

Doch die etablierten Marktführer im Reifengeschäft haben im Reich der Mitte nur einen Marktanteil von 30 Prozent. Auch in Indien treibt Degenhart die Expansion weiter voran. 2012 übernahm er die restliche Hälfte am Gemeinschaftswerk mit Partner Rico Auto Industries. Noch in diesem Jahr soll die Reifenfertigung in Modipuram, 80 Kilometer nordöstlich von Neu Delhi starten.

Degenhart hat mit neuen Werken in Indien, dem russischen Kaluga und South Carolina eine beispiellose Ausweitung der Produktionskapazitäten in der Reifen-Division gestartet. Die potenziellen Stückzahlen sollen bis 2016 damit weltweit jährlich um mehr 20 Millionen Reifen aufgestockt werden. Zum Vergleich: 2012 rollten rund um den Globus zwei Milliarden Reifen vom Band. Mehr als eine Milliarde Euro umfasst dieses bis dato größte Sonder-Investitionsprogramm der Unternehmensgeschichte.

Der Conti-Chef  hat die Wachstumsmärkte also fest im Blick und schafft es gleichzeitig sich auf dem technologisch hochentwickelten westlichen Märkten in Position zu bringen. Beim Thema automatisiertes Fahren und Connectivity liegen die Norddeutschen mit der schwäbischen Konkurrenz mindestens gleich auf. 

VDO wichtige Quelle des Erfolgs

Und hier macht sich jetzt auch der teure Einkauf von VDO bezahlt. Sie ist die Urzelle für das heute so erfolgreiche Elektronikgeschäft von Conti. Denn bei der ehemaligen Siemens-Tochter entstehen die Technologien, die Auto und Internet zusammenbringen. Gerüchte, dass Continental ein Bündnis mit Google und IBM eingegangen ist, um das Thema „Connected Car“ weiter voranzutreiben, halten sich hartnäckig. Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten, hätte Bosch ein Problem mehr. „Bosch ist ein Konzern mit strukturellen Problemen und im Vergleich zu Continental immer noch viel zu langsam“, sagt ein mit den Unternehmensinterna bestens vertrauter Berater. Zwar habe Denner mit seinem Fokus auf das Internet der Dinge und Dienstleistungen die richtigen Signale gesetzt, „beim Wettlauf um das automatisierte Autofahren hätte Continental mit der Google-Partnerschaft aber einen schwer einholbaren Vorsprung geschaffen.“

Spitze beim vernetzten Auto


Die Stars des Genfer Autosalons
McLaren 650S 650 PS und eine Spitzengeschwindigkeit von 333 km/h: Mit dem 650S präsentiert McLaren ein Fahrzeug für Tempofreunde und eine Weiterentwicklung des MP4-12C. Der schnittige Renner wird von einem 3,8-Liter-Biturbo-V8 zu Spitzenleistungen angetrieben: Von Null auf Tempo benötigt der 650S genau drei Sekunden. Die 200er-Marke knackt er in 8,4 Sekunden. Der Preis für den Sportwagen: mindestens 231.500 Euro. Quelle: dpa
McLaren 650S SpiderNeben dem Coupé bietet McLaren sein PS-Monster 650S auch als Cabrio an. Der Spider ist technisch identisch mit der geschlossenen Variante. In beiden Fällen ist der Innenraum mit Alcantara ausgekleidet. Wer den Fahrtwind im neuen McLaren-Cabrio genießen will, muss allerdings Abstriche bei der Spitzengeschwindigkeit machen. Statt 333 schafft die Cabrio-Variante "nur" 329 Stundenkilometer. Beim Verbrauch soll es hingegen keine Unterschiede zwischen Coupé und Cabrio geben: Beide schlucken 11,7 Liter. Quelle: AP
C4 Cactus Aventure "Auf ins Gelände", ruft Citroën mit dieser Fahrzeug-Studie. Der Aventure ist die Off-Road-Variante des C4 Cactus. Verstärkt, höhergelegt und mit geländetauglichen Reifen und Felgen soll der Fünftürer Abenteurer sicher durch die Wildnis bringen. Die kleinen Luftkissenpolster an der Seite dienen angeblich als zusätzlicher Schutz. Angetrieben wird der Aventure von einem Benzin- (82 oder 110 PS) oder Dieselmotor (92 oder 100 PS). Mehrere verbaute GoPro-Kameras sollen jedes Abenteuer im Bild festhalten. Quelle: AP
Jaguar F-Type Die britische Luxusmarke bringt den Super-Sportler F-Type als Coupé nach Genf mit. Gezeigt wurde er davor schon auf der LA Auto Show und in Tokyo. Jetzt steht er zum ersten Mal auf europäischen Boden. Im Mai 2013 hatte Jaguar den Nachfolger des legendären E-Type auf die Straße gebracht - bisher nur als Cabrio. Jetzt kommt das 550-PS-Geschoss (R-Version von 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden) in der geschlossenen Version. Sie basiert auf dem 2011 auf der IAA vorgestellten Studie C-X16. Kostenpunkt: Zwischen 67.000 und 104.000 Euro. Quelle: AP
Ferrari California TMit dem Nachfolger des California geht Ferrari neue Wege. Erstmals arbeitet ein neu entwickelter V8-Turbo unter Haube. Der bringt den Sportwagen auf 560 PS und 755 Nm Drehmoment, ein satter Leistungsgewinn im Vergleich zum Vorgänger-Modell. Von Null auf Hundert schafft es der California T in 3,6 Sekunden. An der Optik hat Ferrari hingegen wenig geändert. Auch verwandelt sich der Sportwagen weiterhin auf Knopfdruck von einem Coupé in ein Cabrio. 14 Sekunden soll das Einklappen des Dachs dauern. Quelle: REUTERS
Volvo Concept EstateMit dem Concept Estate zeigt Volvo in Genf das letzte von drei Fahrzeugkonzepten. Wie bei den beiden vorherigen Studien Concept Coupé und XC Coupé wird die Frontpartie von den T-förmigen Scheinwerfer und den konkaven Kühlergrill geprägt. Das Kombi-Konzept orientiert sich am Design des als "Schneewittchen-Sarg" bekannten Volvo 1800 ES aus den 1970er Jahren. Der Innenraum ist schlicht gehalten: Ein Touchscreen auf der Mittelkonsole ersetzt die meisten Schalter und Regler und wird so zum zentralen Element im Cockpit. Quelle: REUTERS
Range Rover Evoque „Autobiography Dynamic” Von außen sind die Autobiography Dyamic Modelle der Briten durch ein höherwertig gestaltete Karosserie zu erkennen - unter anderem gibt es diamantgedrehte 20-Zoll-Alu-Schmiederäder, neue Designelemente in Atlas Silver und eine tiefer gezogene Frontschürze mit modifizierten Nebelscheinwerfereinfassungen sowie seitlichen Lufteinlässen. Im Innenraum gibt es viel Leder mit Bezügen in insgesamt sechs Farbkombinationen. Mit 285 PS und 400 Nm starkem 2,0-Liter-Benzin-Motor kommt diese Evoque-Variante noch sportlicher daher. Auch das Neungang-Getriebe wurde neu abgestimmt. Quelle: Range Rover

Fakt ist, dass Continental bei Daimlers C-Klasse bereits die Elektronik zum Einsatz bringt, mit der Autos bereits ohne Zutun eines Fahrers durch die Verkehr steuern könnten. Einzig die deutschen Gesetze, die pilotiertes Fahren bisher nur im Stopp-and-Go-Verkehr erlauben, bremsen die Schwaben und Hannoveraner noch aus. Auch das neue Touchpad der C-Klasse stammt von Conti. Für Helmut Matschi, Leiter der Division Interior bei Continental, ist es „ein wichtiger Schritt in Richtung einer ganzheitlichen Mensch-Maschine-Schnittstelle.“ Es gehe um einen Dialog „ohne Worte“. „Die Fahrzeuge der Zukunft sollen vorausahnen, welche Informationen der Fahrer in der jeweiligen Fahrsituation benötigt."

Wie groß das Thema ist, zeigt sich aktuell auf dem Autosalon in Genf. Mercedes, BMW, Opel – kaum ein Hersteller, der nicht damit wirbt, dass seine Modelle zu mobilen Kommandozentralen werden, in die sich Smartphones und Tablets integrieren lassen und – gleichzeitig -  vollvernetzt und bald auch dank Car-to-Car-Kommunikation so sicher wie nie zuvor werden.

Die Berater von Arthur D. Little sehen in der Digitalisierung des Automobils den Schlüsseltrend Nummer eins mit „disruptivem Potenzial“ für die gesamte Branche und einer starken Verschiebung der Wertschöpfung in Richtung Software und Service. Daimler-Chef Zetsche spricht in Genf gar von einer „Kulturrevolution“. Die Frage bleibt, wer wird an der Revolution Teil haben? Conti-Chef Degenhart hat die Weichen gestellt. Und dass er Gas geben kann, hat der Motor-Sport-Fan längst bewiesen.

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