Autobauer Christian Wulff: Deutschlands heimlicher Autokanzler

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In den sechs Jahren, die Wulff als Ministerpräsident waltet, inszenierte er sich zum Antipoden seiner SPD-Vorgänger Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel. Statt des Alpha-Tiers gibt er den verbindlichen, netten, adretten Landesvater. Er liebt es korrekt, bevorzugt leise Töne. Nie käme es ihm in den Sinn, einen politischen Gegner im Parlament als „Warmduscher“ (Gabriel über Wulff) zu verhöhnen.

Und anders als Schröder baut Wulff keine verschworenen Seilschaften auf. Sein Kreis echter Freunde ist klein. Dennoch hat er ein stabiles Netzwerk in der Wirtschaft aufgebaut, auf dessen Mitglieder er sich verlassen kann.

Zu den Managern, mit denen sich Wulff regelmäßig trifft, gehören Konzernchefs wie Ekkehard Schulz (ThyssenKrupp) und Karl-Thomas Neumann (Continental), aber auch niedersächsische Mittelständler wie Hermann Bahlsen (Süßwarenhersteller Bahlsen), Martin Kind (Präsident Hannover 96), Bernard Meyer (Meyer Werft) und Dirk Roßmann (Drogeriekette Rossmann). Kurz sind die Drähte auch zu den Chefs der 47 Firmen, an denen das Land Anteile hält, darunter VW, Salzgitter und die Deutsche Messe.

Einmal im Jahr trommelt Wulff seine Minister zu einer Klausurtagung zusammen, bei der er Politiker mit Wirtschaftsexperten oder Wissenschaftlern zusammenbringt. Das solle für Ideen und frischen Wind sorgen, sagt Wulff. Thyssen-Krupp-Chef Schulz war schon geladen, auch Ex- McKinsey-Chef Jürgen Kluge und Utz Claassen, Ex-Chef des Energieversorgers EnBW.

Wulff ist kein "Alpha-Tier"

Jürgen Großmann, Chef des Energieriesen RWE und Eigentümer des Osnabrücker Stahlunternehmens Georgsmarienhütte, darf sich zu den wenigen engen Freunden Wulffs aus der Wirtschaft zählen. Nicht nur, dass Wulff häufig Gast im La Vie ist, dem Restaurant des Stahlbarons. Auch Großmann fährt häufig nach Hannover. Im Oktober 2007 stellte Großmann in den Räumen der Nord/LB das neueste Buch des CDU-Politikers vor, obwohl er an diesem Tag seine Stelle als Chef des Energieriesen RWE antreten musste. Immerhin war Wulff im Juni zuvor nach New York gereist, um bei einer Preisverleihung des einflussreichen Vereins Atlantik-Brücke eine Laudatio auf Großmann zu halten.

Ein weiterer Unternehmer, der als Freund Wulffs gilt, ist der Gründer des Finanzvertriebs AWD, Carsten Maschmeyer. Wie Großmann war er zur Hochzeit des Ministerpräsidenten im März eingeladen. Maschmeyer hat Wulff einiges zu verdanken – so seine neue Lebensgefährtin, die Schauspielerin Veronica Ferres. Wulff hatte beide vor zwei Jahren auf der Berlinale miteinander bekannt gemacht.

Die Zeit, die Triumphe zu feiern, das weiß Wulff, ist für ihn allerdings noch nicht gekommen. Eigentlich hatte er geplant, mit VW-Chef Martin Winterkorn, VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch und VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh auf Sardinien die Markteinführung des neuen Polo zu zelebrieren. Doch Wulff war offiziell wegen Terminproblemen verhindert und schickte seinen Staatssekretär Olaf Glaeseker auf die Insel. Konzerninsider vermuten jedoch, dass Wulff fürchtete, der Auftritt sei zu viel Siegerpose gewesen.

Nein, der Herr Ministerpräsident ist einfach kein Alpha-Tier. „Das merkt man schon im VW-Aufsichtsrat“, erzählt ein Kontrolleur von der Arbeitnehmerseite. „Wenn Wulff bei manchen Entscheidungen, die ihn nicht unmittelbar betreffen, witzelt: Das sollen mal die ganzen Alpha-Tiere unter sich ausmachen.“ Trotzdem ist der Aufsichtsrat sicher, dass Wulff über genügend Machtinstinkt verfügt, um aus dem Schatten zu treten, wenn die Zeit gekommen ist: „Er wird sich nicht aktiv als Kanzlerkandidat in Position bringen. Aber, wenn man ihn fragt, wird er es machen.“

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