Autobauer Erst Daimler, jetzt BMW?

Daimler schockt die Börse mit einer Gewinnwarnung. Doch BMW könnte es noch härter treffen. Dort sind die Vorzeichen schlecht. Die Branche ist ratlos.

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Daimler-Chef Dieter Zetsche Quelle: AP

Dramatischer kann ein Börsentag kaum verlaufen. Dass es so schlimm kommen würde, konnte Daimler-Chef Dieter Zetsche eigentlich nicht erwarten. Der Stuttgarter Autokonzern präsentierte am Donnerstag ein Quartalsergebnis, das zum Teil sogar oberhalb der Analystenerwartungen lag. Und Daimler senkte zwar die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr – absolut betrachtet sind die nun erwarteten Jahreszahlen keineswegs schlecht: Mit mehr als sieben Milliarden Euro Vorsteuergewinn und einer Umsatzrendite von acht Prozent liegen die Stuttgarter vor BMW und Volkswagen. Trotzdem glich die Reaktion an der Börse einem Blutbad. Die Aktie verlor binnen Minuten elf Prozent, wurde zwischenzeitig vom Handel ausgesetzt und verharrte bis zum Abend mit zehn Prozent im Minus.

Das Börsenmassaker vom Donnerstag zeigt, wie nervös die Märkte auf Nachrichten aus der Automobilindustrie reagieren. Selten zuvor lagen Bankanalysten mit ihren Schätzungen dermaßen daneben: Anfang der Woche wurden sie von Peugeot, Renault und Volkswagen mit unerwartet guten Zahlen überrascht, dann am Donnerstag von Ford und Daimler mit Negativmeldungen. Den Analystenkonsens traf kein Hersteller. „Die Märkte sind offensichtlich völlig orientierungslos“, konstatiert Christoph Stürmer, Automobilexperte bei der Beratung Global Insight. „Die Branche ist in einem so starken strukturellen Umbruch, dass die üblichen Berechnungsmodelle offensichtlich nicht mehr greifen.“

Tatsächlich gab es eine solche Gemengelage selten zuvor. Der Ölpreis befindet sich im Dauerhoch, die Preise für Stahl und andere Rohstoffe schießen durch die Decke und kennen scheinbar kein Limit. Gleichzeitig flaut die Konjunktur ab, die Verbraucher sind verunsichert und wissen nicht mehr, was sie angesichts drohender Neuregelungen und Sanktionen zum Klimaschutz und gleichzeitig steigender Inflation überhaupt noch kaufen sollen. Neue Absatzmärkte wie Russland und China, wo das Geschäft noch immer boomt, dämpfen den negativen Effekt zwar, ganz nivellieren können sie ihn jedoch nicht.

Premiumhersteller trifft es mit voller Wucht

Eigentlich waren Marktbeobachter davon ausgegangen, dass unter diesen Entwicklungen vor allem die Massenhersteller wie VW leiden. Doch inzwischen ist klar: Auch die renditestarken Premiumhersteller Daimler und BMW trifft es mit voller Wucht. Sie haben gar mit weiteren Problemen zu kämpfen, die etwa die französischen Konkurrenten nicht kennen. Der wichtigste Automarkt der Welt, die USA, ist eingebrochen, wo BMW und Daimler stark sind, während Renault dort nicht vertreten ist.

Gleichzeitig stürzen die Restwerte für Gebrauchtwagen ab. Und immer mehr US-Gebrauchtwagenkäufer bekommen ihre Fahrzeug-Finanzierung nach dem geplatzten Hauskredit gar nicht mehr gestemmt, was die Ausfälle erhöht und die Kalkulation der Hersteller im Leasing wie in der Finanzierung über den Haufen wirft. Das trifft vor allem BMW. Die Münchner haben bereits einen dreistelligen Millionenbetrag zurückgestellt. Doch selbst der, so fürchten Beobachter, könnte am Ende nicht reichen.

Anfang August werden die Münchner ihre Zahlen für das zweite Quartal präsentieren. Den Analysten schwant Böses. „Die Mechanismen, die bei Daimler wirken, sind im Grunde die gleichen wie bei BMW“, sagt Georg Stürzer, Automobilanalyst bei der HypoVereinsbank. Nur wenige Tage ist es her, da haben die Analysten der Deutschen Bank ihr Kursziel für die BMW-Aktie nahezu halbiert. Marc-René Tonn von M.M. Warburg sieht ebenfalls wenig Anlass zur Hoffnung. „Wir haben eigentlich bei Daimler geglaubt, dass die ihre Ziele erreichen werden. Bei BMW waren wir schon vorher skeptisch“, sagt Tonn. „Nach dem Ausblick von Daimler jedoch müssen wir bei BMW jetzt fast schon sicher von einer Gewinnwarnung ausgehen.“

Schwere Aussetzer

Allein der dauerhaft schwache Dollar mit Kursen nahe 1,60 Dollar je Euro belastet BMW stärker als jeden anderen deutschen Hersteller. Über 20 Prozent der Gesamtproduktion landet in Nordamerika. Zwar versuchen die Bayern mit einer Ausweitung der US-Produktion als natürlicher Währungsabsicherung und sogenannten Kurssicherungsgeschäften gegenzusteuern. Doch „bei einem Dollar-Kurs von 1,60 gibt es nicht mehr viel abzusichern. Sie können das tun, aber das kostet so oder so ein Vermögen“, sagt ein Konzerninsider.

Dabei sollte ein milliardenschweres Sparprogramm und die Streichung von insgesamt 8100 Stellen – davon betroffen auch rund 3000 fest angestellte Mitarbeiter – eigentlich dazu führen, dass BMW ab 2012 wieder eine Umsatzrendite von soliden acht bis zehn Prozent schreibt. Auch die angestrebte Zusammenarbeit mit Alfa Romeo bei der nächsten Generation des Mini und der gemeinsame Einsatz von Komponenten sollen positiv zum Ergebnis beitragen. Doch das wirtschaftliche Umfeld trübt die Hoffnung auf eine schnelle Trendwende.

Wirklich positiv ist für BMW nur, dass die Bayern ihre Hausaufgaben beim Thema Verbrauchssenkung bereits gemacht haben. Dank des Spritsparbaukastens Efficient Dynamics hat BMW den durchschnittlichen Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2 im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 29 Gramm gesenkt und ist den von der EU für 2012 avisierten Zielen näher als die Stuttgarter Konkurrenz. „BMW hat das Geld für wichtige Spritspartechnologien schon ausgegeben, Daimler hat das zum Teil noch vor sich“, sagt Global-Insight-Berater Stürmer. Allein bis 2010 will Daimler rund 14 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgeben.

Feindliche Übernahme droht

BMW-Mitarbeiter fürchten bereits, dass das Sparprogramm noch einmal deutlich verschärft wird. Auch in Stuttgart halten sich Gerüchte, dass ein neues Kostensenkungsprogramm auf dem Weg ist. Das könnte an das sogenannte Core-Programm anschließen, das in den vergangenen Jahren von Ex-Mercedes-Chef Eckhard Cordes und seinem Nachfolger Zetsche durchgezogen wurde und dem mehrere Tausend Arbeitsplätze zum Opfer fielen.

Auch wenn es diesmal so weit nicht kommt: Dass die Zeiten auch unter dem Stern wieder ungemütlicher werden, ist nach der Schockwelle vom Donnerstag anzunehmen. Zumal ein niedriger Aktienkurs im Fall Daimler das Risiko einer feindlichen Übernahme deutlich ansteigen lässt. Allein deshalb dürfte Zetsche bei der Kurspflege wenig kompromissbereit sein.

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