Autohersteller Billigauto von Rolls-Royce für eine Viertelmillion Euro

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Der neue Rolls Royce 200EX: Ab Quelle: REUTERS

Für den Ghost lassen sich die Deutschen nicht lumpen. Eine zweite Montage-straße wurde eingerichtet, damit beide Fahrzeuge parallel gefertigt werden können. Die Belegschaft soll mit dem Start der Ghost-Produktion um 150 auf 900 Mitarbeiter aufgestockt werden. Das sind für die internationale Automobilindustrie zwar nur Peanuts – aber immerhin Signale der Hoffnung in einer krisengebeutelten Branche, die versucht, sich mit Kurzarbeit und Staatshilfe über die Runden zu retten.

Seit Monaten werden Rolls-Royce-Mitarbeiter in bordeauxroten oder schwarzen Polohemden für die neue Produktion geschult. Fotografieren ist verboten, denn sie üben an echten Komponenten des neuen Ghost. Weil die Karosserie-Teile und Motoren bei BMW in Deutschland produziert werden, wirkt die Rolls-Royce-Fabrik in Goodwood, in der nur Montage, Innenausstattung und Lackierung stattfinden, wie ein großer Handwerksbetrieb.

Auslieferungen gehen um 27 Prozent zurück

Im Vergleich zu anderen Betrieben ist es in Goodwood schon an normalen Tagen erstaunlich ruhig. Zurzeit wirkt die Manufaktur manchmal jedoch fast gespenstisch still. Dann ist "produktionsfreier Tag", wie das bei Rolls-Royce heißt, einer von 60, die in diesem Jahr geplant sind. Denn auch Luxuslimousinen sind nicht völlig immun gegen die Krise: Von Januar bis Mai 2009 wurden weltweit nur 276 Fahrzeuge ausgeliefert – 105 oder 27 Prozent weniger als in den ersten fünf Monaten 2008.

Irgendwann fordert der horrende Preis offenbar auch bei Rolls-Royce einen Tribut. Vom Phantom mit seiner langen Motorhaube und dem mächtigen Kühlergrill wurden seit der Auslieferung der ersten Wagen im Jahr 2003 genau 4916 Fahrzeuge verkauft. 2008 erreichte der Absatz mit 1212 Stück den bisherigen Rekord. 80 Prozent davon werden speziell nach den Wünschen der Kunden gefertigt. Ein größerer Kofferraum, Picknick-Tischchen aus Walnussholz für die Fondspassagiere oder ein goldener Trinknapf für den Schoßhund? Kein Problem. Jeder Kunde kann zwischen 44.000 Außenfarben wählen. Wer viele Extras ordert, verdoppelt leicht den Preis. Bisher verdiente BMW damit ordentlich Geld – wie viel, wird nicht verraten.

Rolls-Royce-Chef Purves hofft, dass sich dank des Ghost der Absatz im Gesamtjahr stabilisieren wird. Allerdings werde das nur mit Mühe zu erreichen sein. Und er räumt ein: „Wir beobachten die Situation Monat für Monat, keinesfalls wollen wir zu viele Leute einstellen, falls sich abzeichnen sollte, dass auch 2010 schwierig wird.“ Im Moment glaubt er noch, „dass 2010 besser sein wird als das laufende Jahr“.

Boom in China und Russland lässt nach

Bis zur Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 lief das Geschäft bei Rolls-Royce auch durchaus gut, danach gab es aber einen deutlichen Rückgang der Bestellungen. Purves schiebt das weniger auf plötzliche wirtschaftliche Nöte als auf die veränderte Gemütslage seiner Kunden. „Ich kenne kaum jemanden, der früher Rolls-Royce-Kunde war und heute finanziell nicht mehr in der Lage wäre, sich unsere Autos zu leisten“, sagt er. Offenbar habe sich aber die Stimmung verschoben, holen die Superreichen lieber weiterhin eine ihrer alten Nobelkarossen aus der Garage: „Etwa 70 Prozent aller jemals gebauten Rolls-Royce können ja auch heute noch auf der Straße gefahren werden.“

Vor allem der US-Markt, weltweit seit Jahrzehnten das wichtigste Absatzgebiet, läuft in diesem Jahr nicht mehr so gut wie früher. Auch der Boom in China und Russland ließ nach. Dafür liefen die Geschäfte in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Nordeuropa gut. Wichtigste Absatzmärkte hinter den USA sind Großbritannien, gefolgt von den Emiraten, China und Russland. Deutschland liegt nach Verkaufszahlen in Europa auf Platz drei.

Purves kennt Rolls-Royce wie kaum ein anderer. Er fing 1967 nach dem Studium zunächst als Ingenieurlehrling an und blickt heute auf 19 Jahre bei Rolls-Royce und 24 Jahre bei BMW zurück. „Was sich nicht geändert hat, ist, dass unsere Kunden heute wie damals das Allerbeste wollen und über die Mittel verfügen, um sich das Beste leisten zu können.“ Dass Rolls-Royce in deutscher Hand liegt, stört Purves nicht. „Wir haben jetzt einen Besitzer“, sagt der Rolls-Royce-Chef, „der in die Zukunft investiert, das ist für uns sehr wichtig.“

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