Autoindustrie Putin knebelt ausländische Unternehmen

Der Kreml zwingt ausländische Autokonzerne, in Russland zu fertigen, wenn sie ihre Modelle dort verkaufen wollen. Nun wächst der Druck auf die Zulieferer, ebenfalls nach Russland zu gehen. Doch davon sind auch nicht alle Russen begeistert.

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Volkswagen RUS: Premier Putin Quelle: dpa

Wladimir Putin hat ein großes Herz – besonders für die russische Autoindustrie. Als die Branche in der Wirtschaftskrise abstürzte, öffnete Russlands Premier den Staatssäckel und legte eine Abwrackprämie auf, im Volksmund „Geld für Autoschrott“ genannt: 1250 Euro gibt es pro Fahrzeug, wenn Autobesitzer ihren stinkenden Lada-Schiguli verschrotten und Neuwagen aus russischer Produktion kaufen.

Als Lada-Hersteller Awtowas im Frühjahr dank der Prämie fast wieder das Produktionsvolumen von 2008 erreicht hatte, war das für Putin kein Grund, auf die Bremse zu treten. Stattdessen verlängerte er die Abwrackprämie bis Ende 2011. Dass der Kreml russische Hersteller dermaßen hätschelt, ist für globale Branchengrößen wie Volkswagen, Ford und Toyota zwar ein Ärgernis. Schwerer wiegt indes eine Novelle des Dekrets 166, die zum 1. Februar in Kraft trat und nun zu wirken beginnt.

Vorschriften knebeln internationale Hersteller und Zulieferer

Die Vorschriften sind eine Zäsur für die Branche, sie knebeln internationale Hersteller und ihre Zulieferer: Entweder sie fahren die Produktion in Russland massiv hoch, oder sie büßen Marktanteile ein.

Autobauer müssen bald zumindest 300 000 Fahrzeuge pro Jahr vor Ort bauen und je nach Bauteil bis zu 60 Prozent der Teile von Zulieferern in Russland beziehen. Letzteres gilt auch für den Motor, das Herz jedes Kraftfahrzeugs, was für Hersteller angesichts der Qualitätsdefizite russischer Lieferanten der eigentliche Hammer ist. Dies sei die „einschneidendste industriepolitische Maßnahme“, die es in Russland in den letzten Jahren gegeben habe, sagt Siegfried Wolf, der ehemalige Chef des kanadischen Zulieferers Magna und heutige Aufsichtsratschef des russischen Herstellers GAZ. Ausländer, die sich nicht an den Ukas halten und Fahrzeuge nach Russland exportieren, riskieren schwere Nachteile. Sie müssen so hohe Zölle zahlen, dass ihnen die Hersteller mit Werken in Russland deutlich voraus sind.

Die neuen Bestimmungen wirken: Praktisch alle Autobauer erwägen nicht nur die Expansion in Russland. Sie drängen auch ihre Zulieferer, sich dort niederzulassen. Klar, für ausländische Autokonzerne ist Russland einer der interessantesten Märkte. Nirgendwo in Europa ist das Wachstum so groß: 2010 kauften die Russen 1,9 Millionen Fahrzeuge, 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Prognosen von IHS Automotive zufolge werden von 2013 an mehr als drei Millionen neue Autos pro Jahr zugelassen. Damit würde Russland die Deutschen als größte Autonation in Europa überholen.

Ewald Kreid von der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) in Moskau geht davon aus, dass das Wachstum in Russland bis 2020 auf jährlich vier Millionen Neuzulassungen anwachsen wird: „Damit wäre Russland der sechstgrößte Markt weltweit, aber deutlich hinter den anderen BRIC-Märkten China, Indien und Brasilien.“ In China erwartet Kreid bis dahin ein Absatzvolumen von 30 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Trotzdem sei jetzt der richtige Zeitpunkt für die Autobranche, in Russland zu investieren.

Für Zulieferer sieht die Rechnung aber komplizierter aus: „Die Hersteller brauchen Vertrauen in den Markt und klare Prognosen hinsichtlich der Absatzvolumina, sonst können sie nicht planen“, sagt Ex-Magna-Chef Wolf. Im Klartext: Ein einziger Kunde wie VW in Kaluga rund 170 Kilometer südwestlich von Moskau reicht nicht aus, damit sich für die Zulieferer ein Werksbau lohnt. Komponentenhersteller brauchen mehrere Großkunden, doch die sitzen im Zweifel 850 Kilometer weiter nördlich in Sankt Petersburg oder sonstwo im größten Land der Erde. BCG-Berater Kreid warnt: „Jeder mittelständische Zulieferer sollte gründlich überlegen, ob sich der Markteintritt in Russland lohnt oder am Ende nicht die Risiken überwiegen.“

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