Autoindustrie Weniger Gehalt und mehr Macht für die Mitarbeiter

Immer mehr Unternehmen der Autoindustrie wollen ihren Mitarbeitern Anteile am Unternehmen übertragen - wenn sie bereit sind, auf Lohn zu verzichten. Was Opel, Daimler, VW und Schaeffler planen und wo die Fallstricke liegen.

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Mitarbeiter bei Volkswagen Quelle: AP

Am weitesten gediehen seien die Überlegungen zur Mitarbeiterbeteiligung in der Autoindustrie, etwa bei Opel, Daimler, Volkswagen und dem Autozulieferer Schaeffler, sagt Wolfgang Apitzsch. Der Frankfurter Rechtsanwalt ist ein Experte für Mitarbeiterbeteiligung und berät mehrere Autobauer zu dem Thema. „Die Mitarbeiter in der Autoindustrie haben in den letzten Jahren immer wieder Zugeständnisse gemacht, beispielsweise um eine Beschäftigungssicherung zu erhalten“, sagt Apitzsch. „Nun sagen die Gewerkschaften: Alle bisherigen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Wenn es weitere Zugeständnisse geben soll, dann nur noch gegen Unternehmensanteile.“

Doch so unterschiedlich die Autokonzerne sind, so verschieden sind auch ihre Konzepte für eine Mitarbeiterbeteiligung.

Opel

Die Zeit drängt, dem Autobauer steht das Wasser zum Hals. Nur wenn die Mitarbeiterbeteiligung schnell Gestalt annimmt und die Opel-Mutter General Motors (GM) oder ein neuer Investor wie etwa der Zulieferer Magna oder der Finanzinvestor RHJ damit leben können, hat die Idee eine Chance. Betriebsräte und IG Metall haben deshalb in den vergangenen Monaten ein Beteiligungsmodell aus dem Boden gestampft.

Es sieht vor, dass die Mitarbeiter auf Lohnbestandteile und andere Forderungen in einem Gesamtwert von bis zu 1,5 Milliarden Euro verzichten und dafür mindestens zehn Prozent an Opel bekommen. Die Anteile der Opel-Mitarbeiter sollen von einer bereits gegründeten Aktiengesellschaft treuhänderisch gehalten werden. Aktionäre, Aufsichtsräte und Vorstände dieser AG sind Gewerkschafer, Betriebsräte und von ihnen bestellte Rechtsanwälte. Mit diesem Modell könnten, so sagt Beteiligter der Verhandlungen, „sowohl Magna als auch RHJ gut leben.“ Sollte sich GM allerdings entscheiden, Opel nicht zu verkaufen, stünde das Modell wieder zur Disposition. „Wie GM zu unseren Plänen steht, wissen wir nicht“, sagt ein Gewerkschafter.

Bei manchen Opelanern hält sich die Begeisterung über das Beteiligungsmodell allerdings in Grenzen. Etwa am Opel-Standort Bochum: Das Werk muss mehr Stellen streichen, als alle anderen deutschen Werke – egal welcher Investor einsteigt. „Die Mitarbeiter sagen sich: Warum sollen wir jetzt auf Gehalt verzichten“, sagt ein Bochumer Opelaner, „wenn wir bald sowieso keinen Job mehr haben.“

Als Opel im Juni das Urlaubsgeld der Bochumer mit der Begründung einbehielt, die Gelder würden für die Mitarbeiterbeteiligung verwendet, gingen die Bochumer auf die Barrikaden. Die Betriebsräte versuchten die Auszahlung per Gerichtsbeschluss zu erzwingen. „Wir sind grundsätzlich für die Mitarbeiterbeteiligung“, sagte ein Betriebsrat, „doch die Opferbereitschaft hat auch Grenzen.“

Inzwischen sind die Bochumer jedoch wieder auf einer Linie mit ihren Kollegen der anderen Standorte. Denn auch die Opelaner der anderen Standorte wollen nichts mehr von einem Verzicht auf das Urlaubsgeld wissen. Aus Protest dagegen, dass Opel womöglich nicht verkauft wird und bei GM bleibt und nicht verkauft wird, wurde eine entsprechende Betriebsvereinbarung gekündigt. „Für ein „Zurück zu General Motors“, so heißt es in einem internen Schreiben des Betriebsrates, „gibt es keinen Cent Beitrag der Beschäftigten.“

Daimler

Auch bei dem Stuttgarter Premiumhersteller wird an einem Beteiligungsmodell für die Mitarbeiter gebastelt. Und auch bei Daimler ist die Autokrise der Motor für die Überlegungen. Der Autobauer schreibt rote Zahlen. Jede Möglichkeit, Löhne einzubehalten und damit die Liquidität zu erhöhen, ist dem Management herzlich willkommen. Laut einer Vereinbarung von Betriebsrat und Konzernführung wird deshalb eine Erfolgsprämie für das Jahr 2008 nicht ausbezahlt. Stattdessen soll das Geld – immerhin 1900 Euro pro Mitarbeiter in Deutschland – in eine Kapitalbeteiligung umgewandelt werde.

Bei 168 000 deutschen Mitarbeitern ergibt sich eine Summe von knapp 320 Millionen Euro. Dafür könnten, so wird in Unternehmenskreisen spekuliert, die Mitarbeiter rund ein Prozent des Unternehmens bekommen. Doch noch gibt es Hürden, vor allem steuerliche. Es soll vermieden werden, dass die Mitarbeiter den Wert ihrer Anteile als Arbeitslohn versteuern müssen. „Hier haben wir noch keine Lösung gefunden“, sagt Daimler-Aufsichtsrat und IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann. „Die Beteiligung ist eine interessante Idee“, sagt er vorsichtig, „mal sehen ob sie auch Füße bekommt.“

Bis spätestens Ende des Jahres, so heißt es im Unternehmen, werde feststehen, ob es eine Mitarbeiterbeteiligung geben wird. Wenn ja, soll das Modell bis zum Frühjahr umgesetzt sein. Das Ziel ist offenbar die Hauptversammlung am 14. April 2010. „Hier müsste die Beteiligung beschlossen werden“, sagt ein Insider. „Wenn es nicht klappt, ist es für die Mitarbeiter nicht dramatisch, denn ihre 1900 Euro werden deutlich über Marktniveau verzinst.“

Schaeffler

Die Not macht auch die Betriebsräte von Schaeffler erfinderisch. Der Autozulieferer steht wegen der Übernahme des Wettbewerbers Continental bei seinen Gläubigerbanken mit Milliarden in der Kreide. Die Mitarbeiter sind deshalb bereit, auf Lohnsteigerungen im Gesamtwert von 250 Millionen Euro Lohn pro Jahr zu verzichten, wenn es bis Mitte kommenden Jahres keine Kündigungen gibt und der Lohnverzicht in eine Beteiligung am Unternehmen umgewandelt wird. Rund vier Prozent am Unternehmen könnten die Mitarbeiter dafür bekommen, schätzt ein an den Verhandlungen beteiligter Insider.

Die Gläubigerbanken von Schaeffler hätten, so berichtet der Insider, bereits ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Konzept signalisiert. Wichtige Eckdaten der Beteiligung müssten aber noch ausgehandelt werden. Fest stehe nur, dass die Anteile der Mitarbeiter gebündelt und von einer Stiftung, einer Genossenschaft oder einem Verein verwaltet werden. „Im Herbst werden sich Gewerkschaften, Schaeffler und Banken zusammensetzen“, so der Insider, „um die übrigen Fragen zu klären.“

Volkswagen

Beim zweitgrößten Autobauer der Welt ist nicht eine Schieflage der Grund für die Mitarbeiterbeteiligung, sondern die geglückte Abwehr der Übernahme durch Porsche. Der Sportwagenbauer wird in den kommenden Jahren in den VW-Konzern integriert. Das nehmen die mächtigen Betriebsräte des Autobauers zum Anlass, ihren Einfluss weiter auszubauen: Ein bis fünf Prozent sollen die Mitarbeiter künftig an dem Konzern halten. Dafür haben sie sogar den Segen von VW-Chef Martin Winterkorn: „Unsere Belegschaften sind entscheidend für den Erfolg des integrierten Automobilkonzerns“, sagt Winterkorn. „Daher ist es richtig, dass sie Anteilseigner am neuen Konzern werden.“

Sollte der Anteil tatsächlich fünf Prozent betragen, wäre eine wichtige Schwelle erreicht: „Zusammen mit dem Land Niedersachsen, das gut 20 Prozent an VW halten wird, könnte dann eine Sperrminorität von 25 Prozent zustande kommen, sagt ein Beteiligter. „So hätte das Land zusammen mit den Mitarbeitern auf jeden Fall eine Sperrminorität, auch wenn eines Tages das VW-Gesetz fallen sollte, und hätte beispielsweise bei Werkschließungen ein Veto-Recht.“

Wie bei Opel und Daimler ist auch bei Volkswagen nicht geplant, dass die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einen Sitz auf der Kapitalseite bekommen. Auch soll nicht jeder Mitarbeiter über eigene Aktien verfügen können. Vielmehr sollen die Anteile von einer Stiftung, einem Verein oder einer Genossenschaft gehalten werden. Die Dividenden werden den Mitarbeitern nur indirekt über soziale Projekte zufließen. Woher die Anteile kommen sollen, steht indes in den Sternen. Denkbar wäre, dass der VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piech Aktien an die Belegschaft abtritt.

Durch Lohnverzicht wollen sich Betriebsräte die Anteile jedenfalls nicht erkaufen. „Mit dem Lohn hat die Mitarbeiterbeteiligung nicht das geringste zu tun“, sagt ein Sprecher des Betriebsrates. „Volkswagen ist in einer guten Verfassung. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Autoherstellern, wo ein Lohnverzicht nötig ist, weil sie rote Zahlen schreiben.“

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