Avantgarde Das Netzwerk ist weiblich

Hannah Höch und Sophie Taeuber-Arp praktizierten medienübergreifendes Arbeiten. Damit profilierten sie sich als mutige Pionierinnen. Auf dem Markt sind sie unterrepräsentiert.

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Sophie Taeuber-Arp: Gouache von 1939. Quelle: handelsblatt.com

Hannah Höch hat zwischen 1919 und 1936 an den wichtigen Ausstellungen der Avantgarde teilgenommen. Dennoch stand sie nicht auf der Liste der Nazis, die 1937 die öffentlichen Sammlungen für ihre Ausstellung „Entartete Kunst“ durchforsteten. Warum? Die Antwort enthüllt ein Dilemma, das Hannah Höch mit einer ganzen Generation von Künstlerinnen teilte. Sie waren erfolgreich, auch gegen den Widerstand männlicher Kollegen, und schafften es dennoch nur in einzelne deutsche Museen.

Künstlerinnen wie Höch (1889-1978) oder Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) sind auch in der an Hauptwerken der Moderne so reichen Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nicht vertreten. Und sie sind kein Einzelfall. „Wie war es dazu gekommen, dass die weibliche Moderne aus dem Kanon verschwand“, fragt nun die renommierte Landessammlung in ihrer soeben anlaufenden Ausstellung „Die andere Seite des Mondes“.

Auf acht erstaunlich gut vernetzte Pionierinnen der Avantgarde im Europa der 1920er- und 30er-Jahre lenkt die Kunstsammlung ihren Blick, und auf Oeuvres, die vor allem durch den Mut auszeichnen, von Männern noch nicht besetzte neue Medien und Ausdrucksformen wie die Fotocollage und den Tanz auszuloten, kunsthandwerkliches Know-how zu nutzen und medienübergreifend zu arbeiten.

Das Lebenswerk von Höch und Taeuber-Arp ist für diese offene, experimentierfreudige Haltung beispielhaft. Die eine spielt Ingenieur, greift zur Schere statt zum Pinsel, um aus dem Zerschnittenen neue Bildwelten zu montieren. Die andere arbeitet wie ein Architekt mit Raum und Proportion, indem sie monochrome quadratische und rechteckige Farbfelder aufeinander stoßen lässt.

Die frühen Fotomontagen gibt es nur im Museum zu sehen

Höch legt sich früh fest, nur nicht auf einen Stil. Auf einer ihrer frühen Fotocollagen fordert sie stattdessen: „Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch“. Aus marktstrategischer Sicht wird ihr dies zum Verhängnis und sie weiß das sogar.

In öffentlichen Besitz gelangen einzelne Arbeiten von ihr erst Anfang der sechziger Jahre, als die Galerie Nierendorf aus einer Ausstellung an die Nationalgalerie Berlin verkaufen kann. Heute ist die Düsseldorfer Galerie Remmert & Barth Anlaufstelle für das ganze Spektrum ihrer Arbeiten. Wer jedoch die frühen Fotomontagen sehen möchte, muss ins Museum gehen. Den größeren Teil bewahrt die Berlinische Galerie, ein weiteres Konvolut tourt als Kulturbotschafter des Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen durch die Welt.

„Ökonomisch hat Höch Nachholbedarf“, stellt Peter Barth mit Blick auf die Preise fest, die selten mittlere fünfstellige Größenordnungen übersteigen. Doch das Interesse wird langsam wach, und es kauft sogar ein japanischer Sammler mit Privatmuseum. Das Gros der Käufe wird jedoch in Deutschland abgewickelt. Für einsame Rekordpreise sorgen reiche amerikanische Sammler. So kommen Ausreißerpreise zu Stande wie die 2007 bei Christie's New York erzielten umgerechnet 538.930 Euro für die Gouache „Der mechanische Garten“.

Bei Sophie Taeuber-Arp liegt der Fall anders. Nur der geringste Teil ihrer Arbeiten kursiert auf dem freien Markt. Das meiste ist nach ihrem frühen Tod zeitig in Schweizer Privatbesitz und private Stiftungen gelangt. Hinzu kommt, dass sie ihre Energie nicht allein in ihre bildkünstlerische Produktion investiert. Als Dozentin, Herausgeberin einer Kunstzeitschrift, als Inneneinrichterin, Architektin und Möbeldesignerin hat Taeuber-Arp sich einen Namen gemacht. Auch deshalb macht sie auf dem Kunstmarkt keine Karriere mehr. Dafür aber als Netzwerkerin.

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