B.wertet Leichtsinnig?

Leichtgläubigkeit hat schon so manches Volk auf die Nase fallen lassen - von Troja bis zur EU.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Christine Bortenlänger – B.wertet. Quelle: handelsblatt.com

Ende 2008 veröffentlichte der amerikanische Psychologie-Professor Stephen Greenspan ein Buch mit dem Titel „Annals of gullibility. Why we get duped and how to avoid it“ (Annalen der Leichtgläubigkeit. Warum wir uns einseifen lassen und wie es sich das vermeiden lässt). Ein Buch, dem man weite Verbreitung wünscht, beschreibt es doch unsere Leichtgläubigkeit in vielen Lebensbereichen, von der Kriegsführung über die Politik bis hin zu den menschlichen Beziehungen. Schon die Bibel steckt voller Täuschungen – genau wie die klassischen Sagen vom trojanischen Pferd bis Odysseus, der den Zyklopen narrte.

Tatsächlich neigen wir dazu, uns hereinlegen zu lassen und sollten deshalb sehr aufgeschlossen gegenüber allen Tipps sein, die uns davor bewahren wollen. Um dann in die nächste Falle zu tappen. Dieses Hereinfallen trifft nicht nur Privatleute sondern auch offizielle Institutionen. So hat sich die Europäische Union vom Euro-Kandidaten Griechenland hereinlegen lassen – und die Hellenen in die Währungsunion aufgenommen, obwohl sie die geforderten Kriterien nicht erfüllten. Es überkommt einen heute das Gefühl, man wollte damals glauben, was man eigentlich gar nicht glauben konnte, nämlich, dass die Griechen ihre Schulden in den Griff bekommen hatten. Akzeptieren wir also die Tatsache, dass wir hereingelegt wurden und seien wir nicht nachtragend, denn das kann jedem passieren. Wollten die Trojaner im Angesicht des Pferdes nicht auch glauben, dass der Krieg zu Ende ist? War nicht Hoffnung auf Frieden ihre Hauptgrund, sich „hereinlegen“ zu lassen?

Doch bei der Aufnahme Griechenlands in die EU und in die Währungsunion war es einhellige Meinung, dass die „Mutter Europas“ wesentlicher Bestandteil der Union sei. Und dazu sollten wir auch heute stehen – denn dieser Glaube und diese Hoffnung auf ein Gelingen ist nicht nur aller Ehren wert, es ist die Vorbedingung dafür, dass das Experiment der Währungsunion und damit auch Europas gelingt. Vertrauen setzt auch ein gewisses Maß an Leichtgläubigkeit voraus – während gegenseitiges Misstrauen in der Regel keine gute Geschäftsbasis darstellt.

Was ich aber nicht verschweigen will... Stephen Greenspan schrieb seine „Annalen der Leichtgläubigkeit“ und machte sich viele Gedanken, wie man es am besten vermeiden könne, übers Ohr gehauen zu werden. Gleichzeitig vertraute er einen Großteil seines Vermögens einem gewissen Bernard Madoff an. Der entpuppte sich jedoch als einer der Großmeister des Schneeballsystems. Heute forscht Stephen Greenspan nach eigenen Angaben – und irgendwie konsequent – zum Thema Foolishness – also Leichtsinn.

 

Ihre CB  

Christine Bortenlänger, geboren 1966 in München, ist Geschäftsführerin der Börse München.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%