Banken Wie lukrativ die Postbank-Kunden wirklich sind

Die Postbank hat womöglich weniger lukrative Kunden als vom Großaktionär Deutsche Bank erhofft. Zudem drohen teure Forderungen.

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Postbank: weniger lukrative Quelle: dpa

Um 23 Uhr bei eisiger Kälte im Industriegebiet einer süddeutschen Kleinstadt. Ein Mitarbeiter der Postbank steht mit einer roten Weihnachtsmütze auf dem Kopf vor einer Diskothek und wartet auf Kundschaft. Endlich kommen wieder zwei junge Damen. Um für gute Stimmung zu sorgen, singt er mit ihnen ein Weihnachtslied. Der lustige Anreißer will die Mädels ermuntern, bei seinen Kollegen im Vorraum der Disko vorbeizuschauen: „Da gibt es einen Sekt und Getränkegutscheine im Wert von 15 Euro.“

Sekt und Gutschein gibt es allerdings erst, wenn ein Antrag auf ein Girokonto unterschrieben wird. Von denjenigen, die sich zu einer Unterschrift hinreißen ließen, „werden das Konto wohl die wenigsten nutzen“, sagt Postbank-Finanzberater Peter B.*: „Die machten nicht den Eindruck, als hätten sie schon immer ein Postbank-Konto haben wollen.“ Einen Bonus bekommt B. am Jahresende vermutlich trotzdem.

Über diese und andere Vertriebsaktionen treibt die Postbank ihre Kundenzahl nach oben. Zumindest in einigen Fällen werden bei dem blau-gelben Institut sogar mit simplen Schummel-Tricks alte Kunden als Neuzugänge angelegt. So etwas mag es auch anderswo geben. Die Postbank ist jedoch vor allem wegen ihrer hohen Kundenzahl für ihren Großaktionär Deutsche Bank so wichtig, dass dieser sie langfristig wohl ganz übernehmen will. Daher muss sich Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann die Frage stellen, ob die Kunden der Postbank so wertvoll sind, wie es nach außen scheint.

Das ist nicht das einzige Risiko für Ackermann. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche ist es wahrscheinlich, dass die Postbank im mobilen Vertrieb scheinselbstständige Mitarbeiter beschäftigt. Im Extremfall drohen ihr Nachzahlungen an die Sozialkassen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Postbank hat 14,1 Millionen Kunden. Zählt man die inaktiven Kunden mit, die etwa ihr altes Postsparbuch nicht mehr nutzen, sind es sogar rund 18 Millionen. Die Bonner sind damit Deutschlands größte Privatkundenbank. Dass viele Kunden für das Institut wenig bringen, weil sie keine neuen Finanzprodukte kaufen, ist kein Geheimnis. Nur 4,9 Millionen zählen zur Stammkundschaft, mit der Postbank-Chef Wolfgang Klein drei Viertel des Geschäfts bestreitet. Ihre Zahl stieg 2008 um 300.000.

Die Postbank gibt an, im vergangenen Jahr 780.000 Kunden hinzugewonnen zu haben. Die Gesamtzahl der Kunden ist jedoch um 400.000 gesunken. 1,2 Millionen Kunden müssten demnach verloren gegangen sein. Die Postbank erklärt das damit, dass sie auch Kunden, die kein Geld überweisen oder nur Minibeträge auf dem Sparbuch haben, zu inaktiven Kunden umklassifiziert hat. Die Gesamtzahl der Kunden spiele zudem keine „dominante Rolle“ , die Bank konzentriere sich auf Stammkunden.

Postbank-Kunden bleiben inaktiv

Informationen von Insidern und Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, nähren den Verdacht, dass manche Kunden von Anfang an gar nicht aktiv sind, weil sie – wie die Diskobesucher – nie ernsthaft mit der Bank Geschäfte machen wollten.

Beispiel Postbank Finanzberatung AG. Im Oktober 2005 kauft die Postbank für 1,8 Milliarden Euro die Bausparkasse BHW. Deren 4200 Außenvertriebsmitarbeiter und ihre eigenen mobilen Vertriebler lagert sie in die Postbank Finanzberatung AG aus.

Die Neuzugänge des BHW sollen helfen, den Kundenbestand der Postbank besser zu nutzen. Sie sollen Kunden, die bereits ein blaues Sparbuch oder Girokonto nutzen, auch Versicherungen, Bausparverträge oder Fonds verkaufen. Doch in den Verkaufszahlen spiegelt sich das nicht wider. Die Umsatzerlöse pro Berater lagen laut Jahresabschluss 2007 bei durchschnittlich 73.000 Euro. Bei der Comdirect Private Finance, der Beratungstochter der Comdirect Bank, waren es 114.000 Euro pro Berater.

Nur die Hälfte der Postbank-Finanzmanager ist laut Postbank aufgrund ihrer Ausbildung überhaupt in der Lage, zu mindestens drei von fünf Produktkategorien zu beraten. Die Tendenz sei steigend, heißt es bei der Bank. Sie stelle hohe Anforderungen an die Kenntnisse ihrer Berater und lasse sich diese nachweisen. Wie viele Finanzmanager zu allen Produkten beraten können, kommentiert die Bank nicht.

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