Madeleine Schickedanz rauscht mit ihrem Ehemann und einem Tross von Sicherheitsleuten ins Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe. In ihrem Armani-Hosenanzug sieht sie „wunderschön aus“, vermeldet die Gesellschaftspresse im Mai 2006, es werden Thunfisch-Pralinés und Jacobsmuscheln gereicht. Gilt es doch, das 125-jährige Jubiläum von Karstadt zu feiern.
Unvorstellbar ist in jenen Tagen, dass der einst so stolze Handelskonzern nur drei Jahre später in die Pleite trudeln und sich Schickedanz mit ihrem Vermögensverwalter Esch und dem Bankhaus Sal. Oppenheim überwerfen wird. Auch an dieser Front bahnt sich eine Gerichtsschlacht an, die das Publikum wohl über Jahre mit pikanten Details aus dem Leben der Milliardärin a. D. unterhalten dürfte.
Am 18. Dezember um 11 Uhr verhandelt das Kölner Landgericht erstmals die Klage von Schickedanz gegen insgesamt 14 frühere Geschäftspartner aus dem Oppenheim-Esch-Umfeld. Das Verfahren unterscheidet sich grundsätzlich von den Klagen der Fonds-Anleger – nicht nur weil das Volumen den Rahmen sprengt. Schickedanz hatte sich lediglich am Kölner Messefonds von Oppenheim-Esch beteiligt. Verheerend wirkten sich aber ihre Spekulationen mit KarstadtQuelle-Aktien aus, für die sie neben dem Bankhaus auch Esch verantwortlich macht. Die Beklagten widersprechen: Die Dame habe schlicht ein allzu großes Rad gedreht und sich verzockt.
Die traute Liaison früherer Jahre ist mit der Klage endgültig dahin. Nach der Fusion des Quelle-Versands mit Karstadt 1999 war Schickedanz zur größten Aktionärin des Handelskonzerns aufgestiegen und hatte sich nach und nach mit zusätzlichen Aktien eingedeckt. Das Geld dafür streckte von 2001 an vor allem Sal. Oppenheim vor.
Die adeligen Privatbankiers tauften den ersten Aktiendeal – wohl in Anspielung auf die Nibelungensage – intern „Projekt Kriemhild“. Schließlich galt es einen Schatz zu heben: Schickedanz sollte als Großkundin gewonnen werden.
Tatsächlich mündete die erste Kreditvergabe bald in ein umfangreiches Mandat. Oppenheim-Immobilienpartner Esch wurde zu Schickedanz’ Berater in allen Lebenslagen von Vermögensfragen bis zu „Startzeiten für die Golfrunde“, wie Esch seine Rolle im „Spiegel“ beschrieb.
Schickedanz stockte ihre Anteile an KarstadtQuelle weiter auf. Die Bankiers stellten dafür das Kapital zur Verfügung – erst direkt, später, als Probleme mit der Bankaufsicht drohten, verdeckt über ein Finanzvehikel namens ADG. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat deshalb ermittelt. Die Nachforschungen sind nun abgeschlossen. Die Staatsanwälte haben ausreichend Hinweise auf strafbare Handlungen gesammelt und die Verteidiger zu einer abschließenden Stellungnahme aufgefordert. Die Anklage dürfte Anfang 2013 erfolgen.
Über Hintergründe und Zweck des Engagements bei KarstadtQuelle gehen die Schilderungen der Beteiligten derweil weit auseinander. Sie sind nun Gegenstand des Gerichtsstreits.
In der Schickedanz-Version folgen ihre Investments einer Art fremdgesteuertem Masterplan. Oppenheim und Esch hätten demnach das Immobilienvermögen von Karstadt zu Geld machen wollen. Um im Verborgenen zu bleiben und lästige Übernahmevorschriften zu umgehen, hätten sie die tüdelige Quelle-Erbin quasi als Strohfrau missbraucht, um sich gemeinsam mit anderen Oppenheim-Familienmitgliedern selbst am Handelskonzern zu beteiligen. Der juristische Charme: Wenn Schickedanz für die Aktienkäufe nur vorgeschoben wurde, muss sie für die Schulden nicht geradestehen – und die unlauteren Aktiendeals wären praktischerweise verjährt.
Madeleine als Marionette? Zumindest Zweifel an der Rührstory sind angebracht. Unterlagen, die die WirtschaftsWoche einsehen konnte, deuten darauf hin, dass Schickedanz schon früh auf die Risiken bei ihren Aktienkäufen hingewiesen wurde – von ihrem eigenen Sohn.