Banken schließen Zweigstellen Nach dem Filialsterben kommt die Handy-Bank

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Jede dritte Zweigstelle?

Selbst Apologeten des Wandels sind von dessen derzeitiger Form nicht immer restlos begeistert. Die Berater von Bain & Company zählen zu den härtesten Kritikern des deutschen Filialnetzes. Seit Jahren predigen sie, dass es viel zu dicht sei, in einer viel zitierten Studie empfahlen sie kürzlich, jede dritte Zweigstelle zu schließen. „Es reicht nicht, einfach nur Standorte zuzumachen“, sagt Bain-Bankenexperte Dirk Vater. Der Schwenk in die neue, technikgetriebene Bankenwelt vollzieht sich nicht von selbst, „die Digitalisierung findet in der Filiale statt“, sagt Vater. Als Erstes müssten die Mitarbeiter dort selbst die Vorteile neuer Technologien erkennen. Nur so könnten sie dann auch die Kunden überzeugen. Allein dafür blieben Filialen unverzichtbar, so Vater. „Außerdem brauchen Banken sie, um ihre Marke im Alltag sichtbar zu machen sowie als Ort für ausführliche Beratungen und alltägliche Hilfestellungen.“

Um eine Strategie, die all diese Elemente sinnvoll kombiniert, bemüht sich die Sparkasse Duisburg. Seit sie angekündigt hat, bis 2022 von aktuell 42 Zweigstellen 21 zu schließen, gilt sie als Muster für den großen Kahlschlag und Joachim Bonn als der, der dabei die Axt schwingt. Im Gespräch darüber wirkt der Vorstandschef ruhig, sachlich, er will sich erklären, nicht verteidigen. „Wir stellen heute die richtigen Weichen, damit wir künftig auf dem richtigen Weg sind“, sagt er. Die Niedrigzinsen, na klar, die machen das Geschäft schwer, elf Millionen Euro soll die Sparkasse jährlich sparen, wenn 2022 alle geplanten Standorte geschlossen und 90 von 1250 Angestellten weg sind.

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Aber eigentlich geht es ihm doch um etwas anderes, um Kunden, die nicht mehr in die Filiale kommen, „eine Abstimmung mit den Füßen“, wie Bonn sagt. Ihm ist wichtig, dass der Einschnitt keine Panikreaktion ist, sondern das Ergebnis eines 15-Monate-Projekts, alles exakt durchgerechnet. 2017 und 2022 laufen die Mietverträge aller Filialen aus, deshalb haben sie bei der Sparkasse nachgeschaut, wie es so läuft, und erkannt, dass sich der Aufwand vielerorts nicht lohnt.

Trotzdem glaubt Bonn, auch künftig noch nahe genug dran zu sein an seinen Kunden. Die müssen dann halt mal drei, vier Kilometer laufen, aber das hält er für zumutbar. Wenn sie persönlich kommen, sollen sie es besser haben als zuvor. Die Angestellten sollen dann auch mal per iPad gemeinsam mit dem Kunden den Finanzstatus checken. „Die Ausstattung mit modernen technischen Hilfsmitteln wirkt für die Mitarbeiter motivierend“, sagt Bonn. An den alten Standorten ist das nicht zu machen, deshalb baut die Sparkasse acht neue Filialen. 30 Millionen Euro will sie in den nächsten sieben Jahren investieren.

Und, selbstverständlich, rüstet sie digital auf, schon heute gibt es pro Monat eine Million Zugriffe auf die Homepage, bald sollen die Kunden auf Wunsch per Chat und Video beraten werden. Acht Angestellte heißen künftig „Multikanalberater“, sie sollen ebenbürtige Ansprechpartner sein für jene Kunden, die sich zwar häufig einloggen, aber nie in die Filiale kommen. Bonns digitale Jäger sollen sie dort aufspüren und nach Hause holen, in die heimelige, aber moderne Sparkasse.

Jorma Jokela will das verhindern. Gern parodiert der 36-jährige Gründer des Internetunternehmens Ferratum die ehrfürchtige Geste, mit der die Bewohner seines finnischen Heimatorts Kuopio jedes Mal den Hut lüfteten, wenn sie bei ihrem Bankberater vorsprachen. Das Geldidyll hat den Finnen traumatisiert, sein Lebenswerk sieht er in der kreativen Zerstörung der Bank. „Wir wollen die Welt verändern“, beschreibt er die Mission, die er mit seinen Vorstandskollegen Lea Liigus und Clemens Krause vorantreibt. Sie sind schon ein Stück vorangekommen: Für den Kontakt zwischen Bank und Kunde reicht ein Smartphone, ein Konto ist damit in zwei Minuten eröffnet, ein Kredit innerhalb eines Tages bewilligt, weltweit sollen Kunden kostenlos Bargeld abheben können. In Deutschland gibt es bisher nur Kleinkredite für Konsumenten. Ende des Jahres sollen Girokonten hinzukommen.

Hinter dem Angebot steht stets die neueste Technik, die Bonität von Kreditnehmern prüft ein selbstlernendes Computerprogramm anhand von Spuren der Nutzer im Internet, ein Konto eröffnen Kunden per Videochat, wobei sie ihren Pass in die Kamera von Rechner oder Smartphone halten. Damit geht Ferratum weit über das hinaus, was herkömmliche Geldinstitute oder Direktbanken bieten. Die Handybank bewegt sich in einer Nische. Noch.

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