Rund sechs Jahre nach dem großen Knall findet das juristische Nachspiel der Finanzmarktkrise bei Prozessen in Hamburg, München oder Düsseldorf statt. In der Hansestadt steht das ehemalige Vorstandsteam der HSH Nordbank unter dem Ex-Chef Dirk Jens Nonnenmacher vor dem Strafrichter, wobei die Staatsanwaltschaft heute die von den mutmaßlichen Tätern verursachte Schadenshöhe von 158 auf rund 52 Millionen Euro deutlich reduzieren musste.
Etwas besser läuft es bei dem Schadenersatzprozess in München, wo der als Bankenschreck bekannte Richter Guido Kotschy der von zahlreichen Investoren verklagten Hypo Real Estate gestern einen teuren Vergleich nahe gelegt hat.
Der Bank derart die Pistole auf die Brust zu setzen wurde allerdings erst möglich, nachdem das Gericht interne Protokolle von Vorstandssitzungen ausgegraben hatte. Diese sollen nahe legen, dass die Bank ihre Eigentümer über ihre Finanzlage getäuscht hat.
In Düsseldorf schließlich brütet das Landgericht gerade über einem 1.800 Seiten starken Sonderprüfungsbericht, der die Schuldfrage beim Niedergang der Mittelstandsbank IKB klären soll. Jahrelang hat der auf Initiative der Aktionäre und gegen den Willen des Managements beauftragte Sonderprüfer an dem Traktat geschrieben.
Ob die Arbeit Licht ins Dunkel bringt, wird sich erst noch zeigen. Denn die Bank hat von ihrem gesetzlich verbrieften Recht Gebrauch gemacht, Stellen zu zensieren, von denen sie negative Auswirkungen auf ihre Mitarbeiter erwartet. Erst wenn die Richter entschieden haben, ob diese Schwärzungen legal sind, wird der Bericht Aktionären und der Öffentlichkeit über das Handelsregister zugänglich gemacht.
Die gravierenden Folgen der Krise für Anleger, Arbeitnehmer und Steuerzahler haben das Ansehen von Bankern in der Öffentlichkeit ruiniert. Hohe Strafen für die Übeltäter aus der Finanzkrise scheinen aus Sicht vieler Bürger daher eine logische Konsequenz. Warum aber kommt die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise nur so zäh voran?
Teuer aber nicht unbedingt strafbar
Im Rechtsstaat gelten alle Angeklagten solange als unschuldig, bevor sie rechtskräftig verurteilt sind. Beim Kampf gegen Finanzkriminalität in den Vorstandsetagen werfen Staatsanwälte oder Zivilkläger den angeklagten Bankern meist Untreue oder Bilanzfälschung vor. Ausgerechnet diese Vorwürfe sind sehr schwer nachzuweisen.
Was Bilanzfälschung betrifft, retten sich die Angeklagten gern mit der Ausrede, die Details der Buchführung und Rechnungslegung nicht durchschaut zu haben. Schließlich mussten sie als Führungskräfte auf die Korrektheit ihrer Untergebenen und das Urteil der Wirtschaftsprüfer vertrauen und konnten nicht jeden Geschäftsvorfall einzeln durchleuchten. Es hängt also vom detektivischen Geschick der Ermittler und Ankläger ab, ob nachgewiesen werden kann, wer auf der Chefetage wann welches Detail kannte oder hätte kennen müssen.
Untreue schließlich kann nur bestraft werden, wenn sich der angerichtete Schaden beziffern lässt. Zudem erfordert dieser Vorwurf den Beweis, dass der Beschuldigte seine fremdes Geld vernichtende Entscheidung gefällt hat, obwohl der die schädlichen Auswirkungen kannte.
Dummheit auf der Chefetage ist also teuer, aber nicht unbedingt strafbar. Das soll gewissenhafte Vorstände vor Knast oder Geldstrafen schützen, die vertretbare Risiken eingegangen sind, sich aber verkalkuliert haben.
Ein Urteil, das den Geschädigten zu ihrem Geld zurückverhelfen könnte, ist also in München am wahrscheinlichsten zu erwarten. Eine Strafe für die Schuldigen stellt der mögliche Schadenersatz jedoch nicht dar, denn die Hypo Real Estate ist im Zuge der Krise verstaatlicht worden.
Die Kosten des Verfahrens trägt also in jedem Fall - der Steuerzahler.