Banker vor Gericht Dummheit ist teuer, aber nicht strafbar

Deutsche Gerichte kümmern sich um die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise. Fest steht schon jetzt: Die Kosten der Verfahren trägt der Steuerzahler.

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Die große Galerie der Bankster
Chef der HSH Nordbank 2008 bis 2011:Dirk Jens Nonnenmacher Der Finanzvorstand übernahm im November 2008, als die HSH wegen Wertpapierverlusten schon in Schieflage war. Bonuszahlungen und Intrigen machten alles noch schlimmer.Heute: 50, versucht Neustart als Berater.Prozess wegen Untreue läuft seit Juli 2013 am Landgericht Hamburg Quelle: dpa
Chef der Hypo Real Estate 2003 bis 2008:Georg Funke Die Bank wurde komplett notverstaatlicht, Verlust bisher rund 19 Milliarden Euro.Heute: 58, zeitweilig Makler auf Mallorca (siehe Seite 14), klagt auf Zahlung von Gehalt.Staatsanwaltschaft München ermittelt Quelle: AP
Chef der BayernLB 2001 bis 2008:Werner Schmidt Die Bank kaufte Schrottpapiere und die österreichische Skandalbank HGAA. Das Land stützte sie mit zehn Milliarden Euro.Heute: 70, im Ruhestand.Demnächst vor Gericht wegen Bestechung beim HGAA-Kauf, BayernLB klagt auf Schadensersatz Quelle: dpa
Chef der IKB Bank 2004 bis 2007:Stefan Ortseifen Die Mittelstandsbank kaufte Milliarden an Hypothekenpapieren und stand schon im Juli 2007 vor dem Kollaps. Kosten für KfW und Bund von knapp zehn Milliarden Euro.Heute: 63, im Ruhestand.Wegen Kursmanipulation rechtskräftig verurteilt (zehn Monate auf Bewährung), mit Klage gegen fristlose Kündigung in erster Instanz gescheitert Quelle: dpa
Chef der Sachsen LB 2005 bis 2007:Herbert Süß Wegen Milliardeninvestitionen in Schrottpapiere im August 2007 an die LBBW notverkauft, Sachsen bürgt für Verluste von knapp drei Milliarden Euro.Heute: 73, im Ruhestand.Anklage wegen Untreue im März 2013 Quelle: AP
Chef von Lehman Brothers 1994 bis 2008:Richard Fuld Machte die viertgrößte US-Investmentbank zu einem der größten Spieler im Geschäft mit Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS), bis der amerikanische Immobilienmarkt 2007 zusammenbrach. Die Bank musste Milliarden auf ihre Kreditportfolios abschreiben. Zum Schluss summierten sich die Schulden von Lehman auf rund 600 Milliarden Dollar. Am 15. September 2008 musste die Bank mit weltweit mehr als 28 000 Mitarbeitern Insolvenz beantragen.Heute: 67, Privatier. Fulds Versuche, wieder in der Finanzbranche Fuß zu fassen, schlugen fehl. Noch ein Jahr vor der Pleite verdiente Fuld rund 20 Millionen Dollar. Keine Ermittlungen Quelle: Reuters
Chef Royal Bank of Scotland 2001 bis 2008:Fred Goodwin Trieb die RBS durch die überteuerte Übernahme der niederländischen Bank ABN Amro in den Ruin. Folge: 53,6 Milliarden Euro Staatshilfen, 89 000 Jobs weg.Heute: 55, Privatier. Erhält jährliche RBS-Pension von rund 400 000 Euro, kassierte Abfindung von rund 3,1 Millionen Euro. Keine Ermittlungen. 2012 Aberkennung des 2004 verliehenen Adelstitels Quelle: REUTERS

Rund sechs Jahre nach dem großen Knall findet das juristische Nachspiel der Finanzmarktkrise bei Prozessen in Hamburg, München oder Düsseldorf statt. In der Hansestadt steht das ehemalige Vorstandsteam der HSH Nordbank unter dem Ex-Chef Dirk Jens Nonnenmacher vor dem Strafrichter, wobei die Staatsanwaltschaft heute die von den mutmaßlichen Tätern verursachte Schadenshöhe von 158 auf rund 52 Millionen Euro deutlich reduzieren musste.

Etwas besser läuft es bei dem Schadenersatzprozess in München, wo der als Bankenschreck bekannte Richter Guido Kotschy der von zahlreichen Investoren verklagten Hypo Real Estate gestern einen teuren Vergleich nahe gelegt hat.

Der Bank derart die Pistole auf die Brust zu setzen wurde allerdings erst möglich, nachdem das Gericht interne Protokolle von Vorstandssitzungen ausgegraben hatte. Diese sollen nahe legen, dass die Bank ihre Eigentümer über ihre Finanzlage getäuscht hat.

In Düsseldorf schließlich brütet das Landgericht gerade über einem 1.800 Seiten starken Sonderprüfungsbericht, der die Schuldfrage beim Niedergang der Mittelstandsbank IKB klären soll. Jahrelang hat der auf Initiative der Aktionäre und gegen den Willen des Managements beauftragte Sonderprüfer an dem Traktat geschrieben.

Ob die Arbeit Licht ins Dunkel bringt, wird sich erst noch zeigen. Denn die Bank hat von ihrem gesetzlich verbrieften Recht Gebrauch gemacht, Stellen zu zensieren, von denen sie negative Auswirkungen auf ihre Mitarbeiter erwartet. Erst wenn die Richter entschieden haben, ob diese Schwärzungen legal sind, wird der Bericht Aktionären und der Öffentlichkeit über das Handelsregister zugänglich gemacht.

Die gravierenden Folgen der Krise für Anleger, Arbeitnehmer und Steuerzahler haben das Ansehen von Bankern in der Öffentlichkeit ruiniert. Hohe Strafen für die Übeltäter aus der Finanzkrise scheinen aus Sicht vieler Bürger daher eine logische Konsequenz. Warum aber kommt die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise nur so zäh voran?

Teuer aber nicht unbedingt strafbar

Bad Banks in Deutschland und Europa
Laut einem Bericht der französischen Zeitung "Les Echos" sitzen die europäischen Bad Banks auf Schrottpapieren im Wert von mehr als 1.000 Milliarden Euro. Alleine die Bad Bank der belgisch-französischen Bank Dexia besäße faule Kredite und andere Giftpapiere im Wert von 266 Milliarden Euro – Rekord in Europa. Auch die französische Natixis halte immer noch faule Papiere im Wert von 13,5 Milliarden Euro. Doch nicht nur die französischen Bad Banks sitzen immer noch auf Müllbergen.... Quelle: AP
CommerzbankInterne Bad Bank: Portfolio Restructing UnitZum 30. September 2009 sammelte die Commerzbank 44 Milliarden Euro an Schrottpapieren in einer firmeninternen Bad Bank. 2012 schrumpfte das Portfolio der internen "Bad Bank" um 17 Prozent auf 151 Milliarden Euro. Dabei fokussierte sich die Commerzbank vor allem auf die gewerbliche Immobilien- und Staatsfinanzierung. Bis 2016 soll das Portfolio dieser Abbaueinheit NCA auf gut 90 Milliarden Euro abschmelzen - vorzugsweise wertschonend über Fälligkeiten, in Einzelfällen werden nach früheren Angaben durch den Verkauf von Papieren aber auch Verluste in Kauf genommen. In der Bad Bank lagert der Immobilien- und Staatsfinanzierer Eurohypo, inzwischen umbenannt in Hypothekenbank Frankfurt, sowie die Schiffsbank. Aus all diesen Geschäftsbereichen zieht sich die Commerzbank komplett zurück. Auch einige Uraltlasten aus der Investmentbank von der Finanzkrise 2008 sind dabei. Quelle: dpa
Hypo Real Estate - FMS WertmanagementDie Bad Bank der verstaatlichten Münchener Immobilien Bank besaß bei ihrer Gründung zum 1. Oktober 2010 Schrottpapiere im Wert von 175,6 Milliarden Euro. Zum 30. Juni 2011 hat sie den Bestand auf 160,5 Milliarden Euro reduziert. 2012 konnte die Abwicklungsbank FMS einen Überschuss von 37 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Trend hatte sich bereits im ersten Halbjahr abgezeichnet. So hatte das Institut unterstützt von anziehenden Finanzmärkten von Januar bis Juni seinen Verlust auf 50 (Vorjahreszeitraum: 689) Millionen Euro reduziert. Auch in der zweiten Jahreshälfte hatte sich die Erholung an den Finanzmärkten weitgehend fortgesetzt. Dadurch hätten sich die Altlasten um 38 Milliarden Euro reduziert, sagte ein Insider. Quelle: dapd
HSH NordbankEine interne Bad Bank kümmerte sich um die Altlasten der Landesbank von Hamburg und Schleswig Holstein. Am 31. Dezember 2010 startete der Finanzfriedhof mit 69 Milliarden Euro. 2012 haben die Schifffahrtskrise und hohe Gebühren für Staatsgarantien der HSH Nordbank Verluste eingebrockt. Wegen der Lasten durch drohende Kreditausfälle in der internen Bad Bank und steigender Garantiekosten geht die Landesbank 2013 von einem weiteren Fehlbetrag aus. Erst 2014 ist ein Lichtstreif am Horizont in Sicht. Dann will das seit Jahren kriselnde Institut dank weiterer Fortschritte im Kerngeschäft „ein deutlich positives Konzernergebnis“ erwirtschaften. Im abgelaufenen Jahr musste die HSH, die nach wie vor in der Schiffsfinanzierung führend ist, erneut viel Geld für drohende Kreditausfälle zurücklegen. Hinzu kamen 473 Millionen Euro an künftigen Gebühren für Garantien, die bereits jetzt in der Bilanz verbucht wurden. Der Vorsteuerverlust verringerte sich dennoch leicht auf 185 (Vorjahresminus: 206) Millionen Euro, weil es im Kerngeschäft bereits besser lief. Quelle: dpa
WestLBDie vom übrigen Institut abgespaltene Bad Bank "Portigon", vormals "Erste Abwicklungsanstalt EAA" bündelte zum 1. Januar 2010 Schrottpapiere im Wert von 77,5 Milliarden Euro. Nach zwei herben Verlustjahren konnte die Bad Bank 2012 einen Minigewinn erzielen. Dank der Erholung der US-Immobilienmarktes weist die Portigon einen Jahresüberschuss von 6,6 Millionen Euro aus. 2011 hatte der Schuldenschnitt für Griechenland zu einem Verlust der Bad Bank von 878 Millionen Euro geführt. Der Vorstand betonte, dass die Abwicklung der WestLB-Papiere schneller als geplant vorankomme. Seit ihrer Gründung vor gut drei Jahren habe die Bad Bank in mehreren Schritten Bestände in der Größenordnung von rund 200 Milliarden Euro übernommen. Abgewickelt wurden bereits Kredit- und Wertpapiere im Gesamtvolumen von 68 Milliarden Euro. Quelle: dpa
BayernLBDie Bayern tauften ihre interne Bad Bank Projekt Herkules. Ein passender Name. Mit 67,2 Milliarden Euro Finanzschrott startete das Projekt am 1. Juli 2009. Zum Jahresende 2011 waren es nur noch 27 Milliarden Euro. Der Freistaat haftet mit einer Garantie von 4,8 Milliarden Euro für Verluste durch strukturierte Altkredite aus der Finanzkrise. Bislang reichte der Eigenanteil der Bank in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, die Lasten der Vergangenheit aufzufangen. Davon ist jedoch bereits die Hälfte aufgebraucht. Die Landesbanker verwalten ihre 27 Milliarden Euro schwere Bad Bank intern in der eigenen Bilanz. Gut 40 Prozent davon entfallen auf sogenannte ABS-Papiere. Das sind gebündelte und verbriefte Kleinkredite, von denen keiner weiß, ob und in welchem Umfang die Schuldner sie zurückzahlen können. Quelle: dpa
Bank of Ireland - NAMADie irische Regierung gründete im September 2009 die erste Bad Bank in Europa - die National Asset Management Agency (NAMA) Sie übernahm faule Kredite im Wert von 47 Milliarden Euro. Irland erhielt eine Finanzspritze des IWF über 67,5 Milliarden Euro und Gelder aus dem EU-Rettungsschirm, um den Bankensektor zu stabilisieren. Übrig blieben nur zwei von fünf Banken - die Bank of Ireland und die Allied Irish Banks. Bis zum 31. März 2012 wurden Immobilienverkäufe im Wert von insgesamt acht Milliarden Euro genehmigt – 90 Prozent davon betrafen Objekte im Ausland. Eingenommen hatte die NAMA (Stand September 2011) bis dato allerdings nur 2,7 Milliarden Euro. Quelle: dapd

Im Rechtsstaat gelten alle Angeklagten solange als unschuldig, bevor sie rechtskräftig verurteilt sind. Beim Kampf gegen Finanzkriminalität in den Vorstandsetagen werfen Staatsanwälte oder Zivilkläger den angeklagten Bankern meist Untreue oder Bilanzfälschung vor. Ausgerechnet diese Vorwürfe sind sehr schwer nachzuweisen.

Was Bilanzfälschung betrifft, retten sich die Angeklagten gern mit der Ausrede, die Details der Buchführung und Rechnungslegung nicht durchschaut zu haben. Schließlich mussten sie als Führungskräfte auf die Korrektheit ihrer Untergebenen und das Urteil der Wirtschaftsprüfer vertrauen und konnten nicht jeden Geschäftsvorfall einzeln durchleuchten. Es hängt also vom detektivischen Geschick der Ermittler und Ankläger ab, ob nachgewiesen werden kann, wer auf der Chefetage wann welches Detail kannte oder hätte kennen müssen.

Untreue schließlich kann nur bestraft werden, wenn sich der angerichtete Schaden beziffern lässt. Zudem erfordert dieser Vorwurf den Beweis, dass der Beschuldigte seine fremdes Geld vernichtende Entscheidung gefällt hat, obwohl der die schädlichen Auswirkungen kannte.

Dummheit auf der Chefetage ist also teuer, aber nicht unbedingt strafbar. Das soll gewissenhafte Vorstände vor Knast oder Geldstrafen schützen, die vertretbare Risiken eingegangen sind, sich aber verkalkuliert haben.

Ein Urteil, das den Geschädigten zu ihrem Geld zurückverhelfen könnte, ist also in München am wahrscheinlichsten zu erwarten. Eine Strafe für die Schuldigen stellt der mögliche Schadenersatz jedoch nicht dar, denn die Hypo Real Estate ist im Zuge der Krise verstaatlicht worden.

Die Kosten des Verfahrens trägt also in jedem Fall - der Steuerzahler.

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