Bankier David de Rothschild "Das ist der Todeskuss"

Seite 4/4

Adresse für die Reichen

David de Rothschild in seinem Büro Quelle: Arne Weychardt für Wirtschaftswoche

Gibt es in Ihrer Familie intensive Debatten, wie die Krise zu beurteilen und zu handhaben ist?

Sicher habe ich von der Erfahrung meines Vaters profitiert, und diesem half die Erfahrung seines Vaters. Zudem bin ich selbst 44 Jahre im Geschäft und verfüge über ein gewisses Urteilsvermögen. Entscheidend ist aber unser Geschäftsmodell. Bei Privatisierungen, bei der Beratung von Regierungen oder bei der Beratung von Finanzinstitutionen im Zusammenspiel mit dem Staat verfügen wir über mehr Erfahrung als die meisten Banken. In der Finanzkrise 2008/09 etwa haben wir 13 Regierungen beraten. Das passt zu den Wurzeln und zur Kultur von Rothschild...

...wirft aber die Frage auf, wie Sie Regierungen vor der Krise beraten haben, speziell in Südeuropa. Ihr Konkurrent Goldman Sachs zum Beispiel half vor Jahren offenbar dabei, die Höhe der griechischen Staatsverschuldung zu verschleiern.

Wir sprechen nie über unsere Mandate. Aber ganz allgemein gilt: Wir helfen Regierungen dabei, Probleme dauerhaft zu lösen, nicht, sie vor sich herzuschieben.

Rothschild ist eine Adresse für die Reichen. Raten Sie diesen aktuell, ihr Geld aus Europa herauszuschaffen?

Ich befürworte es nie, wegzulaufen. Ich selbst bin zu alt dafür, außerdem mag ich Europa. Und es wäre ein schlechter Rat, zu sagen: Die Welt ist furchtbar, also verschwinde. Ja, wir müssen uns Sorgen machen, es ist ein heikler Moment – aber nicht so heikel, dass man defätistisch sein und jemandem zu radikalen Schritten raten sollte.

Vor ein paar Monaten forderten reiche Franzosen, der Staat solle sie höher besteuern. Schließen Sie sich dem an?

Nein. Zu sagen, besteuert mich bitte stärker, zeigt nur, dass man sich schuldig fühlt. Würden wir Reichen nur 20 oder 30 Prozent Steuern zahlen, würde ich sagen: Das ist inakzeptabel wenig. Derzeit zahlen wir aber etwas mehr als 50 Prozent. Das halte ich für perfekt: Ich verdiene 100 Euro, eine Hälfte behalte ich, eine Hälfte teile ich.

Die Krise hat tiefe Löcher in die Haushalte gerissen. Irgendwo muss das Geld herkommen.

Wenn die Regierung entscheidet, dass es noch größerer Solidarität bedarf und der Steuersatz zur Bewältigung der Krise auf 58 oder 60 Prozent steigen soll, dann hat sie meine Unterstützung. Ich akzeptiere gerne eine Strafe, wenn sie für die Gesellschaft in einer Zeit der Krise wichtig ist. Aber sich freiwillig anbieten? Das führt nur dazu, dass die Leute sagen: Ah, sie sind schuldig. Das erzeugt die falsche Atmosphäre.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%