Bezahlsysteme der Zukunft "Viele Banken haben mobiles Bezahlen unterschätzt"

Seite 2/4

Europa ist in der digitalen Wirtschaft noch zu behäbig

Was läuft denn falsch?

An der Erhaltung des Status quo trägt die erfolgreiche Lobbyarbeit der Bankenbranche einen gewichtigen Anteil. Bis zur PSD I durften in Europa prinzipiell nur Kreditinstitute Zahlungsverkehr anbieten. Wer ohne Banklizenz  auch nur nahe dem Zahlungsverkehr Leistungen anbot, fand sich schnell auf der Anklagebank wieder. Für die Entwicklung der zukünftigen Finanzprozesse der digitalen Wirtschaft benötigen wir in Europa aber auch die Kreativität von Unternehmern außerhalb der Bankenbranche. Zudem werden auch den Banken selbst Investitionen in neue Bezahlnetzwerke erschwert, wenn zum Beispiel der europäische Gesetzgeber die Preise und Gebühren im Zahlungsverkehr reguliert und damit massiv in die Geschäftsmodelle des Zahlungsverkehrs eingreift. Es fehlen verlässliche Rahmenbedingungen, um in Europa  die hohen Investitionen in den Aufbau neuer Zahlungsverkehrsnetze zu rechtfertigen. Die Herausforderung besteht darin, einen rechtlichen Rahmen vorzugeben, der nachhaltige Planungssicherheit bietet, ohne sich in den Details zu verlieren. Die Entwicklungsspielräume müssen größer werden – insbesondere für Nicht-Banken.

Wie konnte dann etwa Paypal so erfolgreich werden?

Paypal bot Ebay Dienstleistungen, die sie von Banken nicht erhielten und hat damit den etablierten Anbietern ein Lehrstück geliefert. Paypal hat gezeigt, dass Händler durchaus deutlich höhere Preise für den Zahlungsverkehr bezahlen, wenn sie dafür zusätzlich zum Beispiel mehr Sicherheit gepaart mit schneller und einfacher Abwicklung bekommen. Das verbesserte Leistungsangebot verhalf Ebay – in seinem Kerngeschäft -  zugleich zu schnellerem Wachstum. Die Gewinne im Zahlungsverkehr lassen sich durch neue Leistungen, die flexibel auf veränderte Kundenbedürfnisse ausgerichtet sind, nachhaltig sichern. Am PayPal-Modell konnten auch Banken unmittelbar profitierten. Denn Paypal brauchte anfänglich – als das Unternehmen selbst noch keine Banklizenz hatte– die Unterstützung einer Bank. Die US-Großbank JP Morgan erkannte in Paypal keinen Konkurrenten, sondern einen Geschäftspartner mit hohem Ertragspotenzial. JP Morgan unterstützte Paypal unter anderem beim Liquiditätsmanagement und half Einlagen der Paypal-Kunden zu sichern. Damit hat die US-Bank am Finanzplatz London richtig gut verdient.

Das Beispiel zeigt also, dass sich neue Bezahlverfahren auch für die Banken lohnen. Warum bremst die Branche dann?

Sie haben Recht, eigentlich müssten die Banken sehr interessiert sein. Aber Zahlungsverkehr war in den Vorstandsetagen lange kein Thema. Der Marktanteil für Online-Bezahlsysteme war lange sehr klein. Mit den alten Verfahren konnte prinzipiell auch im Internet bezahlt werden. Der weitaus größere Marktanteil - das Bezahlen an der Ladenkasse - war aus Sicht der Banken mit den klassischen Kartenprodukten prinzipiell gut bedient. Leider haben die Banken dabei übersehen, welch exponentielles Wachstumspotenzial in den digitalen Märkten schlummert. In der Anpassung der Zahlungsprozesse an die spezifischen Kundenbedürfnisse steckt viel mehr Geld, als die Banken mit ihrem bisherigen Geschäftsverständnis verdienen. Mit großen zeitlichen Verzögerungen fangen europäische Banken nun allmählich an, sich mit neuen Lösungsansätzen für die zukünftigen Finanzprozesse in der digitalisierten Welt ernsthaft zu beschäftigen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%