Bezahlsysteme der Zukunft "Viele Banken haben mobiles Bezahlen unterschätzt"

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Kooperationen zwischen Banken und Nicht-Banken sind der Schlüssel

Wo kommt auf Banken und Verbraucher zu? Nennen Sie uns ein paar Beispiele.

Banken sollten in neue Formen von Konten oder neue Schnittstellen zu den Konten investieren. Es müssten Konten sein, die mehr können, als nur Zahlungseingänge und -abgänge zu verbuchen. Wer die Kontodaten seiner Kunden kennt, kann im Auftrag des Kunden zum Beispiel auch gleich eine Bonitätsauskunft erteilen, anstatt seine Kunden dem aufwendigen und veralteten Prozess der Selbstauskunft auszusetzen. Oder die Bank könnte etwa ein Identifikationsverfahren anbieten, mit dem sich Kunden - wo immer es nötig ist - ausweisen können. Umständliche Postident-Verfahren gehören ins Museum. Für Konsumenten lassen sich auch Dienste für ein bequemeres Einkaufen oder für ein automatisch befülltes, elektronisches Haushaltsbuch vorstellen. Schon heute verarbeiten beispielsweise Steuerberater mit Erlaubnis ihrer Klienten automatisch über Datendienstleister wie etwa Datev Kontodaten, die sie über Online-Banking-Schnittstellen einsehen.

Diese Länder haben die meisten Bankfilialen
SchweizSpätestens seitdem das gefährliche Geschäftsmodell von Zypern, ein überdimensionierter Banksektor, der das Geld ausländischer Sparer anlockt, gescheitert ist, stehen vor allem kleine Staaten mit großen Banken in der Kritik. Auch die Anzahl der Bankfilialen kann ein Indikator dafür sein, welche Rolle die Finanzindustrie in einem Land spielt. Allerdings weisen einige Länder allein aufgrund niedriger Bevölkerungszahlen eine hohe Filialdichte auf. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt jährlich Daten darüber heraus, wie viele Bankfilialen ein Land je 100.000 Einwohner vorweisen kann. Für das Jahr 2011 hat es die Schweiz dabei gerade so in die Top Ten geschafft, mit 51 Filialen je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland kommt gerade einmal auf 15 Filialen je 100.000 Einwohner. Quelle: dpa
IslandDas was Zypern in den letzten Wochen durchmachte kennt Island gut. Dem dortigen Bankensystem wurde die Finanzkrise 2008 zum Verhängnis. Von der Pleite der größten isländischen Bank Kaupthing waren auch zahlreiche ausländische Sparer aus Großbritannien und den Niederlanden betroffen. Wie sich einer solche Krise auf das Bankensystem auswirken kann, zeigt ein Blick auf die Zahl der Bankfilialen. Während Island zu Spitzenzeiten 2004 auf 90 Filialen je 100.000 Einwohner kam, sind es mittlerweile nur noch 52. Quelle: dpa
BulgarienAuch Bulgarien liegt was die Bankfilialen angeht weit vorne, 58 Niederlassungen kommen auf 100.000 Einwohner. Allerdings gilt das Land dank niedrigem Defizit als stabil. Zuletzt wurde spekuliert, ob Russlands Sparer ihr Geld jetzt von Zypern nach Bulgarien verlegen. Quelle: dpa
PeruEtwas überraschend ist auch das südamerikanische Peru in der Liste der Länder mit den meisten Bankfilialen sehr prominent vertreten. Auf 58 Filialen je 100.000 Einwohner kommt das Andenland, welches vor allem für seine von den Inkas erbauten Ruinenstadt Machu Picchu bekannt ist. Quelle: dpa
PortugalMit Portugal taucht auf Platz Fünf des Rankings der erste Euro-Krisenstaat auf. 64 Bankfilialen entfallen auf 100.000 Einwohner. Die Krise hat das Land derweil noch längst nicht überstanden, erst in der vergangenen Woche gingen zahllose Portugiesen auf die Straßen, um gegen die dortige Sparpolitik zu demonstrieren. Quelle: dpa
MongoleiAuch wenn das Bild es nicht vermuten lässt, die Mongolei gehört zu den Ländern mit der höchsten Dichte an Bankfilialen je Einwohner. Auf 100.000 Einwohner kommen 66 Filialen. Das mag allerdings auch daran liegen, dass das asiatische Land zwar viermal so groß ist wie Deutschland, aber insgesamt nur rund 3,18 Millionen Einwohner hat. Damit gilt die Mongolei als einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Quelle: REUTERS
ItalienMit Italien ist ein weiterer südeuropäischer Wackelkandidat in den Top-Fünf vertreten. 66 Bankfilialen je 100.000 Einwohner kann der Staat vorweisen. Zuletzt sorgte vor allem die Bank Monte dei Paschi für Wirbel, die älteste Bank der Welt. Unter anderem sollen sich Manager bereichert haben und Kommissionen kassiert haben. Die Affäre um das Geldinstitut forderte sogar bereits ein Opfer, Kommunikationschef David Rossi beging Selbstmord und hinterließ eine Nachricht. "Ich habe Mist gebaut", war dort zu lesen. Quelle: dpa

Welche Länder sind denn bei den Bezahlsystemen weiter fortgeschritten und wie sind deren Erfahrungen?

Bekannt sind Service-Anbieter aus den USA. Aber selbst in Ländern wie Südafrika, Kenia oder Uganda sind mobile Bezahlverfahren weiter verbreitet als in Europa. Dort verzeichnet das mobile Bezahlen sehr hohe Wachstumsraten und genießt eine sehr hohe Akzeptanz. Dort zeigt sich auch, dass der mobile Zahlungsverkehr definitiv sicherer ist als das Hantieren mit Bargeld und Belegen.

Woher rührt der Erfolg in diesen Ländern?

Dort gab es lange für große Teile der Bevölkerung gar keinen elektronischen Zahlungsverkehr seitens der Banken. Bei seiner Einführung wurde das klassische Bankennetzwerk dann einfach übersprungen, weil das Mobilfunknetzwerk bereits gut ausgebaut und damit nutzbar war. Stattdessen sorgten diese Länder dafür, dass die technischen Sicherheitsstandards kein Stück schlechter sind, als bei etablierten Banknetzwerken. Und es zeigt sich, dass das Bezahlen über Mobilfunknetzwerke dort neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Die Geschäfte, in denen Kunden ihre Prepaid-Karten für ihre Mobiltelefone kaufen, wurden zügig zu Geldannahme- und Geldausgabestellen ausgebaut. Dort werden Geldgeschäfte wie am Bankschalter abgewickelt. Für die ergänzende Bargeldlogistik entstanden ebenfalls neue sicherere Strukturen und Arbeitsplätze in Regionen, in denen es kaum Bankfilialen gab.

Glauben Sie, die üblichen Bezahlsysteme werden von den neuen digitalen letzten Endes verdrängt und begraben?

Ich bin überzeugt, dass auch weiterhin die Vielfalt der Bezahlsysteme bestehen bleibt, auch das Bargeld hat seine Berechtigung. Auch die Banken können verlorenes Terrain in der digitalen Wirtschaft zurückgewinnen, wenn sie ihre Innovationskräfte mit denen der Nicht-Banken sinnvoll koppeln und europäisches Recht den Rahmen für Investitionen bietet. Dann wird sich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Zahlungsverkehrsindustrie nachhaltig verbessern. Die für den Erfolg notwendigen qualifizierten Menschen und Technologien haben wir.

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