Boom der vergangenen Jahre ist vorbei Jetzt kämpfen auch Sparkassen ums Überleben

Der Boom der vergangenen Jahre ist vorbei. Die niedrigen Zinsen belasten die Ergebnisse der Institute so stark, dass viele ums Überleben werden kämpfen müssen. Die Sparkassen müssen sich radikal reformieren, um eine Zukunft zu haben.

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Die fetten Jahre sind bei den Sparkassen jetzt auch vorbei. Manche Institute drohen gar ganz auseinander zu brechen. Quelle: Marcel Stahn

Vor der Mehrzweckhalle in Düren wehen um kurz vor 19 Uhr zwei Sparkassen-Fahnen müde im März-Wind. Die meisten der 2200 Gäste sind bereits drinnen im rot beleuchteten Innenraum und rutschen auf den Sitzflächen ihrer roten Tribünen-Stühle mit dem Sparkassenlogo herum. „Wann kommt denn der Howie?“, ist die meistgestellte Frage an diesem bodenständigen Abend – ob am Getränkestand oder an der Frikadellenbude.

Die Sparkasse Düren hat Schlagersänger Howard Carpendale in den 90.000-Seelen-Ort zwischen Aachen und Köln geladen. Eine Gruppe Mittvierzigerinnen drängelt sich am Absperrgitter, als ihr Idol die Bühne betritt. „Howie, Howie“, tönt es. „Sind Sie alle Kunden der Sparkasse?“, fragt der 67-Jährige. „Welche Sparkasse ist es noch mal? Zypern? Düren? So wie Sie alle lächeln, muss es Düren sein.“

Sparkassenchef Herbert Schmidt kann zufrieden sein. Er hat seine Kundinnen mit Howard Carpendale glücklich gemacht und stellvertretend für alle 422 deutschen Institute deren Botschaften unters Volk gebracht. Nämlich: Auch wenn Europa taumelt, ist das Geld bei den Sparkassen sicher. Sie sind nicht abgehoben, sondern nah bei den Menschen. Sie betreiben kein Bonibankertum, sondern ehrliches Handwerk. Das Image hat die Kunden gerade nach der Finanzkrise 2008 überzeugt. Da trugen sie ihr Geld am liebsten in die Geldhäuser mit dem roten S. Die Kundeneinlagen kletterten von 742 Milliarden Euro 2008 auf 799 Milliarden Euro 2012.

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Sparkassen und EZB

Doch mit den guten Jahren ist es vorbei, auf die Sparkassen rollt eine Krise zu. Schuld daran ist vor allem die Europäische Zentralbank. Seit sie Geld quasi zum Nulltarif verleiht, sind die Zinsen für langfristige Anlagen in den Keller gerauscht. Weder Unternehmens- noch Staatsanleihen bringen bei akzeptablem Risiko noch annehmbare Renditen. Die Sparkassen trifft das besonders hart. Sie nehmen viel mehr Kundeneinlagen an, als sie Kredite unters Volk bringen können. Den Überschuss legen sie an. Immer mehr alte, hoch verzinste Anleihen laufen aus und können nur durch neue, schlecht verzinste ersetzt werden. Experten erwarten den Knall für 2016.

Schon jetzt lasten Beteiligungen auf den Sparkassenbilanzen. Als Milliardenflop hat sich die 2007 gemeinsam übernommene Landesbank Berlin entpuppt. Auf ihre Beteiligung mussten die Institute 2,2 Milliarden Euro abschreiben. Hinzu kommen die Schieflagen von Landesbanken. An den Desastern sind die Sparkassen mit schuld: Ihre Vertreter in den Aufsichtsgremien hatten die Käufe von US-Schrottpapieren geduldet. Die Sparkassen in Baden-Württemberg haben die LBBW mit 1,8 Milliarden Euro gestützt, die bayrischen Institute halfen ihrer Landesbank mit 1,7 Milliarden. Um was die Institute ihre Beteiligungen abschreiben müssen, ist nicht transparent. Der Wert der HSH Nordbank dürfte sich um etwa 500 Millionen reduziert haben. Und die Abwicklung der WestLB dürfte die nordrhein-westfälischen Institute bis zu sechs Milliarden Euro kosten.

Der demografische Trend ist auch nicht ihr Freund. Kunden werden älter, andere ziehen in Städte, wo die Sparkasse nur eine Bank von vielen ist. Ihr großes, einzigartiges Filialnetz können sie sich so kaum noch leisten.

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Merkel und Weidmann auf dem Sparkassentag

Solche Misstöne werden kaum zu hören sein, wenn sich an diesem Mittwoch rund 2500 Gesandte zum Sparkassentag in Dresden treffen. Kanzlerin Angela Merkel wird ebenso da sein wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Das Treffen wird der bisher größte Auftritt in der einjährigen Amtszeit von Georg Fahrenschon an der Spitze des Sparkassenverbandes DSGV. Schon Wochen zuvor ist der ehemalige bayrische Finanzminister viel unterwegs. Früh ist er aus München nach Berlin geflogen, hastet in die DSGV-Zentrale in der Charlottenstraße, an der ein rotes S prangt, und fährt mit dem Glasaufzug nach ganz oben. Er hat sich perfekt in seine Rolle als Lobbyist eingefunden, bei Terminen trägt er rote Krawatte, die typischen Floskeln sprudeln nur so aus ihm heraus. „Wir wollen vor Ort und unseren Kunden nahe sein“, sagt er. „Wir sehen die Zukunft nicht darin, Kunden in eine menschenleere Technikhalle zu schicken.“ Und: „Die Kunden vertrauen den Sparkassen.“

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