Boom der vergangenen Jahre ist vorbei Jetzt kämpfen auch Sparkassen ums Überleben

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Verschönerung des Rathauses

Vor mehr als 200 Jahren begann die besondere Beziehung der Deutschen zum Sparen und ihren Sparkassen. Die Krise stärkt die Sehnsucht nach einer heilen Bankenwelt. Eine Würdigung.

Als Politiker hat er gelernt, heikle Fragen zu beantworten, indem er sie nicht beantwortet. Die Niedrigzinsen erklärt er zur Herausforderung „einer Gesellschaft, die auf Substanz und Stabilität Wert legt“. Zu den Folgen für die Sparkassen ist ihm bei mehrmaliger Nachfrage nur zu entlocken, dass „wir vorbereitet sind und auch mit niedrigen Zinsen arbeiten können“.

Noch ist von der kommenden Krise wenig zu sehen. 4,4 Milliarden Euro verdienten die Sparkassen bei einer Bilanzsumme von 1,1 Billionen Euro 2012 insgesamt vor Steuern. Das sind sieben Prozent weniger als 2011, aber mehr als fünfmal so viel wie die Deutsche Bank, die bei einer Bilanzsumme von zwei Billionen Euro nur auf knapp 800 Millionen kam. So kann die Illusion noch eine Weile bestehen bleiben, dass die guten Zeiten weitergehen.

Da verdienten die Sparkassen mit ihren Wertpapierdepots das Geld wie im Schlaf. Kommunalpolitiker, die sie als Verwaltungsräte kontrollieren, konnten sich freuen, vor Ort eine Art schwarze Kasse zu haben, die bei Anruf Trikots für den Sportverein oder die Verschönerung des Rathauses zahlte.

Kein Wunder, dass sie den Zustand verteidigen wollen. So wie im Landkreis Kleve an der niederländischen Grenze. Hier haben Kaffeeröstereien, Logistiker und Unternehmen wie Katjes und Bofrost ihren Sitz – und jede Menge Sparkassen. Für die 300.000 Einwohner in Goch, Kleve, Emmerich und Straelen gibt es vier selbstständige Institute. Ehe die Sparkasse Krefeld das in Not geratene Institut in Geldern Anfang 2007 übernahm, waren es sogar fünf.

Grafik Wie die Sparkassen ihr Geld investieren

Traumatisches Erlebnis

Für die Politiker war das offenbar ein traumatisches Erlebnis, das sie sich nicht noch mal antun wollten. So pumpte der Kreis Kleve Ende 2012 zehn Millionen Euro in die mit 50.000 Privatkunden kleine Sparkasse Emmerich-Rees. „Das zusätzliche Eigenkapital macht das Institut fit für die Zukunft“, sagt Emmerichs Bürgermeister Johannes Diks (CDU). Eine Fusion mit anderen Kassen hatten die Politiker verworfen. „Jetzt können wir mittelständische Unternehmen noch besser fördern“, sagt Sparkassenchef Horst Balkmann. Nebenbei ist gesichert, dass jährlich rund 200.000 Euro Spenden vor Ort ankommen.

„Für den Kreis ist das eine gute Investition“, meint Balkmann. Das muss er so sagen. Wenn die Geldinfusion auch nur den Anschein einer Rettung hätte, würde die Sparkasse mit elf Filialen ins Visier der Beihilfewächter der Brüsseler EU-Kommission geraten. Problemfrei ist ihre Lage nicht: 2011 machte sie laut Konzernabschluss knapp zwei Millionen Euro Verlust.

Geflecht von Firmen

Die Bilanz weist ein Geflecht von Tochterfirmen zur Erschließung von Grundstücken aus, deren Risiken „nach wie vor erheblich sind“. 80 Millionen Euro hat das Institut in „Spezialfonds“ angelegt. Über einen hatte sie griechische Staatsanleihen im Wert von 4,2 Millionen Euro gekauft und mit fast zwei Millionen Euro Verlust wieder verkauft. Zudem liegen in den Fonds strukturierte Produkte, also verbriefte Kredite, im Wert von 25 Millionen Euro. Das Institut nimmt an, dass die Märkte so gestört sind, dass niemand die Papiere kaufen will, und vermeidet so teilweise Abschreibungen.

Dass Sparkassen auch von der Anlage von Wertpapieren leben, wird immer erst publik, wenn sie in Not geraten. Dabei sind die Volumina erheblich. So betrug das Wertpapiervermögen der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld 2011 stolze 815 Millionen Euro – 171 Millionen Euro mehr, als sie Kredite an die heimische Wirtschaft ausreichte. Die Sparkasse Emmerich-Rees hat Anleihen für 240 Millionen Euro im Depot. Solange die Papiere hohe Renditen abwarfen, ließ es sich gut leben. Die Sparkassen setzten ordentlich Speck an.

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