Brexit Londoner Banken klopfen bei BaFin an

Die Folgen des Brexit machen sich langsam auch in der Finanzbranche bemerkbar: Bei der deutschen Finanzaufsicht BaFin sind erste Anfragen von Banken eingegangen, die Geschäfte nach Deutschland verlagern wollen.

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Das Gebäude der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Quelle: dpa

Die ersten britischen Banken hegen wegen des Brexit-Votums konkrete Umzugspläne nach Deutschland. Bei der Finanzaufsicht BaFin sind erste Anfragen von Banken, die ihren Sitz oder Teile des Geschäfts von London nach Deutschland verlegen wollen, eingegangen, wie ihr Präsident Felix Hufeld am Dienstag sagte. "Wir werden angesprochen von Banken, die sich freiwillig unserer Aufsicht unterwerfen wollen." Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sei nicht auf Abwerbetour, stellte Hufeld klar. Sie könne den Unternehmen aber schnell Klarheit und einen verlässlichen Rahmen für ihr Geschäft bieten. Die Zahl der Anfragen nannte der BaFin-Chef nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte berichtet, die US-Investmentbank Goldman Sachs erwäge Verlagerungen von London nach Frankfurt.

Der britische Austritt aus der Europäischen Union (EU) betrifft vor allem Banken, die mit einer britischen Lizenz und einem "EU-Pass" ihre Produkte und Dienstleistungen bisher in der ganzen EU anbieten können. Das ist nach einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union fraglich. Der Verwaltungsratschef der Großbank HSBC, Douglas Flint, erwartet, dass die ersten Banken ihre Umzugspläne bald nach Beginn der Austrittsverhandlungen im Frühjahr in die Tat umsetzen werden. Daran hingen zehntausende Stellen. Noch sei aber sei unklar, ob künftig nur der Vertrieb von Finanzprodukten aus der EU heraus stattfinden müsse oder auch Dienstleistungs-Jobs in der Abwicklung, im Risikomanagement und der Buchhaltung verlagert werden müssten, sagte er bei einer Anhörung vor einem Ausschuss des britischen Parlaments.

Banken wie JPMorgan, Citi und Deutsche Bank beschäftigen in britischen Städten wie Glasgow oder Bournemouth Tausende von Mitarbeitern in diesen Bereichen. Frankfurt erhofft sich vom Brexit einen fünfstelligen Zuwachs von Finanz-Arbeitsplätzen, doch auch Städte wie Paris, Dublin und Luxemburg wollen davon profitieren.

Diese Städte wollen das nächste London sein
Die irische Hauptstadt lockt vor allem mit niedrigen Steuersätzen für Unternehmen. Damit hat Irland bereits große US-Konzerne überzeugt – und zugleich Kritik auf sich gezogen. Der IT-Riese Google zum Beispiel muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er deutschen Fiskus austrickst. Quelle: imago images
Um sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, verschieben einige Unternehmen über ihre Niederlassungen in Irland Gewinne in andere Steueroasen. Punkten kann Dublin natürlich auch damit, dass Englisch gesprochen wird. Gegen den Standort spricht aber, dass er nicht gerade zentral in der EU liegt und auch nicht gerade viele Banker unbedingt dort hinziehen werden. Quelle: imago images
Der französische Staatschef François Hollande hat gleich Paris als Alternative zu London ins Spiel gebracht – und Banken Hoffnungen auf Steuererleichterungen gemacht. Die Regierung müsse daher „unsere Regeln, darunter die fiskalischen, anpassen, um den Finanzplatz Paris attraktiver zu machen“, sagte Holland. Paris hat als Bankenstadt bereits eine Bedeutung – allein schon, weil die großen französischen Banken dort ihren Hauptsitz haben. Quelle: REUTERS
Und wenn es um Kultur, Lifestyle und Nachtleben geht, hängt Paris sowieso alle anderen Städte ab. Die Attraktivität Paris‘ ist zugleich ein Manko. Die Stadt ist extrem teuer, die Wege sind weit.   Quelle: imago images
Dass Luxemburg ein wichtiger Finanzplatz in der EU ist, ist unbestritten. Viele Banken, Fondsgesellschaften und Dienstleister haben dort große Büros. Der Großteil der Fonds, die in Deutschland verkauft werden, wurde nach den Luxemburger Regeln gestartet. Quelle: dpa
Und ähnlich wie Dublin hat auch das Großherzogtum Unternehmen mit geringen Steuersätzen angelockt. Diese Praxis ist aber mehr denn je hochumstritten. Zudem ist die Stadt mit rund 110.000 Einwohnern alles andere als groß. Fraglich wäre, ob dort einfach tausende weiterer Banker hinziehen könnten. Quelle: imago images
New York ist das globale Finanzzentrum. Entsprechen viele Banken aus aller Welt haben ohnehin einen großen Standort dort. Deshalb dürfte in einigen Fällen – wenn es nicht um Europageschäft geht – naheliegend sein, Jobs von London nach New York zu verlagern. In einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group nannten Topbanker von sich aus New York  als beste Alternative zu London. Quelle: AP

Auch der Chef der Londoner Börse LSE, Xavier Rolet, warnte bei der Anhörung vor einer massenhaften Abwanderung aus London nach dem Brexit. Wenn die Abwicklung (Clearing) von in Euro begebenen Finanzprodukten von dort aus nicht mehr möglich sei, drohten einige zehntausend Arbeitsplätze verloren zu gehen. Die LSE ist das größte Clearinghaus für Euro-Kontrakte. Einflussreiche EU-Politiker fordern aber, deren Abwicklung müsse nach dem Brexit auf dem Kontinent stattfinden. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Reform des Derivatehandels. "Das sind diese lästigen, zielgenauen und scheinbar unbedeutenden Regeln, die in Wirklichkeit großen Einfluss auf das Verhalten der Kunden haben", sagte Rolet.

Rolet, Flint und die Vize-Chefin des Vermögensverwalters Allianz Global Investors, Elizabeth Corley, forderten Übergangsfristen bis mindestens 2021, um einen geordneten Umzug zu ermöglichen.

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