Commerzbank-Aufsichtsratschef Müller "Ich würde die Dresdner Bank wieder kaufen"

Seite 4/5

"Bei uns wird scharf gerechnet. Wir verschenken nichts."

Bad Banks in Deutschland und Europa
Laut einem Bericht der französischen Zeitung "Les Echos" sitzen die europäischen Bad Banks auf Schrottpapieren im Wert von mehr als 1.000 Milliarden Euro. Alleine die Bad Bank der belgisch-französischen Bank Dexia besäße faule Kredite und andere Giftpapiere im Wert von 266 Milliarden Euro – Rekord in Europa. Auch die französische Natixis halte immer noch faule Papiere im Wert von 13,5 Milliarden Euro. Doch nicht nur die französischen Bad Banks sitzen immer noch auf Müllbergen.... Quelle: AP
CommerzbankInterne Bad Bank: Portfolio Restructing UnitZum 30. September 2009 sammelte die Commerzbank 44 Milliarden Euro an Schrottpapieren in einer firmeninternen Bad Bank. 2012 schrumpfte das Portfolio der internen "Bad Bank" um 17 Prozent auf 151 Milliarden Euro. Dabei fokussierte sich die Commerzbank vor allem auf die gewerbliche Immobilien- und Staatsfinanzierung. Bis 2016 soll das Portfolio dieser Abbaueinheit NCA auf gut 90 Milliarden Euro abschmelzen - vorzugsweise wertschonend über Fälligkeiten, in Einzelfällen werden nach früheren Angaben durch den Verkauf von Papieren aber auch Verluste in Kauf genommen. In der Bad Bank lagert der Immobilien- und Staatsfinanzierer Eurohypo, inzwischen umbenannt in Hypothekenbank Frankfurt, sowie die Schiffsbank. Aus all diesen Geschäftsbereichen zieht sich die Commerzbank komplett zurück. Auch einige Uraltlasten aus der Investmentbank von der Finanzkrise 2008 sind dabei. Quelle: dpa
Hypo Real Estate - FMS WertmanagementDie Bad Bank der verstaatlichten Münchener Immobilien Bank besaß bei ihrer Gründung zum 1. Oktober 2010 Schrottpapiere im Wert von 175,6 Milliarden Euro. Zum 30. Juni 2011 hat sie den Bestand auf 160,5 Milliarden Euro reduziert. 2012 konnte die Abwicklungsbank FMS einen Überschuss von 37 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Trend hatte sich bereits im ersten Halbjahr abgezeichnet. So hatte das Institut unterstützt von anziehenden Finanzmärkten von Januar bis Juni seinen Verlust auf 50 (Vorjahreszeitraum: 689) Millionen Euro reduziert. Auch in der zweiten Jahreshälfte hatte sich die Erholung an den Finanzmärkten weitgehend fortgesetzt. Dadurch hätten sich die Altlasten um 38 Milliarden Euro reduziert, sagte ein Insider. Quelle: dapd
HSH NordbankEine interne Bad Bank kümmerte sich um die Altlasten der Landesbank von Hamburg und Schleswig Holstein. Am 31. Dezember 2010 startete der Finanzfriedhof mit 69 Milliarden Euro. 2012 haben die Schifffahrtskrise und hohe Gebühren für Staatsgarantien der HSH Nordbank Verluste eingebrockt. Wegen der Lasten durch drohende Kreditausfälle in der internen Bad Bank und steigender Garantiekosten geht die Landesbank 2013 von einem weiteren Fehlbetrag aus. Erst 2014 ist ein Lichtstreif am Horizont in Sicht. Dann will das seit Jahren kriselnde Institut dank weiterer Fortschritte im Kerngeschäft „ein deutlich positives Konzernergebnis“ erwirtschaften. Im abgelaufenen Jahr musste die HSH, die nach wie vor in der Schiffsfinanzierung führend ist, erneut viel Geld für drohende Kreditausfälle zurücklegen. Hinzu kamen 473 Millionen Euro an künftigen Gebühren für Garantien, die bereits jetzt in der Bilanz verbucht wurden. Der Vorsteuerverlust verringerte sich dennoch leicht auf 185 (Vorjahresminus: 206) Millionen Euro, weil es im Kerngeschäft bereits besser lief. Quelle: dpa
WestLBDie vom übrigen Institut abgespaltene Bad Bank "Portigon", vormals "Erste Abwicklungsanstalt EAA" bündelte zum 1. Januar 2010 Schrottpapiere im Wert von 77,5 Milliarden Euro. Nach zwei herben Verlustjahren konnte die Bad Bank 2012 einen Minigewinn erzielen. Dank der Erholung der US-Immobilienmarktes weist die Portigon einen Jahresüberschuss von 6,6 Millionen Euro aus. 2011 hatte der Schuldenschnitt für Griechenland zu einem Verlust der Bad Bank von 878 Millionen Euro geführt. Der Vorstand betonte, dass die Abwicklung der WestLB-Papiere schneller als geplant vorankomme. Seit ihrer Gründung vor gut drei Jahren habe die Bad Bank in mehreren Schritten Bestände in der Größenordnung von rund 200 Milliarden Euro übernommen. Abgewickelt wurden bereits Kredit- und Wertpapiere im Gesamtvolumen von 68 Milliarden Euro. Quelle: dpa
BayernLBDie Bayern tauften ihre interne Bad Bank Projekt Herkules. Ein passender Name. Mit 67,2 Milliarden Euro Finanzschrott startete das Projekt am 1. Juli 2009. Zum Jahresende 2011 waren es nur noch 27 Milliarden Euro. Der Freistaat haftet mit einer Garantie von 4,8 Milliarden Euro für Verluste durch strukturierte Altkredite aus der Finanzkrise. Bislang reichte der Eigenanteil der Bank in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, die Lasten der Vergangenheit aufzufangen. Davon ist jedoch bereits die Hälfte aufgebraucht. Die Landesbanker verwalten ihre 27 Milliarden Euro schwere Bad Bank intern in der eigenen Bilanz. Gut 40 Prozent davon entfallen auf sogenannte ABS-Papiere. Das sind gebündelte und verbriefte Kleinkredite, von denen keiner weiß, ob und in welchem Umfang die Schuldner sie zurückzahlen können. Quelle: dpa
Bank of Ireland - NAMADie irische Regierung gründete im September 2009 die erste Bad Bank in Europa - die National Asset Management Agency (NAMA) Sie übernahm faule Kredite im Wert von 47 Milliarden Euro. Irland erhielt eine Finanzspritze des IWF über 67,5 Milliarden Euro und Gelder aus dem EU-Rettungsschirm, um den Bankensektor zu stabilisieren. Übrig blieben nur zwei von fünf Banken - die Bank of Ireland und die Allied Irish Banks. Bis zum 31. März 2012 wurden Immobilienverkäufe im Wert von insgesamt acht Milliarden Euro genehmigt – 90 Prozent davon betrafen Objekte im Ausland. Eingenommen hatte die NAMA (Stand September 2011) bis dato allerdings nur 2,7 Milliarden Euro. Quelle: dapd

Auch zur aggressiven Werbung der Commerzbank in Form von Begrüßungsgeld für Neukunden und Abschiedsprämien für Unzufriedene sagt Berlin nichts?

Müller: Die EU-Wettbewerbsaufseher in Brüssel prüfen vierteljährlich, ob wir Staatsmittel für ruinösen Wettbewerb einsetzen. Es ist doch nicht so, dass wir einen Sack Steuergeld an unsere Kunden verteilen, wie es manche Vertreter konkurrierender Bankenverbände gern darstellen. Die Commerzbank hat im Privatkundengeschäft einen Marktanteil von sechs Prozent, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken kommen auf rund 80 Prozent. Seien Sie als Journalisten doch froh, dass endlich mal jemand den Markt aufmischt …

Was kostet das Lockprogramm?

Müller: Das hat sich der Aufsichtsrat von Privatkundenvorstand Martin Zielke vorrechnen lassen. Unterm Strich lohnt es sich. Ich freue mich über jeden Kunden, den wir für 50 Euro gewinnen, denn auf dem Weg der klassischen Werbung müssten wir rund 500 Euro für jeden neuen Kontakt ausgeben.

Rechnet sich das wirklich? Auch für das Lockprogramm müssen sie Werbekosten zahlen.

Müller: Bei uns wird scharf gerechnet. Seien Sie gewiss, wir verschenken nichts. Übrigens denke ich, dass sich die Leute nicht wegen der Begrüßungsprämie für die Commerzbank entscheiden, sondern weil sie uns für eine ordentliche Bank halten. Das Geld deckt ja in erster Linie die Kosten, die dem Kunden beim Kontowechsel entstehen. Eine Abschiedsprämie trauen wir uns auch deshalb zu bieten, weil wir überzeugt sind, so guten Service zu leisten, dass die Leute bei uns bleiben.

Der Branchenprimus Deutsche Bank unterzieht sich einem Kulturwandel. Braucht die Commerzbank diesen auch?

Müller: Natürlich ist nicht alles perfekt, aber die Commerzbank pflegt eine gute Kultur. Menschen, die bei uns anfangen oder von der Konkurrenz in unser Haus wechseln, bestätigen mir, dass hier eine gute Arbeitsatmosphäre herrscht. Unternehmenskultur ist ein Staffellauf über Generationen und lässt sich nicht mal eben über Nacht ändern wie der Anstrich eines Hauses. Zur Deutschen Bank möchte ich deshalb in aller Fairness sagen, dass der dortige Kulturwandel wohl seine Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir bei der Commerzbank haben den Eigenhandel schon 2005 gestoppt. Dadurch sind uns einige Exzesse erspart geblieben, die sich im Investmentbanking weltweit abgespielt haben.

Das sind die größten Banken Deutschlands

Wie viel der alten Dresdner-Bank-Kultur steckt noch in der Commerzbank?

Müller: Ich glaube, wir sind im Wesentlichen in der traditionellen Commerzbank-Kultur verblieben. Danach sollten Sie aber am besten die Mitarbeiter fragen. Mir gegenüber jedenfalls haben sich viele Ex-Dresdner-Banker sehr positiv über die Kultur unseres Hauses geäußert. Aus Mitarbeiterumfragen wissen wir, dass die Commerzbank als moderner und damit attraktiver wahrgenommen wird. Die Vorstände um Martin Blessing stehen für einen direkten, unkomplizierten und kompetenten Umgang. Das wird sehr positiv bei den Mitarbeitern aufgenommen.

Sie sind Mitglied der CDU und in Berlin bestens vernetzt. Hat sich das Verhältnis von Politikern zur Finanzwelt verändert?

Müller: Viele Politiker sind verärgert über die Banker, was ich verstehen kann, denn nicht alle aus dem Finanzsektor haben seit der Krise die nötigen Lehren gezogen. Die Mehrzahl der Unbelehrbaren sitzt aber eher in New York oder London als in Frankfurt und Zürich. Manches, was heute immer noch an angelsächsischen Börsenplätzen passiert, entspricht nicht unbedingt unseren Vorstellungen von Sozialer Marktwirtschaft. Andererseits sind aber auch manche Reaktionen der Politik überzogen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%