Commerzbank-Aufsichtsratschef Müller "Ich würde die Dresdner Bank wieder kaufen"

Erstmals seit der Finanzkrise äußert sich Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller zu den Problemen der Commerzbank, wie mangelnder Kundenfreundlichkeit, sinkender Profitabilität, eingebrochenen Aktienkursen und Stellenabbau. Seine umstrittenen Übernahmen von Dresdner Bank und Eurohypo verteidigt er.

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Der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, verteidigt seine umstrittenen Übernahmen von Dresdner Bank und Eurohypo. Quelle: AP

Herr Müller, warum sollten die Aktionäre Ihnen im Mai eine zweite Amtszeit als Aufsichtsratschef gewähren?

Müller: Sie wollen, dass ich jetzt eine Wahlkampfrede halte. Aufsichtsratswahlen sind aber kein Wahlkampf. Fakt ist: Es ist gelungen, den Vorstand der Commerzbank mit relativ jungen und hoch qualifizierten Managern zu besetzen, die das Unternehmen in einem schwierigen Umfeld auf Erfolgskurs bringen werden. Als Aufsichtsratsvorsitzender habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen die strategischen Entscheidungen des Vorstands konstruktiv begleitet. Aus meiner Zeit als Vorstandssprecher weiß ich, wie einsam es bei wichtigen Entscheidungen an der Spitze sein kann. Vorstandschef Martin Blessing weiß, dass er sich in solchen Situationen an mich wenden kann.

Der Kapitalmarkt dagegen vertraut Blessing und seiner Mannschaft offenbar nicht mehr. Selbst massiver Stellenabbau kann die Aktie der Commerzbank nicht beflügeln. Sollten Sie vielleicht ein paar Vorstände austauschen?

Müller: Ihrer Darstellung widerspreche ich ganz entschieden. Ohne Rückenwind von den Märkten hätten wir 2011 keine Kapitalerhöhung von elf Milliarden Euro hinbekommen – die höchste in der Nachkriegszeit. Das war nur möglich, weil der Kapitalmarkt Blessing und seinem Team vertraut. Durch dieses Mammutprojekt haben wir übrigens fast 90 Prozent der stillen Einlagen vorzeitig zurückgezahlt. Auch die zusätzlichen Kapitalanforderungen aus dem EBA-Stresstest hat die Bank ohne Weiteres erfüllt. Ein weiterer Erfolg des Vorstands um Martin Blessing.

Die wichtigsten Sparten der Commerzbank

Sie haben 2008 als Aufsichtsratschef den Kauf der Dresdner Bank durchgezogen, obwohl sich abzeichnete, dass dies existenzgefährdend für ihr Unternehmen sein würde.

Müller: Ich würde die Dresdner Bank heute wieder kaufen, denn die Fusion wird sich im historischen Rückblick als strategisch richtig für die Commerzbank erweisen. Es dauert allerdings länger als gedacht, bis die Übernahme sich voll auszahlt. Zugegeben: Der Zeitpunkt war im Nachhinein unglücklich. Die Finanzkrise kam für uns alle unerwartet und brachte  hohe Belastungen, die wir nicht vorhersehen konnten. Aber die Integration ist hervorragend gelaufen, wir haben viele Talente hinzugewonnen, bedienen heute 15 Millionen Privatkunden und haben mit der neuen Mittelstandsbank eine Perle im Konzern geschaffen.

Unter den Dresdnern waren aber auch Mitarbeiter, die Sie nicht haben wollten, weil sie nicht zur Unternehmenskultur der Commerzbank passten, bei der das Investmentbanking kein unkontrolliertes Eigenleben entfalten soll.

Müller: Richtig. Wir haben deshalb das übernommene Investmentbanking so weit abgeschmolzen, dass es zu unserem Geschäftsmodell passte. Unsere Investmentbanker verkaufen Finanzinstrumente zur Absicherung von Währungsrisiken, beraten bei Übernahmen, Börsengängen oder Anleiheemissionen. Bei der Entscheidung, keinen Eigenhandel zu betreiben, sind wir nach dem Kauf der Dresdner Bank geblieben. Rund zwei Drittel der Investmentbanker von Dresdner Kleinwort sind deshalb aus freien Stücken ausgeschieden.

Lehman-Pleite war nicht vorhersehbar

Wie gut ist die Nummer zwei der deutschen Bankenwelt?
Die Zentrale der Commerzbank in Frankfurt am Main Quelle: dpa
 Ein Containerschiff wird im Hamburger Hafen be- und entladen Quelle: dpa
Eine Auszubildende schraubt an einem Motor Quelle: dpa
Das Logo der Dresdner Bank vor dem Gebäude der Commerzbank Quelle: dpa
Anshu Jain, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Quelle: dpa
Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank AG zu Beginn der Hauptversammlung des Unternehmens Quelle: dpa
Der Kurswert der Commerzbank-Aktie am 9. Januar 2009 Quelle: AP

Hätten Sie mit der Akquisition damals nicht etwas warten sollen – die Finanzkrise zeichnete sich ja schon ab? Die Deutsche Bank hat die Postbank ja auch Schritt für Schritt übernommen statt alles auf einmal.

Müller: Es wäre unverantwortlich gegenüber unseren Aktionären gewesen, hätte ich die Lehman-Pleite vorausgeahnt und die Übernahme trotz dieses Wissens laufen lassen. Aber dieses Wissen fehlte damals. Außerdem läuft eine solche Transaktion nicht nach dem Motto „Wünsch Dir was“. Die Allianz wollte verkaufen, alles oder nichts, und hat nicht gefragt, ob wir das etwas früher machen wollen oder lieber etwas später. Wir mussten handeln, denn es gab auch noch andere ernsthafte Interessenten.

Jetzt haben Sie nach der Übernahme immer noch den Staat an Bord. War es das wert?

Müller: Ja, denn die Commerzbank hat heute doppelt so viel Eigenkapital und deutlich mehr Kunden wie vor der Fusion. Zudem haben wir unser internationales Geschäft beträchtlich ausgeweitet und wickeln jetzt 30 Prozent des deutschen Außenhandels ab. Die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen erzielt Rekordergebnisse, die Investmentbank ist profitabel.

Zugegeben, ihr Geschäft mit exportstarken deutschen Unternehmen läuft. Jedoch  muss die Commerzbank Staatsanleihen sowie notleidende Immobilienkredite aus der untergegangenen Eurohypo in Milliardenhöhe entsorgen, die Schiffsfinanzierung stellt sie komplett ein.

Müller: Beim Kauf der Eurohypo 2005 konnte sich keiner vorstellen, dass einmal Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von Mitgliedern der Eurozone entstehen würden. Doch 2011 mussten wir unsere Griechenlandanleihen plötzlich weitgehend abschreiben – kurz vorher hatte die Politik uns noch gebeten, unsere Bestände zu halten. Eine solche Entwicklung hat es zuvor nicht gegeben. Die Staatsschuldenkrise hat die Commerzbank stärker erwischt als andere Institute.

Machen Sie auch deshalb so lange weiter, um zu beweisen, dass Ihre strategischen Entscheidungen als Vorstands- und Aufsichtsratschef richtig waren?

Müller: Es läuft doch auch jetzt schon vieles gut, wie das Mittelstandsgeschäft oder die Investmentbank. Im Privatkundenbereich leiden wir genauso wie Sparkassen und Volksbanken unter den  niedrigen Zinsen. Alle Banken können die Einlagen ihrer Kunden derzeit kaum noch gewinnbringend anlegen, weil das Zinsniveau aufgrund der expansiven Geldpolitik auf einem Tiefpunkt ist.

Also müssen Sie vielleicht doch nicht so viele Jobs streichen wie derzeit geplant?

Müller: Vor den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern kann ich nichts zum Umfang des Stellenabbaus sagen. Der hängt auch davon ab, welche Reformen wir umsetzen können. Martin Blessing hat einmal treffend auf den Punkt gebracht, dass die Commerzbank mit ihren starren Öffnungszeiten selbst mancher Behörde noch hinterherhinkt. Wir müssen dringend kundenfreundlicher werden und auch am späteren Abend öffnen. Es gehört aber zur Kultur der Commerzbank, Stellenabbau sozialverträglich vorzunehmen. Mich würde sehr wundern, wenn das diesmal anders laufen sollte.

Große Nähe zu Mitarbeitern

Die Mitarbeiter mögen Sie, denn Sie pflegen als Fußballfan, Karnevalist und Bundeswehr-Reservist einen bodenständigen und volksnahen Stil. Martin Blessing dagegen, der ehemalige Unternehmensberater von McKinsey, wirkt manchmal kühl und technokratisch.

Müller: Es wäre doch erschreckend, wenn wir bei der Commerzbank Generation für Generation im einheitlichen Mao-Look auftreten würden. Außerdem bin ich vielleicht nicht ganz so volkstümlich, wie Sie es schildern – und ganz sicher ist Martin Blessing kein Technokrat. Aber er ist ein anderer Typ als ich und das ist auch gut so. Was er zum Beispiel viel besser als ich beherrscht, ist der Umgang mit den neuen Medien...

… also Blessing twittert lieber, während Sie gerade ein klassisches Interview geben?

Müller: ...ja, vielleicht. Aber Spaß bei Seite. Ich bin seit 42 Jahren bei der Commerzbank aktiv und konnte daher zahlreiche persönliche Kontakte in der Belegschaft knüpfen und eine große Nähe zu den Mitarbeitern aufbauen. In dieser Zeit haben wir viele Projekte auf den Weg gebracht, von denen Bank und Mitarbeiter profitieren. Ich denke da etwa an die Beurteilung von Vorgesetzten durch die Mitarbeiter, den Betriebskindergarten oder die Frauenförderung – schon als diese noch nicht in Mode war.

Jetzt sollen bis zu 6000 Stellen wegfallen, nachdem Sie wegen der Integration der Dresdner Bank bereits 9000 Jobs abgebaut haben. Können Sie das Ihren Mitarbeitern nicht ersparen?

Müller: Wir haben in bestimmten Bereichen für unsere Mitarbeiter keine Arbeit mehr und können nicht vernachlässigen, was sich auf dem Markt abspielt. Die Kunden suchen immer seltener Filialen auf, was für alle Banken gilt. Der technische Fortschritt ermöglicht den Kunden mobiles Banking zu jeder Tageszeit und den Banken effizienteres Arbeiten. In unserem Frankfurter Postzentrum etwa versenden wir täglich bis zu 60.000 Briefe, was mittlerweile nur eine Hand voll Mitarbeiter bewerkstelligt, statt zuvor knapp 80 Beschäftigte. Die Nachfrage nach Wertpapieren und Verbraucherkrediten ist auf einem Tiefstand, unsere Zins- und Provisionseinnahmen sind eingebrochen. Wenn ein Autohersteller keine Autos mehr verkauft, versteht jeder, dass Kapazität abgebaut werden muss. Bei Bankdienstleistungen ist das im Moment genauso.

Wie verhält sich eigentlich der Staat als großer Anteilseigner angesichts des Stellenabbaus?

Müller: Der Bund verhält sich wie ein professioneller institutioneller Investor.

Das heißt?

Müller: Der Bund ist mit zwei Mitgliedern im Aufsichtsrat vertreten, die genau hinschauen, was strategisch bei der Bank passiert. Aus der Geschäftsführung hält sich der Staat wie alle anderen Aktionäre aber ganz im Sinn guter Unternehmensführung heraus, obwohl er Großaktionär ist. Er beeinflusst nicht, wie viel Kredit wir an wen vergeben oder welche Personalpolitik wir betreiben. Nach dem Staatseinstieg hat sich für meine Arbeit als Aufsichtsrat nichts geändert. Übrigens ist auch der Politik klar, dass Beamte nicht die besseren Banker sind.

"Bei uns wird scharf gerechnet. Wir verschenken nichts."

Bad Banks in Deutschland und Europa
Laut einem Bericht der französischen Zeitung "Les Echos" sitzen die europäischen Bad Banks auf Schrottpapieren im Wert von mehr als 1.000 Milliarden Euro. Alleine die Bad Bank der belgisch-französischen Bank Dexia besäße faule Kredite und andere Giftpapiere im Wert von 266 Milliarden Euro – Rekord in Europa. Auch die französische Natixis halte immer noch faule Papiere im Wert von 13,5 Milliarden Euro. Doch nicht nur die französischen Bad Banks sitzen immer noch auf Müllbergen.... Quelle: AP
CommerzbankInterne Bad Bank: Portfolio Restructing UnitZum 30. September 2009 sammelte die Commerzbank 44 Milliarden Euro an Schrottpapieren in einer firmeninternen Bad Bank. 2012 schrumpfte das Portfolio der internen "Bad Bank" um 17 Prozent auf 151 Milliarden Euro. Dabei fokussierte sich die Commerzbank vor allem auf die gewerbliche Immobilien- und Staatsfinanzierung. Bis 2016 soll das Portfolio dieser Abbaueinheit NCA auf gut 90 Milliarden Euro abschmelzen - vorzugsweise wertschonend über Fälligkeiten, in Einzelfällen werden nach früheren Angaben durch den Verkauf von Papieren aber auch Verluste in Kauf genommen. In der Bad Bank lagert der Immobilien- und Staatsfinanzierer Eurohypo, inzwischen umbenannt in Hypothekenbank Frankfurt, sowie die Schiffsbank. Aus all diesen Geschäftsbereichen zieht sich die Commerzbank komplett zurück. Auch einige Uraltlasten aus der Investmentbank von der Finanzkrise 2008 sind dabei. Quelle: dpa
Hypo Real Estate - FMS WertmanagementDie Bad Bank der verstaatlichten Münchener Immobilien Bank besaß bei ihrer Gründung zum 1. Oktober 2010 Schrottpapiere im Wert von 175,6 Milliarden Euro. Zum 30. Juni 2011 hat sie den Bestand auf 160,5 Milliarden Euro reduziert. 2012 konnte die Abwicklungsbank FMS einen Überschuss von 37 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Trend hatte sich bereits im ersten Halbjahr abgezeichnet. So hatte das Institut unterstützt von anziehenden Finanzmärkten von Januar bis Juni seinen Verlust auf 50 (Vorjahreszeitraum: 689) Millionen Euro reduziert. Auch in der zweiten Jahreshälfte hatte sich die Erholung an den Finanzmärkten weitgehend fortgesetzt. Dadurch hätten sich die Altlasten um 38 Milliarden Euro reduziert, sagte ein Insider. Quelle: dapd
HSH NordbankEine interne Bad Bank kümmerte sich um die Altlasten der Landesbank von Hamburg und Schleswig Holstein. Am 31. Dezember 2010 startete der Finanzfriedhof mit 69 Milliarden Euro. 2012 haben die Schifffahrtskrise und hohe Gebühren für Staatsgarantien der HSH Nordbank Verluste eingebrockt. Wegen der Lasten durch drohende Kreditausfälle in der internen Bad Bank und steigender Garantiekosten geht die Landesbank 2013 von einem weiteren Fehlbetrag aus. Erst 2014 ist ein Lichtstreif am Horizont in Sicht. Dann will das seit Jahren kriselnde Institut dank weiterer Fortschritte im Kerngeschäft „ein deutlich positives Konzernergebnis“ erwirtschaften. Im abgelaufenen Jahr musste die HSH, die nach wie vor in der Schiffsfinanzierung führend ist, erneut viel Geld für drohende Kreditausfälle zurücklegen. Hinzu kamen 473 Millionen Euro an künftigen Gebühren für Garantien, die bereits jetzt in der Bilanz verbucht wurden. Der Vorsteuerverlust verringerte sich dennoch leicht auf 185 (Vorjahresminus: 206) Millionen Euro, weil es im Kerngeschäft bereits besser lief. Quelle: dpa
WestLBDie vom übrigen Institut abgespaltene Bad Bank "Portigon", vormals "Erste Abwicklungsanstalt EAA" bündelte zum 1. Januar 2010 Schrottpapiere im Wert von 77,5 Milliarden Euro. Nach zwei herben Verlustjahren konnte die Bad Bank 2012 einen Minigewinn erzielen. Dank der Erholung der US-Immobilienmarktes weist die Portigon einen Jahresüberschuss von 6,6 Millionen Euro aus. 2011 hatte der Schuldenschnitt für Griechenland zu einem Verlust der Bad Bank von 878 Millionen Euro geführt. Der Vorstand betonte, dass die Abwicklung der WestLB-Papiere schneller als geplant vorankomme. Seit ihrer Gründung vor gut drei Jahren habe die Bad Bank in mehreren Schritten Bestände in der Größenordnung von rund 200 Milliarden Euro übernommen. Abgewickelt wurden bereits Kredit- und Wertpapiere im Gesamtvolumen von 68 Milliarden Euro. Quelle: dpa
BayernLBDie Bayern tauften ihre interne Bad Bank Projekt Herkules. Ein passender Name. Mit 67,2 Milliarden Euro Finanzschrott startete das Projekt am 1. Juli 2009. Zum Jahresende 2011 waren es nur noch 27 Milliarden Euro. Der Freistaat haftet mit einer Garantie von 4,8 Milliarden Euro für Verluste durch strukturierte Altkredite aus der Finanzkrise. Bislang reichte der Eigenanteil der Bank in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, die Lasten der Vergangenheit aufzufangen. Davon ist jedoch bereits die Hälfte aufgebraucht. Die Landesbanker verwalten ihre 27 Milliarden Euro schwere Bad Bank intern in der eigenen Bilanz. Gut 40 Prozent davon entfallen auf sogenannte ABS-Papiere. Das sind gebündelte und verbriefte Kleinkredite, von denen keiner weiß, ob und in welchem Umfang die Schuldner sie zurückzahlen können. Quelle: dpa
Bank of Ireland - NAMADie irische Regierung gründete im September 2009 die erste Bad Bank in Europa - die National Asset Management Agency (NAMA) Sie übernahm faule Kredite im Wert von 47 Milliarden Euro. Irland erhielt eine Finanzspritze des IWF über 67,5 Milliarden Euro und Gelder aus dem EU-Rettungsschirm, um den Bankensektor zu stabilisieren. Übrig blieben nur zwei von fünf Banken - die Bank of Ireland und die Allied Irish Banks. Bis zum 31. März 2012 wurden Immobilienverkäufe im Wert von insgesamt acht Milliarden Euro genehmigt – 90 Prozent davon betrafen Objekte im Ausland. Eingenommen hatte die NAMA (Stand September 2011) bis dato allerdings nur 2,7 Milliarden Euro. Quelle: dapd

Auch zur aggressiven Werbung der Commerzbank in Form von Begrüßungsgeld für Neukunden und Abschiedsprämien für Unzufriedene sagt Berlin nichts?

Müller: Die EU-Wettbewerbsaufseher in Brüssel prüfen vierteljährlich, ob wir Staatsmittel für ruinösen Wettbewerb einsetzen. Es ist doch nicht so, dass wir einen Sack Steuergeld an unsere Kunden verteilen, wie es manche Vertreter konkurrierender Bankenverbände gern darstellen. Die Commerzbank hat im Privatkundengeschäft einen Marktanteil von sechs Prozent, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken kommen auf rund 80 Prozent. Seien Sie als Journalisten doch froh, dass endlich mal jemand den Markt aufmischt …

Was kostet das Lockprogramm?

Müller: Das hat sich der Aufsichtsrat von Privatkundenvorstand Martin Zielke vorrechnen lassen. Unterm Strich lohnt es sich. Ich freue mich über jeden Kunden, den wir für 50 Euro gewinnen, denn auf dem Weg der klassischen Werbung müssten wir rund 500 Euro für jeden neuen Kontakt ausgeben.

Rechnet sich das wirklich? Auch für das Lockprogramm müssen sie Werbekosten zahlen.

Müller: Bei uns wird scharf gerechnet. Seien Sie gewiss, wir verschenken nichts. Übrigens denke ich, dass sich die Leute nicht wegen der Begrüßungsprämie für die Commerzbank entscheiden, sondern weil sie uns für eine ordentliche Bank halten. Das Geld deckt ja in erster Linie die Kosten, die dem Kunden beim Kontowechsel entstehen. Eine Abschiedsprämie trauen wir uns auch deshalb zu bieten, weil wir überzeugt sind, so guten Service zu leisten, dass die Leute bei uns bleiben.

Der Branchenprimus Deutsche Bank unterzieht sich einem Kulturwandel. Braucht die Commerzbank diesen auch?

Müller: Natürlich ist nicht alles perfekt, aber die Commerzbank pflegt eine gute Kultur. Menschen, die bei uns anfangen oder von der Konkurrenz in unser Haus wechseln, bestätigen mir, dass hier eine gute Arbeitsatmosphäre herrscht. Unternehmenskultur ist ein Staffellauf über Generationen und lässt sich nicht mal eben über Nacht ändern wie der Anstrich eines Hauses. Zur Deutschen Bank möchte ich deshalb in aller Fairness sagen, dass der dortige Kulturwandel wohl seine Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir bei der Commerzbank haben den Eigenhandel schon 2005 gestoppt. Dadurch sind uns einige Exzesse erspart geblieben, die sich im Investmentbanking weltweit abgespielt haben.

Das sind die größten Banken Deutschlands

Wie viel der alten Dresdner-Bank-Kultur steckt noch in der Commerzbank?

Müller: Ich glaube, wir sind im Wesentlichen in der traditionellen Commerzbank-Kultur verblieben. Danach sollten Sie aber am besten die Mitarbeiter fragen. Mir gegenüber jedenfalls haben sich viele Ex-Dresdner-Banker sehr positiv über die Kultur unseres Hauses geäußert. Aus Mitarbeiterumfragen wissen wir, dass die Commerzbank als moderner und damit attraktiver wahrgenommen wird. Die Vorstände um Martin Blessing stehen für einen direkten, unkomplizierten und kompetenten Umgang. Das wird sehr positiv bei den Mitarbeitern aufgenommen.

Sie sind Mitglied der CDU und in Berlin bestens vernetzt. Hat sich das Verhältnis von Politikern zur Finanzwelt verändert?

Müller: Viele Politiker sind verärgert über die Banker, was ich verstehen kann, denn nicht alle aus dem Finanzsektor haben seit der Krise die nötigen Lehren gezogen. Die Mehrzahl der Unbelehrbaren sitzt aber eher in New York oder London als in Frankfurt und Zürich. Manches, was heute immer noch an angelsächsischen Börsenplätzen passiert, entspricht nicht unbedingt unseren Vorstellungen von Sozialer Marktwirtschaft. Andererseits sind aber auch manche Reaktionen der Politik überzogen.

Privatkundengeschäft muss profitabel gemacht werden

John F. Kennedy Quelle: dapd

Welche Vorbilder haben ihr Berufsleben geprägt?

Müller: Mir fällt es schwer, Ihnen ein konkretes Vorbild zu nennen. Geprägt hat mich mein Vater mit seinem Respekt vor der Würde des Menschen. Was mich sehr beeindruckt hat, ist eine Stelle aus dem Testament von Friedrich dem Großen, wonach der Mensch die Aufgabe hat, der Gesellschaft zu dienen. Der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy hat dieses Motto in moderner Form auf den Punkt gebracht, indem er seine Bürger aufforderte, sich zu fragen, was sie für ihr Land tun können und nicht, was ihr Land für sie tun kann.

Sie sind 2008 als Vorstandschef direkt an die Aufsichtsratsspitze gewechselt. Das ginge heute nur mit Genehmigung der Aktionäre oder nach zwei Jahren Wartezeit. Eine gute Regelung?

Müller: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich diese Vorschrift für populistisch und falsch halte. Ausbaden müssen das die Aktionäre. Für sie werden bald nur noch externe Vertreter im Aufsichtsrat sitzen, während die Arbeitnehmer durch Personen vertreten sind, die aus dem Unternehmen kommen oder sich schon lange mit diesem befassen und daher tiefe interne Detailkenntnisse besitzen.

Wenn Sie Wahlkampf für ihren Verbleib an der Aufsichtsratsspitze machen müssten: Welche Projekte planen sie für die kommenden fünf Jahre?

Müller: Ich finde es gut, dass im Aktienrecht kein polarisierender Wahlkampf vorgesehen ist. Aus Sicht des Aufsichtsrats ist entscheidend, dass der Vorstand die von ihm selbst gesetzten Ziele bis 2016 erreicht. Die wichtigsten Projekte der Commerzbank sind, das Privatkundengeschäft profitabel zu machen, die starke Stellung bei den Firmenkunden abzusichern und die Rolle des Investmentbankings als internationaler Nischenanbieter auszubauen.

Ist Martin Blessing jetzt ein Vorstandschef auf Bewährung? Oder berufen Sie sich auch wieder auf unvorhersehbare Umstände wie die Lehman-Pleite und die folgende Finanz- und Schuldenkrise, wenn er seine Ziele nicht erreicht?

Müller: Die Vokabel „auf Bewährung“ passt in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Aber eines ist klar: Wenn der Vorstand seine Ziele ohne sehr triftige Gründe verfehlt und die erwartete Leistung nicht bringt, muss der Aufsichtsrat handeln. Das ist ja ein ganz normaler Vorgang.

Aktionäre werfen Ihnen auf Hauptversammlungen Kapitalvernichtung vor. Ist der Aufsichtsrat für den niedrigen Aktienkurs verantwortlich?

Müller: Wir haben 2012 kein Kapital vernichtet und 2011 haben wir das Gewinnziel wegen der Abschreibung auf Staatsanleihen nicht erreicht. Zu meinen Zeiten als Vorstand gab es sogar Hedgefonds, denen die Kapitaldecke der Commerzbank mit 7,4 Prozent allen Ernstes zu dick war und die von mir gefordert haben, Aktien zurückzukaufen.

Was können Sie aufgrund Ihrer legendären politischen Kontakte im Sinne der Bank bewegen?

Müller: Die Bank wird nach innen und außen vom Vorstandsvorsitzenden vertreten, der für diese Aufgabe selbst bestens vernetzt ist. Wenn ich dies gelegentlich flankieren kann, tue ich das gerne. Wir ergänzen uns da sehr gut.

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