Commerzbank Deutsche Gesetze schlagen US-Justiz

Die Commerzbank hat Mitarbeiter entlassen, weil ein Vergleich mit der US-Justiz es ihr vorschrieb. Nun ist klar: so eine Kündigung ist in Deutschland nicht möglich, die Wünsche der US-Behörden bleiben unerfüllt. Gut so.

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Die Commerzbank hat ihre Klage fallengelassen. Quelle: dpa

Darf ein deutsches Unternehmen einen Mitarbeiter entlassen, nur weil es US-Richter so wollen? Was absurd klingt, sollte am Donnerstag eigentlich vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt werden. Fraglich war, ob die Commerzbank Mitarbeiter entlassen darf, nur weil ein mit US-Behörden geschlossener Vergleich es so vorschreibt. Bisher vertrat die Bank die Ansicht, sie sei durch die US-Justiz verpflichtet gewesen, dem Mitarbeiter zu kündigen, daran sei nicht zu ruckeln. Nun allerdings hat die Commerzbank ihre eigene Revisionsklage zurückgezogen, die Verhandlung ist abgesagt. Vielleicht, weil sie kaum Aussicht auf Erfolg hatte.

Schlimm genug, dass US-Behörden mit ihren strengen Gerichtsurteilen in deutsche Konzerne hineinregieren können. Das zeigt nicht nur der Fall Commerzbank. Auch nach Vergleichen mit VW, der Deutschen Bank und Bilfinger haben US-Gerichte Monitore installiert, um das Wohlverhalten der Konzerne zu kontrollieren. Die Unternehmen lassen das normalerweise klaglos zu, denn anderenfalls droht ihnen im schlimmsten Fall der Entzug der US-Lizenz.

Gegen das deutsche Arbeitsrecht sind nun aber auch die US-Richter machtlos. Gut so.  

Deutsche Unternehmen unter Aufsicht der US-Justiz

Anderenfalls müsste ja jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, dem in den USA ein Fehlverhalten unterstellt wird, um seinen Arbeitsplatz fürchten – selbst wenn er für das Fehlverhalten selber gar nicht direkt verantwortlich ist.

Was absurd klingt, ist Commerzbank-Mitarbeiter Lars Christiansen passiert.

Für Geschäfte mit iranischen Unternehmen, die den in den USA geltenden Sanktionen gegen das Land widersprachen, brummte die US-Justiz der Commerzbank 2015 im Rahmen eines Vergleichs eine Strafe von 1,45 Milliarden Dollar auf. Aber das entsprechende Gerichtsurteil, die sogenannte consent order, sah nicht nur eine Strafe vor.

Neben den Milliarden installierten die US-Richter einen externen Ordnungshüter. Seit März 2016 baut ein Berater von Alix Partners als Monitor nun ein System auf, das Verstößen auch nach US-Maßstäben ausreichend vorbeugt und deren Aufdeckung unterstützt. Gleichzeitig verlangte US-Richter Benjamin Lawsky von der Bank die Kündigung von vier Mitarbeitern, welche mit der Abwicklung der Iran-Geschäfte betraut waren. 

Einer davon war Lars Christiansen. Er arbeitete in Hamburg für die Bank und wickelte dort Zahlungsverkehr mit dem Iran ab – eben so, wie es sein Arbeitgeber von ihm verlangte. „Ich habe mich nie eines Vergehens strafbar gemacht“, sagt er.

von Harald Schumacher, Martin Seiwert, Saskia Littmann

Genau deshalb klagte er gegen die Bank auf Wiedereinstellung, gewann die ersten Instanzen. Einen Prozess vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt entschieden Christiansen und sein Anwalt Christian Kaiser für sich. Das LAG erklärte, eine sogenannte Druckkündigung sei hier nicht möglich. Die Voraussetzungen dafür seien „nicht erfüllt, wenn eine Aufsichtsmaßnahme eine Bestrafung bezwecke, die der Arbeitgeber umsetzen müsse“, teilte das LAG Hessen mit. Und die Bank?

Die Commerzbank räumte zwar sogar vor Gericht ein, durch die consent order unter erheblichem Druck von den US-Behörden zu stehen und gezwungen worden zu sein, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Genau deshalb konnte sie wohl auch nicht von ihrer ausgesprochenen Kündigung abrücken. Die Bank ging in Revision, das BAG sollte als letzte Instanz für Klarheit sorgen. Öffentlich behauptete die Bank sogar, Christiansen sei wegen „Fehlverhaltens“ entlassen worden. Offenbar verlangte das US-Urteil eine solche Äußerung.

Alle vorangehenden Versuche, sich zu vergleichen, scheiterten. Denn von ihrer Behauptung, bei Lars Christiansen wäre es zu einem Fehlverhalten gekommen, wollte die Bank nicht abrücken. Bizarr: gleichzeitig konnte man sich vorstellen, Christiansen wieder eine Stelle anzubieten.

Nun hat die Commerzbank die Klage doch noch fallengelassen. Über die Gründe für diesen Sinneswandel der Bank lässt sich nur spekulieren, die Commerzbank kommentiert das wie den gesamten Arbeitsrechtsprozess nicht. Ob es ein Fax der Erfurter Richter war, in dem diese schon vor Verhandlungsbeginn feststellten, dass die Bank wohl kaum Chancen hat? Möglich. Eigentlich ist das aber auch egal. Wichtig ist ja, dass in Deutschland deutsches Arbeitsrecht angewendet wird, und die Wünsche der US-Justiz ausnahmsweise mal unerfüllt bleiben.

 

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