Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Hessen laufen umfangreiche Ermittlungen gegen hunderte Banken und Finanzunternehmen, die den Staat mit Aktienverkäufen rund um den Dividendenstichtag übervorteilt haben sollen.
Was bei dem sogenannten Dividendenstripping oder den Cum-Ex- und Cum-Cum- genannten Geschäften wirklich passiert ist und wie sie funktionieren, verstehen im Detail nur wenige Experten.
Diese Experten lassen sich ihr Wissen teuer bezahlen, wenn sie komplizierte Gutachten für Banken und vermögende Mandanten schreiben, um Argumente für die rechtliche Durchführbarkeit solcher Steuergestaltungen zu liefern.
Die WirtschaftsWoche hat eine der Schlüsselfiguren in diesem Katz und Maus-Spiel mit dem Fiskus im Ausland aufgespürt, wo er sich aus Angst vor Strafverfolgung versteckt und deshalb seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will.
Katz und Maus-Spiel mit dem Finanzamt
Der Insider hat mit seinen in der Branche viel beachteten Gutachten die juristische Basis für das Dividendenstripping gelegt. Deshalb sind die Finanzbehörden wegen angeblicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinter ihm her. Bevor er als Berater tätig wurde, hat er als Finanzbeamter Betriebsprüfungen bei großen Banken durchgeführt und kennt daher die Finanzverwaltung auch von innen.
Im anonymisierten Interview mit der WirtschaftsWoche macht er den Ministerien und Behörden schwere Vorwürfe. Ihr Vorgehen in Sachen Dividendenstripping widerspreche dem Prinzip des Rechtsstaats, wonach es keine Strafe ohne Gesetz geben darf. Seine Argumente lassen die Staatsorgane an manchen Stellen schlecht aussehen.
Banken und vermögende Anleger sollen den Fiskus mit komplizierten Aktiendeals um Milliarden geprellt haben. Schlägt der Staat jetzt zurück?
Jemanden prellen heißt, etwas Illegales zu tun, zum Beispiel seine Rechnung im Restaurant nicht zu zahlen. Das ist hier aber nicht passiert, deshalb ist Ihre Frage falsch gestellt.
Soll es etwa legal sein, sich mehr Steuer erstatten zu lassen, als man zahlen musste, worin letztlich der Gewinn beim Dividendenstripping bestand?
Das steht nicht im Widerspruch zu den damals geltenden Gesetzen. Ich versuche, es möglichst einfach und plakativ zu erklären. So heißt es im Jahressteuergesetz für 2007 in einer Bundestagsdrucksache, dass auch der Erwerber einer Aktie das Guthaben für die von der Dividende abgezogene Kapitalertragsteuer erhält. Deshalb frage ich mich, wie die Finanzbehörden auf die Idee kommen, diese Anrechnung zu versagen und nachträglich Steuererstattungen einzufordern. Es widerspricht dem Prinzip des Rechtsstaats, wenn Staatsorgane sich nicht an geltendes Recht und an das halten, was der oberste Souverän des deutschen Staates, also der Bundestag, gesagt hat.