WirtschaftsWoche: Politik, Bürger und Investoren sorgen sich um die beiden größten deutschen Banken. Sind die Kursabstürze gerechtfertigt?
Dieter Hein: Deutsche Bank und Commerzbank haben beide ein Strukturproblem, sprich, ein falscher Fokus des Geschäfts und ein unpassendes Management.
Wo liegen die Probleme?
Die Deutsche Bank leidet unter der Dominanz ihres Investmentbankings. Dessen Vorherrschaft im Konzern ist ungebrochen, obwohl sich schon 2012 abzeichnete, dass dieses Geschäftsfeld unprofitabel ist und unkalkulierbare Risiken verursacht. Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Bank sieben Milliarden Euro Verlust gemacht. Gleichzeitig hat sie zwei Milliarden Euro Boni ausgeschüttet – hauptsächlich an Investmentbanker. So wird Kapital vernichtet. Seit 2008 hat die Deutsche Bank über Kapitalerhöhungen 25 Milliarden Euro an der Börse eingesammelt. Momentan ist sie nur noch 15 Milliarden Euro wert.
Die Commerzbank dagegen hat das riskante Investmentbanking radikal gekürzt, trotzdem hat auch sie Probleme.
Richtig. Aber das Muster gleicht dem der Deutschen Bank. Auch bei der Commerzbank sind Manager und Aufsichtsräte an Bord geblieben, obwohl sie falsche Entscheidungen getroffen haben. Sie stand 2008 vor der Pleite, drei Monate nach dem Kauf der Dresdner Bank. Seither wird alle vier Jahre ein neues Restrukturierungsprogramm ausgerufen. 2009 zunächst die Roadmap 2012, danach neue Ziele bis 2016 und jetzt hören wir Berichte über groß angelegte Stellenstreichungen.
Bei Deutscher Bank und Commerzbank sind doch nun neue Chefs im Amt.
John Cryan bei der Deutschen Bank stammt aus dem Investmentbanking. Er ist deshalb nicht der Richtige für einen Umbau und setzt die fehlgeschlagene Strategie seiner Vorgänger fort. Statt das skandalträchtige und teure Investmentbanking abzuschaffen, will er jetzt die Postbank verkaufen, die für die Probleme des Unternehmens überhaupt nicht verantwortlich ist.
Und der neue Commerzbank-Chef Martin Zielke?
Er ist ein Getreuer aus dem Umfeld seines Vorgängers Martin Blessing. Aber vielleicht kann er sich davon befreien. Beim ihm ist es noch zu früh für ein Urteil.
Gegen die niedrigen Zinsen kann auch er nichts machen.
Die niedrigen Zinsen sind ein beliebtes Argument von Bankern, um die Probleme ihrer Unternehmen auf die Geldpolitik der Notenbanken zu schieben. In den Geschäftszahlen beider Großbanken kann ich – jedenfalls gemessen an den stark sinkenden Bilanzsummen – keine sinkenden Zinsüberschüsse erkennen.
Wäre eine Fusion beider Großbanken eine Lösung der Probleme?
Nein. Beide haben bei Transaktionen in der Vergangenheit bewiesen, dass sie nicht mit anderen Unternehmen erfolgreich fusionieren können. Die Commerzbank hat sich mit der Übernahme des Staatsfinanzierers Eurohypo verschluckt und geriet drei Monate nach dem Kauf der Dresdner Bank an den Rand des Zusammenbruchs. Die Deutsche Bank hingegen hat sich erst für die Postbank-Übernahme gefeiert und will sie jetzt wieder loswerden.
Haben Sie eine Erklärung für diese Fehlentscheidungen?
Das Grundproblem besteht darin, dass die Aufsichtsräte ihrer Kontrollfunktion nicht nachkommen. Ihnen fehlt entweder die Qualifikation oder sie sind zu eng mit dem Management verbandelt. Der Gesetzgeber sollte strengere Anforderungen an Aufsichtsräte durchsetzen.
Wo bleibt der Aufstand der Aktionäre?
Der bleibt aus, weil einflussreiche Ankerinvestoren fehlen. Die Kleinaktionäre stimmen mit den Füßen ab. Großinvestoren sollten mehr Vorschläge auf den Hauptversammlungen machen und eine aktivere Rolle spielen.