Attraktiver kann eine Bankfiliale kaum gelegen sein: Die Stammbelegschaft der Berliner Volksbank genießt nahe der Shoppingmeile am Kurfürstendamm den Blick auf das Raubtiergehege im Tiergarten gegenüber. Weniger idyllisch residieren ihre 330 Ex-Kollegen in einer Servicegesellschaft, die seit rund vier Jahren in einem schäbigen Bürocenter am Flughafen Tegel Sicherheiten für die in den Filialen vergebenen Kredite erfassen oder Grundbucheinträge veranlassen.
Das sind die größten Banken Europas
Barclays (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 36,1 Milliarden Euro
Deutsche Bank (Deutschland) - Marktkapitalisierung (2011): 36,1 Milliarden Euro
Royal Bank of Scotland (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 36,6 Milliarden Euro
UBS (Schweiz) - Marktkapitalisierung (2011): 41,3 Milliarden Euro
BNP Paribas (Frankreich) - Marktkapitalisierung (2011): 45,4 Milliarden Euro
Standard Chartered (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 45,5 Milliarden Euro
Allied Irish Banks (Irland) - Marktkapitalisierung (2011): 48,8 Milliarden Euro
Banco Santander (Spanien) - Marktkapitalisierung (2011): 54,3 Milliarden Euro
Sberbank (Russland) - Marktkapitalisierung (2011): 55,9 Milliarden Euro
HSBC Holdings (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 120,8 Milliarden Euro
Die Auslagerung von Aufgaben und Jobs in der Finanzbranche nimmt zu, weil der Kostendruck durch das immer niedrigere Zinsniveau und die strengere Regulierung steigt. „Banken reagieren mit Personalabbau, bei dem Stellen gestrichen oder in Servicegesellschaften ausgelagert werden“, sagt Reinhard Messenböck, Partner und Experte für Retailbanking bei der Beratung Boston Consulting Group (BCG) in Berlin.
Billiger, weil spezialisiert
„Die Finanzinstitute setzen angesichts sinkender Erträge im Privatkundengeschäft stärker auf Industrialisierung“, beobachtet Jürgen Moormann, Professor an der Frankfurt School of Finance. Bankeigene Servicetöchter oder Fremdanbieter halten Zahlungsverkehr, Wertpapiergeschäft oder Kreditabwicklung laut Moormann viel günstiger am Laufen: nicht nur wegen der niedrigeren Löhne, sondern weil sie sich aufs Massengeschäft spezialisiert haben.
Wie viel deutsche Banken insgesamt auslagern, ist nicht mit Zahlen belegt. Der Trend lässt sich aber deutlich ablesen:
- So streicht die Commerzbank 5200 Stellen bis 2016, während ihre Servicetöchter zusätzliche Tätigkeiten übernehmen und ihre niedriger entlohnten Belegschaften aufstocken (siehe Interview im Kasten auf dieser Seite).
- Die Deutsche Bank hat im April 10.000 Servicemitarbeiter aus den eigenen Reihen und der übernommenen Postbank in einer Dienstleistungsgesellschaft gebündelt, um dank einheitlicher Standards und geringerer Personalkosten jährlich 770 Millionen Euro zu sparen. Der Kündigungsschutz gilt nur bis Ende 2014.
- Die HypoVereinsbank hat im Sommer 2013 ihre Rechenzentren mit rund 300 Mitarbeitern in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem IT-Riesen IBM ausgelagert. Der Schritt ist Teil eines groß angelegten Verlagerungsprojekts der italienischen HVB-Mutter UniCredit, die von der IBM-Expertise profitieren will. Sie spart aber auch Geld, weil Aufgaben künftig teilweise an billigeren Standorten in der Slowakei oder Tschechien erledigt werden.
Internationale Wettbewerber machen den deutschen Banken vor, wie weit sich das treiben lässt: Nach einer Untersuchung der Daten von zehn global agierenden Banken durch die US-Beratung McLagan haben diese im Durchschnitt fast 40 Prozent ihrer Belegschaften an Standorte mit besonders niedrigen Löhnen ausgelagert. Doch welche Folgen hat das Verschieben für Banken, Mitarbeiter und Kunden?
Die Kreditinstitute sparen dank dieser Maßnahmen nicht nur Geld. Sie können dem Personal in den Servicetöchtern zudem leichter kündigen und flexiblere Arbeitszeiten vereinbaren. Durch die Spaltung der Belegschaft in zwei Klassen erhöhen die Arbeitgeber zudem den Druck auf die Stammbeschäftigten, um diese bei den im Mai gestarteten Tarifverhandlungen zu Zugeständnissen zu bewegen – etwa den Samstag als Normalarbeitstag einzuführen. „Die Drohung weiterer Tarifflucht schwingt immer mit“, sagt Mark Roach, Banken-Experte bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Schlechtere Konditionen, weniger Gehalt
Die Servicetochter der Berliner Volksbank etwa bezahlt Altbeschäftigte weiter nach Tarif. Aber für Neuankömmlinge werden meist schlechtere Konditionen mit weniger Gehalt und Urlaub vereinbart. Zudem sind betriebsbedingte Kündigungen laut Arbeitnehmervertretern nun einfacher, denn die Mutterbank muss dafür nur den Umfang der Aufträge reduzieren.
Wie sich der steigende Druck auf die Mitarbeiter äußert, lässt sich bei einer der größten Finanzfabriken des Landes beobachten. Diese trägt den schmucklosen Namen BCB Betriebs-Center für Banken und sitzt in einem ebenso schmucklosen Bürokomplex hinter dem Frankfurter Hauptfriedhof. 2004 von der Postbank ausgegründet, gehört die Servicetochter nach der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank 2010 nun zum Branchenprimus. Die deutschlandweit 2200 BCB-Mitarbeiter halten den Zahlungsverkehr für Deutsche Bank und Postbank am Laufen, aber auch für die Konkurrenten HypoVereinsbank und HSH Nordbank.
Zweiklassen-Gesellschaft im Büro
Die BCBler checken jeden Morgen an der Stechuhr ein, und die macht einen kleinen, aber feinen Unterschied, der zeigt, wie der Ablauf in den Servicetöchtern auf Effizienz getrimmt wird. Den Mitarbeitern knappst der Arbeitgeber seit 2011 täglich zehn Minuten der erfassten Zeit ab, weil er den Weg zwischen den Stempelstellen an den Eingängen und in der Tiefgarage nicht mehr als Arbeitszeit anerkennt. Gewerkschaft und Arbeitnehmer müssen die Kröte schlucken, weil sonst längere Arbeitszeiten und Urlaubsabzug drohen.
Noch feiern die Gewerkschaften den Schritt als Kompromiss, weil die Deutsche Bank bis Ende des Jahres auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet und bis Ende 2016 Standortgarantien ausgesprochen hat. Doch der Weg in die Zwei-Klassen-Gesellschaft für die Belegschaft ist beschritten, denn den gewünschten Spareffekt erreichen die Banken nicht allein mit Nadelstichen wie der Zehn-Minuten-Minusbuchung, sondern auch durch die Übertragung des Fließbandprinzips aus der Industrieproduktion auf den Finanzsektor.
„In den Servicefabriken zerhacken die Banken die Aufgaben in so kleine Teile, dass sie immer weniger Qualifikation und Verantwortung erfordern“, sagt Verdi-Mann Roach. Die Beschäftigten lassen sich mit dieser Methode auf niedrigeren Gehaltsstufen eingruppieren.
Frei vom Bankentarif sind die Servicetöchter der Commerzbank, die sich in strukturschwachen Regionen wie dem Ruhrgebiet oder in Ostdeutschland angesiedelt haben. Mit vielen der dortigen Mitarbeiter sind flexible Arbeitsverträge vereinbart, bei denen die Regelzeit von 35 Stunden je Woche um bis zu 25 Prozent überschritten werden kann – je nach Arbeitsanfall.
Besserer Service für die Kunden
Die Kunden profitieren vom Auslagern durch besseren Service. So sind Hotlines wegen flexiblerer Arbeitszeiten rund um die Uhr erreichbar. Und Anfragen über soziale Netzwerke an die lokale Bank wie in der Sparkassen-Gruppe können schneller von einer extra dafür zuständigen Tochter beantwortet werden. Kostenlose Girokonten, wie sie etwa die Commerzbank anbietet, rechnen sich nur, wenn die Maschinenräume im Hintergrund effizient laufen. Und das tun sie am billigsten bei den Servicetöchtern oder Spezialanbietern etwa für Wertpapierdienste.
Der Finanzaufsicht BaFin in Bonn ist der Trend zum verstärkten Zentralisieren und Auslagern nicht verborgen geblieben. Denn Banken lagern nicht nur konzernintern Dienstleistungen aus, sondern vergeben auch zuvor selbst erledigte Aufgaben an Fremdfirmen. Was die Aufseher sorgt: Von deren potenziellem Ausfall wäre dann gleich ein Großteil der Branche betroffen.
Als HypoVereinsbank und HSH Nordbank ihre Maschinenräume an die damalige Postbank-Tochter BCB auslagerten, ahnten sie nicht, dass diese später übernommen würde. Jetzt hängen die Münchner und die Landesbanker aus dem Norden von dem großen Konkurrenten Deutsche Bank ab.
Nachteile von Fremdfirmen
Die Auslagerung an Fremdfirmen hat noch andere Nachteile. So müssen sich HSH und HVB den Preisvorteil der Auslagerung mit der Deutschen Bank teilen und Umsatzsteuer zahlen, die sie als Bank nicht vom Finanzamt erstattet bekommen. Hinzu kommt: „Die Banken geben damit Kontrolle auf und müssen gleichzeitig teure Schnittstellen für die IT einrichten“, sagt BCG-Berater Messenböck. Diese Kosten verringern die Ersparnis beträchtlich.
Die Commerzbank hat daher nach der Übernahme der Dresdner Bank 2008 ihren Wertpapierservice von der großen Frankfurter Dienstleisterin dwp Bank zurückgeholt. Sie spart daher verstärkt im eigenen Haus, wobei die Löhne nicht die einzige, aber eine wichtige Stellschraube sind.
Laut Arbeitnehmervertretern verdienten viele Mitarbeiter in den Servicegesellschaften mit 7,50 Euro je Stunde und Teilzeitverträgen anfangs so schlecht, dass sie ihre Löhne mit Zuschüssen der Arbeitsagentur aufstocken mussten. Die Arbeitnehmerseite soll dies im Aufsichtsrat zur Sprache gebracht haben, wonach im Frühjahr 2013 ein Stundenlohn von 8,49 Euro eingeführt worden sei.
Die Commerzbank widerspricht dieser Darstellung: "Die Stundenlöhne sind höher und wir haben diese in der Vergangenheit mehrfach von uns aus angehoben. Seit der letzten Erhöhung 2012 liegen wir auch beim Einstiegsgehalt über dem diskutierten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50."