Obwohl sich der Börsenkurs zuletzt etwas erholt hat, reißen die Spekulationen um die Deutsche Bank nicht ab. Ist die Bank so schwach, dass sie Hilfe von außen benötigt? Muss sie ihre Vermögensverwaltung ganz oder teilweise an die Börse bringen oder verkaufen? Springen andere Finanzkonzerne wie Allianz und Münchener Rück ein, indem sie der Bank Vermögenswerte abnehmen? Beteiligen sich gar andere Dax-Konzerne in einer konzertierten Aktion an dem angeschlagenen Geldhaus, wie das Handelsblatt berichtet? Muss allen Dementis zum Trotz am Ende doch der Staat ran?
Ausgelöst hat all diese Spekulationen eine Forderung des amerikanischen Justizministeriums. Wegen zweifelhafter Geschäfte mit verbrieften Immobilien vor der Finanzkrise fordern die Beamten von der Deutschen Bank umgerechnet 12,5 Milliarden Euro. Sollten sie von dieser Summe nicht abrücken, wäre die Bank tatsächlich existenziell getroffen. Ihre Kapitalbasis würde unter den von den Aufsehern festgelegten Mindestwert fallen, sie müsste Rettungsmaßnahmen ergreifen und würde im schlimmsten Fall sogar abgewickelt.
Für die Deutsche Bank ist es also lebensnotwendig, diese Summe zu drücken. Erst wenn eine Einigung steht, wird die Unruhe verstummen.
Strafmaß kühl kalkuliert
Wie realistisch ihre Chancen sind, lässt sich schwer abschätzen. Vor allem von Deutschland aus sieht es so aus, als ob die Zahlungen in den USA wie auf dem Basar ausgehandelt werden und vor allem von politischen Erwägungen abhängen. Eine deutliche Reduktion der Forderung müsste demnach quasi automatisch erfolgen. Das legen auch die Beispiele einiger Wettbewerber nahe, die deutlich glimpflicher davon kamen als ursprünglich gedacht.
Ganz so einfach ist das aber nicht. Denn die Forderung des Justizministeriums kommt nicht aus dem Nichts. Sie ist nicht das Ergebnis staatlicher Willkür, sondern von intensiven Untersuchungen, Gesprächen und Berechnungen. Ihre Grundlage sind sogenannte „Sentencing Guidelines“, die detailliert festlegen, wie Fehlverhalten zu ahnden ist. Wichtigster Faktor ist dabei der tatsächlich angerichtete Schaden und der dadurch erzielte Profit. Daneben fließen Faktoren wie das Ausmaß des Fehlverhaltens, der Wille zur Wiedergutmachung und die Kooperationsbereitschaft mit den Behörden in die Berechnung ein.
Damit gibt es durchaus Verhandlungsspielraum. Die Bank muss die Beamten überzeugen, dass sie ihre Prozesse besser im Griff und sich weniger zu Schulden hat kommen lassen, als von den Beamten angenommen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, Experten halten eine Reduktion der Strafe für wahrscheinlich. Allein der Hinweis darauf, dass sie sich die Strafe nicht leisten kann, dürfte als Argument aber nicht reichen, auch wenn Experten vermuten, dass das Justizministerium schon aus Rücksicht auf deren enge Verflechtungen mit den USA die Bank nicht in die Pleite treiben wird. Allerdings wird sich das Ministerium kurz vor der Präsidentenwahl auch keine übertriebene Milde vorwerfen lassen wollen.
Schmerzhafte Strafe zu erwarten
Zuletzt hieß es, dass sich auch die deutsche Regierung in die Gespräche eingeschaltet habe. Allzu offensive politische Interventionen von deutscher Seite wären jedoch eine durchaus heikle Sache. Als die französische Großbank BNP Paribas ihre Strafe wegen Verstößen gegen US-Embargo-Vorschriften verhandelte, legte sich die Regierung ordentlich für das Institut ins Zeug. Mit dem Ergebnis, dass die Bank eine unerwartet hohe Strafe von knapp zehn Milliarden Euro zahlen musste.
Analysten gehen nahezu einhellig von einer zwar schmerzhaften, aber nicht existenzgefährdenden Strafe aus. Bei ihren Berechnungen stützen sie sich allerdings allein auf den Marktanteil der Bank bei den zweifelhaften Geschäften. Der ist nicht mehr als ein Indikator. Wie wenig aussagekräftig dieser für sich allein ist, zeigt eine Studie der Ratingagentur Moody’s. Danach zahlten die US-Banken, die sich bereits verglichen haben, zwischen zwei und acht Millionen Dollar für einen Basispunkt Marktanteil. Selbst im Maximalszenario kommen die Moody’s-Analysten für die Deutsche Bank auf dieser Grundlage auf einen Schadenersatz von umgerechnet fünf Milliarden Euro.
Dass solche Schätzungen ins Leere gehen können, hat ein anderes Verfahren der Deutschen Bank gezeigt. Die Strafe für die Manipulation des Referenzzinses Libor fiel im Frühjahr 2015 deutlich höher aus als allgemein erwartet. Sie war allerdings weit davon entfernt, existenzbedrohend zu sein.
Vermutlich hat die Deutsche Bank etwa die Hälfte ihrer Rückstellungen von aktuell 5,5 Milliarden Euro für das US-Verfahren reserviert. Damit könnte sie sich eine Strafe von um die acht Milliarden Euro leisten, ohne dass ihre Kapitalquote unter das regulatorische Mindestmaß fällt. Höher dürfte die Strafe wohl kaum ausfallen.
In jedem Fall ein Rückschlag für die Deutsche Bank
Allerdings ist jede weitere Schwächung der Kapitalbasis für die Bank ein herber Rückschlag. Je näher sie in die Nähe des regulatorischen Mindestmaßes gerät, desto anfälliger wird sie, desto mehr leidet das Vertrauen der Kunden. Und desto schwieriger gestaltet sich die Zukunft. Die Kapitalanforderungen werden sich in den kommenden Jahren nochmals deutlich verschärfen. Auch ohne große Sondereffekte zweifeln Investoren längst daran, dass die Bank die erforderliche Schwelle aus eigener Kraft überschreiten kann.
Deshalb gehen Investoren und Analysten davon aus, dass Cryan auf Dauer nicht ohne Kapitalerhöhung auskommt. Angeblich soll es aktuell Gespräche mit Wall-Street-Banken geben. Der Zeitpunkt wäre allerdings ungünstig. Die Aktie ist so tief gefallen, dass der Erlös eines solchen Schritts in einem schlechten Verhältnis zu dessen Ertrag steht. Deutlich besser sähe es vermutlich nach einer Einigung mit dem Justizministerium aus. Bis dahin muss die Bank dann aber mit der gefährlichen Unsicherheit leben.