Ob er sie seinem Nachfolger überlassen wollte? Das Ende der Ära Ackermann war geprägt von einem beispiellosen Machtkampf mit dem damaligen Aufsichtsratschef Clemens Börsig. Ackermann hätte gerne den damaligen Bundesbankchef Axel Weber an der Spitze der Bank gesehen. Die Vorbehalte in der Bank waren gewaltig und es ist müßig zu fragen, ob Weber die bessere Wahl gewesen wäre. Vielleicht hätte seine Nähe zu den globalen Regulatoren einige folgenschwere Fehleinschätzungen verhindert. Und ganz sicher wäre seine persönliche Integrität weniger kritisch hinterfragt worden als die Anshu Jains, den Börsig dann gemeinsam mit Jürgen Fitschen an die Spitze der Bank setzte.
Von Anfang an musste Jain als früherer Leiter des Investmentbankings gegen gewaltiges Misstrauen ankämpfen. Das wuchs umso mehr, je mehr Skandale aufgedeckt wurden. Da half es wenig, dass Jain kräftig das Gesicht verzog, wenn er erklärte, wie sehr ihn die Libor-Affäre anwidere. Seine Glaubwürdigkeit war und blieb angeschlagen. Und das durchaus zu recht, wie sich erst spät herausstellte. So monierten Aufsichtsbehörden, dass die Bank bei der Aufklärung der Skandale keinesfalls so willig kooperierte, wie sie öffentlich verkündete. Die Hinhaltetaktik zahlte sich nicht aus, im Gegenteil: Für die Manipulation des Libors musste die Bank die bisher mit Abstand höchste Strafe zahlen.
Die ist allerdings kaum ausschlaggebend für die aktuelle Schwäche der Bank. Jains größte Fehler fanden in der Ausrichtung des Geschäfts statt. Er und Fitschen setzten darauf, dass die Bank anders als Wettbewerber ohne tiefe Einschnitte auskommen und davon mittelfristig profitieren würde. Als erfahrener Händler wettete Jain auf ein Comeback des Markts für festverzinsliche Papiere, auf dem die Deutsche Bank zu den wichtigsten Adressen zählte. Hier sollte sie Marktanteile gewinnen, das reichlich sprudelnde Geld würde reichen, um die Altlasten abzubauen.
Die Rechnung ist nicht aufgegangen, die Bank muss diese Schnitte nun nachholen. Sie fallen umso härter aus, weil Jain auch darauf setzte, dass der Eifer der Regulierer erlahmen würde. Stattdessen führten diese die sogenannte Leverage Ratio ein, die für Großbanken auch noch deutlich härter ausgefallen ist als erwartet. Die Deutsche Bank ist von ihr besonders hart getroffen, sie ist vor allem verantwortlich für die aktuelle Schrumpfkur.
Es wäre leicht, die gesamte Ära Jain als verlorene Zeit abzutun. Doch es gab auch bescheidene Erfolge: Immerhin gelangen der Bank zwei große Kapitalerhöhungen, ohne diese stünde sie noch wesentlich schlechter da. Allerdings wurde das Geld nicht wie angekündigt für Wachstum investiert, sondern ging vor allem für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten drauf. Entsprechend erschüttert ist das Vertrauen der Investoren.
Für Cryan wird es schwer, dieses wieder zu gewinnen. Die immer noch immensen Rechtsrisiken haben Zweifel aufkommen lassen, dass die Bank ohne weitere Kapitalerhöhung auskommt. Ob der Börsengang der Postbank in diesem Jahr wie geplant gelingt, ist ebenfalls offen. Was derzeit aber vor allem fehlt, ist eine überzeugende Perspektive. Mit der einstigen Größe ist es vorbei, die Ansprüche müssen deutlich schrumpfen. Aber was kommt dann? Cryan muss Antworten geben, die in die Zukunft weisen und sich nicht in einem bloßen „So-nicht-mehr“ erschöpfen. Einfach sind die ganz sicher nicht zu finden. Und es ist allenfalls ein schwacher Trost, dass die Bank nun nahe am Tiefpunkt angekommen scheint. Von dem aus kann es besser werden. Es muss aber nicht.