Zu den größten Ängsten deutscher Top-Manager gehört es derzeit, den Megatrend der Digitalisierung zu unterschätzen oder gar zu verpennen. Damit der Verdacht gar nicht erst aufkommt, sind Dienstreisen ins Silicon Valley schwer angesagt. Und so machte sich kürzlich auch eine Abordnung der Deutschen Bank auf den Weg in Amerikas gelobten Westen, um zu schauen, was sich da so tut. Was sie zu sehen bekamen, hatten sie geahnt, beeindruckte sie aber trotzdem: „Da entstehen nicht nur neue Technologien, sondern neue Wettbewerber“, sagt ein Teilnehmer.
Stefan Krause, der bei dem Ausflug als eine Art Reiseleiter fungierte, wird den Erkenntnisgewinn mit Genugtuung registriert haben. Schließlich liefert er weitere Argumente dafür, dass es bei Deutschlands größter Bank nicht so weiterlaufen kann. Es soll ein Umbruch her, und für den ist der 52-Jährige offiziell zuständig, seit er im Oktober zusätzlich zu seinem Job als Finanzchef das neue Ressort für Strategie übernommen hat. Von Mai an wird er sich ausschließlich darum kümmern.
Es ist ein Posten, den es in deutschen Chefetagen so sonst nicht gibt. Und der deshalb erst mal viele Fragen aufgeworfen hat. Als Aufsichtsratschef Paul Achleitner ankündigte, Krause als Finanzchef durch den Goldman-Sachs-Manager Marcus Schenck zu ersetzen, hielten etliche in der Bank das für eine Entmachtung. Da half es wenig, dass umgehend verlautete, dass der Wechsel seit Monaten geplant und von Krause selbst angestoßen sei. Die Aufgabe klang nach endlosen Meetings, Präsentationen – und wenig Substanz.
Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank
Der frühere Allianzvorstand steht seit 2012 an der Spitze des Aufsichtsrats. Er hat den aktuellen Strategieprozess angestoßen und erklärt, dass es „keine Denkverbote“ gibt.
Der Verdi-Chef ist zum Schrecken vieler Deutschbanker 2013 in das Gremium eingezogen. Seine Machtbasis ist die Postbank, wo die Gewerkschaft stark vertreten ist. Ein Verkauf allein des Bonner Instituts würde die Position von Verdi in der Deutschen Bank schwächen.
Der Brite war früher Topmanager bei der Schweizer UBS . Er ist ein kritischer Kontrolleur vor allem von Co-Chef Anshu Jain, grundsätzlich aber dem Investmentbanking zugeneigt.
Die US-Amerikanerin war Finanzchefin bei JP Morgan. Die Schwäche der Deutschen Bank ist aus ihrer Perspektive offensichtlich.
Die Chefin des britischen Vermögensverwalters Alliance Trust rückte 2011 als erste Frau auf der Kapitalseite in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
Der Betriebsratsvorsitzende der Postbank wird auf eine möglichst schonende Behandlung des Bonner Instituts Wert legen. Dessen beschäftigte streiken gerade, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit rekordverdächtigen 46 Jahren bei der Deutschen Bank und gilt als bedächtige Integrationsfigur – auch im Lager der nicht einheitlich auftretenden Arbeitnehmer. Für ihn zählt vor allem, dass möglichst wenige Arbeitsplätze wegfallen.
Der frühere SAP-Chef ist bereits seit 15 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums und hat dort alle strategischen Wenden und Kehrtwenden mitgemacht.
Die unabhängige Arbeitnehmervertreterin ist seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Gewählt ist sie über die Deutsche Bank, für deren Interessen wird sie sich einsetzen.
Der frühere Siemens-Chef ist ein enger Vertrauter von Aufsichtsratschef Achleitner, in München teilt er sich mit ihm sogar ein Büro. Er wird Achleitners Präferenzen folgen.
Der Chef der kleinen Gewerkschaft DBV wird vermutlich die Lösung präferieren, die die wenigsten Arbeitsplätze kostet. Die DBV ist in der Deutschen Bank stärker, anders als seine Verdi-Kollegen geht es ihm dann nicht vor allem um die Postbank.
Der Eon-Chef kennt die Situation, dass ein Unternehmen durch politische Vorgaben umgebaut werden muss, aus seinem eigenen Konzern bestens. Er wird darauf achten, dass die Deutsche Bank auch künftig für deutsche Großunternehmen da ist.
Der Rechtsanwalt ist ein enger Vertrauter von Paul Achleitner. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses muss er sich heute nicht nur mit der künftigen Strategie der Bank, sondern auch mit den Folgen des Libor-Vergleichs und des betrügerischen Handels mit CO2-Zertifikaten beschäftigen.
Der ehemalige Haniel-Vorstand ist ein Mann der Deutschen Industrie. Für die soll die Deutsche Bank auch künftig da sein. Ob man dazu Filialen der Postbank braucht.
Großer Elan
Einige sahen in dem neuem Job sogar bloß die mildere Alternative zum Rauswurf. Ganz überraschend wäre der nicht gekommen. Seit der Finanzmann 2008 vom Autobauer BMW zur Bank gekommen war, gab es immer wieder Gerüchte über fachliche wie persönliche Verfehlungen und ein angebliches Zerwürfnis mit Co-Vorstandschef Anshu Jain.
Mittlerweile aber ist klar, dass Krause nicht an den Rand, sondern sogar weiter ins Zentrum der Macht gerückt ist. Der Manager, so berichten Insider, habe sich jedenfalls mit größtem Elan in seine neue Aufgabe gestürzt und gehe voll in ihr auf. „Er läuft mit auffallend stolzgeschwellter Brust herum“, sagt ein Banker. „Das war ein cleverer Schachzug von Achleitner“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. „Krause ist jetzt so etwas wie der permanente Stachel im Fleisch der übrigen Vorstände.“
Dabei ist es gerade die Machtlosigkeit seiner Position, die diese so stark macht. Krause leitet keinen großen Geschäftsbereich mehr, er steuert keine Tausende von Mitarbeitern und muss keine Pfründe und Budgets gegen Begehrlichkeiten von Kollegen verteidigen. Was er sagt, kann so in der von Lagerkämpfen durchzogenen Bank als einigermaßen objektiv und frei von politischem Kalkül gelten. Als eine Art interner McKinsey-Mann soll er so die Debatte um die Strategie im Vorstand unbefangen und ohne Denkverbote vorantreiben.
Die Deutsche Bank ist im internationalen Vergleich zurückgefallen
Diese Diskussion hat die Bank seit Monaten im Griff. In den ersten drei Jahren ihrer Amtszeit kümmerten sich die Co-Chefs Jain und Jürgen Fitschen vor allem um den Abbau juristischer und bilanzieller Altlasten. Von wenigen strukturellen Anpassungen abgesehen, ließen sie die Bank ansonsten auf scheinbar bewährtem Kurs weiterdümpeln. Mittlerweile ist jedoch klar, dass sie so die für 2015 ausgerufenen Ziele verfehlen. Ein Richtungswechsel gilt intern wie extern als dringend erforderlich.
Frühere Schwenks in der Strategie wie der Kauf der Postbank 2008 erfolgten jedoch stets aus einer Position der Stärke heraus. Nun aber steht die Deutsche Bank mit dem Rücken zur Wand. Im internationalen Vergleich ist sie zurückgefallen, der Aktienkurs kommt nicht voran. Das kratzt am Selbstverständnis, etliche Banker sind frustriert und wünschen sich Veränderungen. „Ich habe die Lügen satt“, schimpft ein Manager. „Ich will nicht mehr jeden Tag hören, wie gut es läuft, und jeden Tag sehen, dass das nicht so ist.“
Es sind vor allem zwei Zahlen, die die Schwäche schonungslos offenlegen. Das für die Effizienz ausschlaggebende Verhältnis von Kosten zu Erträgen liegt trotz eines harten Sparprogramms bei 87 Prozent. Wettbewerber kommen auf 70 Prozent und weniger. Auch bei dem für die Kapitalstärke entscheidenden Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme zählt die Bank mit 3,5 Prozent weltweit zu den Schlusslichtern (siehe Grafik).