Deutsche Bank Unter Geiern

Wie die Aasfresser umkreisen Hedgefonds die Deutsche Bank. Dass ihr Angriff so erfolgreich ist, liegt nur an einem Grund: Die Bank hat unser Vertrauen verloren. Wer kann helfen?

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Deshalb wächst die Sorge um Deutschlands größte Bank
Josef Ackermann, Angela Merkel Quelle: AP
Das Bild zeigt den damaligen Bankchef Rolf-E. Breuer nach der Verkündung der Bankers-Trust-Übernahme im Jahr 1998. Quelle: dpa Picture-Alliance
Lehman-Brothers-Mitarbeiter nach der Kündigung 2008 in London. Quelle: REUTERS
Die Folgen der Immobilienkrise Quelle: dpa
Schwaches KerngeschäftNach der Finanzkrise gab es zwei wesentliche Entwicklungen unter globalen Großbanken. Die in den USA beheimateten Institute (Bild: New Yorks Finanzdistrikt) – mit zwangsweiser Staatshilfe versorgt – konnten die Krise beschleunigt hinter sich lassen. Sie wuchsen gar zu neuer Größe. Die andere Gruppe stutzte das Investmentbanking, dass weniger lukrativ wurde und mit weniger Mitarbeitern zu leisten war – und fokussierte sich auf die hauseigene Vermögensverwaltung. Die Deutsche Bank suchte den Mittelweg aus eigener Kraft: keine Staatshilfe, kein großer Strategieschwenk. Die Folge: Dutzende Strafzahlungen etwa wegen Zinsmanipulationen schlugen ins Kontor, während gleichzeitig das Kerngeschäft litt. Quelle: dpa
Riskante Finanzierung Quelle: dpa
Wenig Reserven Quelle: dpa

Wenn genügend Leute denken, dass eine Bank ein Problem hat, dann hat sie ein Problem. An diesen Satz wird derzeit Deutsche-Bank-Chef John Cryan denken, wenn er morgens aufsteht, wenn er zu Mittag isst, und wenn er abends zu Bett geht. Die Deutsche Bank hat viele Probleme, keines für sich wirft sie um, alle zusammen genommen führen aber dazu, dass jeder über sie redet und damit das Grundproblem verschärft: Die Bank hat unser Vertrauen verloren.

Und weil diese Wunde so offen klafft, ist es für die Geier der Finanzmärkte so einfach, darin schmerzhaft herum zu bohren: So wie jene US-Hedgefonds in der vergangenen Nacht, die ihre Positionen bei der Deutschen Bank auflösten.

Dass sie vorher offenbar auf einen fallenden Kurs gesetzt und genau dieses Ziel mit ihrer öffentlichen Jammerei erreicht haben – wen schert das am Morgen danach, wenn die Aktie in die Tiefe rauscht? Oder so wie die US-Ermittler, die gediegene 14 Milliarden Dollar Strafe von der Bank verlangen, damit sie ihre Sünden aus dem Hypotheken-Skandal büßt.

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von Martin Dowideit

Dass Forderung und tatsächliche Zahlung mitunter weit auseinanderliegen - wen kümmert das, wenn der Kurs von Rekordtief zu Rekordtief eilt? Dass seit der Lehman-Pleite in Deutschland, Europa und den USA Rettungsfonds aufgebaut und Abwicklungsmechanismen vereinbart wurden, dass die Banken ihr Eigenkapital stärken und ihre Bilanzsummen verkleinern – wen kümmert das, wenn der Blick auf den Kurszettel jeden Morgen eine neue Hiobsbotschaft bereithält?

Nein, was hier passiert hat mit Verstand nichts mehr zu tun. Es ist eine Bande von Geiern, die ein waidwundes Opfer gefunden hat und nicht mehr davon ablässt.

Natürlich hat sich dieses Opfer selbst in seine verzweifelte Lage gebracht. Viel zu lange hat die Deutsche Bank auf den Kulturwandel gesetzt, wo ein Strategiewechsel von Nöten gewesen wäre. Viel zu lange hat sie ihre Rechtsstreitigkeiten verzögert, wohlwissend, dass ein Ende mit Schrecken besser ist, als eine jahrelange Ungewissheit. Und noch immer bedenkt sie jene Vorstände mit viel zu hohen Boni, die Teil des Problems und nicht Teil der Lösung gewesen sind.

Aber seit dem Abgang des unglücklichen Duos aus Anshu Jain und Jürgen Fitschen und mit dem Antritt des Sanierers John Cryan hat sich etwas geändert. Sein erklärtes Ziel ist es, die Bank auf ein Normalmaß zu schrumpfen. Die Herausforderung für ihn besteht darin, den produktiven Kern der Bank rechtzeitig freizulegen, bevor die Eigentümer dieser Bank – institutionelle Investoren, Hedgefonds und private Anleger – die Zuversicht gänzlich verloren haben.

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Seit einigen Tagen ist Cryan bei diesem Wettrennen um den letzten Rest an Vertrauen ins Hintertreffen geraten. Die Märkte spielen die Pleite durch. Es kann gut sein, dass aus dieser Spirale nach unten nur ein Weg herausführt: Ein auf die Deutsche Bank gemünztes „Wir schaffen das“ des Finanzministers oder ein „Whatever it takes“ aus der Zentralbank würde alle Geier vertreiben. Es würde die Zweifel zerstreuen, ob Lehman nicht doch in Frankfurt beheimatet ist. Es wäre zwar ein Eingeständnis der Schwäche, aber es wäre ein Tiefpunkt, von dem aus es wieder aufwärts gehen kann.

„Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.“ Dieser Satz von Cryans Vor-Vorgänger Josef Ackermann strahlte schon immer eine unangemessene Hybris aus. Cryan ist angetreten, um damit Schluss zu machen. Wenn es ihm ernst damit ist, darf er jetzt das Unmögliche denken. Und es im Zweifelsfall auch tun.

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