Deutsche Bank Warum Aufsichtsrat Georg Thoma gehen musste

Georg Thoma geht. Der Deutsche-Bank-Aufsichtsrat nimmt nach heftiger Kritik seinen Hut. Was sich dahinter verbirgt.

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Das Logo der Deutschen Bank an der Firmenzentrale des Bankhauses in Frankfurt am Main Quelle: dpa

Alfred Herling ist ein bedächtiger Mann. Anders als seine Pendants bei VW oder Porsche hält sich der Betriebsrats- und stellvertretende Aufsichtsratschef der Deutschen Bank öffentlich zurück, wirkt im Hintergrund, bemüht sich um Ausgleich. Umso erstaunlicher ist es, dass er sich am vergangenen Wochenende an die Spitze einer Attacke gegen ein anderes Mitglied des Kontrollgremiums setzte.

Ziel des Angriffs ist der Anwalt Georg Thoma. Herling wirft ihm vor, zu sehr auf die Aufklärung von Skandalen und zu wenig auf die Zukunft der Bank fixiert zu sein. Mehrere Mitglieder des Gremiums teilen zwar diese Meinung, wundern sich aber doch, dass der Streit ausgerechnet kurz vor der Hauptversammlung der Bank am 19. Mai öffentlich eskaliert. Dass Herling kaum auf eigene Faust gehandelt haben dürfte, ist nicht das einzige Anzeichen für eine abgesprochene Attacke.

Am späten Donnerstagabend erreichte diese ihr Ziel. Da vermeldete die Bank Thomas Rücktritt, garniert mit Dankesworten von Aufsichtsratschef Paul Achleitner und seinem Vize Herling. Vorausgegangen war eine Sitzung des Nominierungsausschusses am Mittwoch. Das fünfköpfige Gremium hatte Thoma zum Rücktritt aufgefordert. Am Donnerstag erklärte der Anwalt dann, dass er diesem Ansinnen folgen würde.

Der 71-jährige Thoma ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten deutschen Wirtschaftsanwälte, er gilt als ebenso knallhart wie selbstbewusst. Ein Jahr nachdem Achleitner 2012 den Vorsitz im Aufsichtsrat der Deutschen Bank übernommen hat, holt er Thoma in das Gremium. Er soll für neue Ernsthaftigkeit sorgen im bislang laxen Umgang mit Kontrollen, Aufsehern und Rechtsfällen. Die Bank lockert für ihn sogar die interne Altersgrenze und setzt ihn an die Spitze eines eigens neu geschaffenen Integritätsausschusses.

Thoma enttäuscht die Erwartungen nicht. Sein kompromissloses Vorgehen verschafft ihm erstmal eine Menge Respekt. Immer wieder kritisiert er intern die schleppende Aufklärung der Skandale. Als etliche Aufsichtsbehörden der Bank Verzögerungstaktik bei der Aufklärung der Manipulation des Referenzzinses Libor vorwerfen, ist Thoma in höchstem Maße erzürnt. Nun geht es für ihn erst recht darum, den Deutsche-Bank-Sumpf trockenzulegen.

Thoma weitete interne Prüfungen immer weiter aus

Mit dieser Haltung eckt er jedoch zunehmend an. Schon vor Monaten äußerten sich Aufsichtsräte hinter vorgehaltener Hand kritisch zum Wirken ihres Kollegen. Er agiere selbstherrlich, überschreite seine Kompetenzen und beklage sich anschließend, dass der Vorstand ihm nicht folge. Auch sein rüder Umgangston sorge für Befremden, so soll er Achleitner mehrfach harsch zurechtgewiesen haben. Zuletzt habe sich dieses Verhalten nochmals verstärkt. „Er hält sich nun für den besten Aufsichtsrat aller Zeiten“, klagt ein Mitglied des Gremiums.

Für Missfallen sorgte zuletzt vor allem, dass Thoma die internen Prüfungen immer weiter ausweiten wollte. Auch immer mehr Manager jenseits des früheren Vorstands soll er dabei ins Visier genommen, mögliche Regressforderungen gegen sie geprüft haben. Selbst von der Vergangenheit unbelasteten Führungskräften sollen sich von ihm regelrecht verfolgt gefühlt haben. „Niemand will die Aufarbeitung der Altlasten stoppen, aber Thoma will auch noch untersuchen, ob die Untersuchung der Untersuchung korrekt verlaufen ist“, heißt es im Aufsichtsrat. Es gehe ihm weniger um die Wahrheit als darum, Haftungsansprüche gegen sich selbst zu vermeiden, mutmaßen einige in der Bank.

Sein Vorgehen sorgt nicht nur für Unruhe, sondern ist auch teuer. So wollte Thoma mit Anwälten nach New York fliegen, um dort den früheren Chefjuristen der Bank zu befragen. In einer internen Mail hat ein Aufsichtsrat Thomas Verhalten kritisch hinterfragt. Dass Auszüge der Mail an die Öffentlichkeit gelangten, sorgt in dem Gremium für Befremden. Den Rücktritt ihres Kollegen heißen die Mitglieder des Aufsichtsrats jedoch gut.

Anders dürfte das bei Investoren der Bank aussehen, die sich schon in den vergangenen Tagen kritisch zu den Querelen im Kontrollgremium geäußert haben. Die Deutsche Bank muss ihnen erklären, dass der Streit  nicht das Ziel hatte, die Aufarbeitung der unrühmlichen Vergangenheit zu stoppen. Mit Thomas Abgang hat die Bank vermutlich langfristig ein Problem weniger. Kurzfristig hat sie eins mehr.

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