Deutsche Bank Was Fitschen und Jain jetzt anpacken müssen

Am Donnerstag endet die zehnjährige Amtszeit Josef Ackermanns – jetzt müssen Jürgen Fitschen und Anshu Jain ran. Nahaufnahmen der Problemzonen der Bank zeigen, was auf die beiden zukommt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Brennpunkte der Deutschen Bank
BerlinDas Verhältnis der Deutschen Bank zur Politik war unter Ackermann zwiespältig. Das soll nun vor allem Co-Chef Fitschen pflegen. Quelle: Reuters
FrankfurtIn der Deutschen-Bank-Zentrale fürchten einige Manager zu viel Einfluss der Investmentbanker. Als Beleg sehen Skeptiker die Besetzung der Top-Position im Risikomanagement durch einen Getreuen von Co-Chef Jain. Quelle: Laif
BonnDer kommende Postbank-Chef Frank Strauß soll Ertragskraft und Effizienz des größten Zukaufs der Ära Ackermann stärken. Dafür muss er vor allem kulturelle Differenzen in den Griff bekommen. Quelle: dpa
LondonDie Zentrale der Investmentsparte der Deutschen Bank sitzt in London und beeindruckt Besucher mit moderner Kunst. Sie will von der Schwäche der Konkurrenz profitieren und weltweit unter die Top 3 vorstoßen. Quelle: Laif
New YorkWegen ihrer zweifelhaften Rolle in der Verbriefung minderwertiger Hypothekenkredite protestieren Hausbesitzer in den USA gegen die Deutsche Bank. Die Schadensersatzforderungen belasten das neue Duo an der Spitze. Quelle: Reuters
PekingDas Geschäft in Asien wird für die Deutsche Bank trotz staatlicher Beschränkungen immer wichtiger. Am größten sind die Wachstumsaussichten in China. Aber auch Indien erweist sich als unausgeschöpftes Finanzreservoir. Quelle: Laif

Die letzten Tage hat Josef Ackermann genutzt, um sich von Gefolgsleuten und Geschäftspartnern zu verabschieden: ohne Pomp, Protz und allzu große Worte, ohne offiziellen Festakt, dafür entspannt, locker, mit sich zufrieden. Bis zuletzt ist er durch die Welt gereist, bevor an diesem Donnerstag der letzte Vorhang für die Joe-Show fällt. Rund 5.000 Aktionäre werden bei der Hauptversammlung in der Frankfurter Festhalle dabei sein, wenn sich der Deutsche-Bank-Chef aus dem Amt verabschiedet. Schon am nächsten Tag treten seine in einem quälend langen Ausleseprozess bestimmten Nachfolger Jürgen Fitschen und Anshu Jain ihre Posten an.

Was sich der 64-jährige Schweizer noch wünscht, hat er zuletzt mehrfach fallen lassen: dass seine Leistungen im Rückblick höher geschätzt werden als in seiner aktiven Zeit, dass ihm die Geschichte recht gibt und dass die oft heftige Kritik an seiner Person allgemeiner Anerkennung weicht.

Die besten Sprüche von Josef Ackermann
Josef Ackermann Quelle: dpa
Josef Ackermann Quelle: AP
Ackermann Quelle: dapd
Josef Ackermann Anshu Jain Quelle: REUTERS
"Als ich zur Deutschen Bank kam, hatte ich zwei Millionen Mark. Wenn ich heute ein vergleichbares Gehalt hätte, würde ich jeden Respekt verlieren. Man würde sagen: ,Der hat keinen Marktwert'." Josef Ackermann im Mai 2007. Quelle: dapd
Ackermann Quelle: ASSOCIATED PRESS
Josef Ackermann Quelle: dpa

Ob es dazu kommt? Einerseits hat die Bank alle Krisen ohne direkte Staatshilfen überstanden. Selbst Konkurrenten trauen ihr zu, künftig weltweit eine wichtigere Rolle zu spielen. Die Bank hat heute fast viermal so viele Mitarbeiter wie vor 20 Jahren und erwirtschaftet in Amerika mehr Erträge als damals auf der ganzen Welt. Mit einer Bilanzsumme von mehr als zwei Billionen Euro ist sie das größte Institut Europas.

Andererseits müssen Ackermann und vor allem der ebenfalls scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig am Donnerstag mit heftiger Kritik rechnen. Eine ganze Reihe angelsächsischer und deutscher Investoren wollen erreichen, dass die Aktionäre dem Aufsichtsrat die Entlastung verwehren. Einen solchen Antrag hat etwa die britische Versicherung Legal & General eingereicht, die nach eigenen Angaben knapp ein Prozent des Aktienkapitals vertritt. Sie kritisiert die unprofessionelle Nachfolgesuche für Ackermann, seinen fehlgeschlagenen Versuch, selbst in den Aufsichtsrat zu wechseln, aber auch die Vorstandsvergütung und die zu wenig nachhaltige Strategie der Bank.

Wie deutsch bleibt die Bank?

In die gleiche Richtung geht Hans-Christoph Hirt von der Aktionärsberatung Hermes. Und auch Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger sowie die Aktionärsberatungen Glass Lewis und PIRC gehen auf Konfrontation. PIRC vertritt Pensionskassen und kritisiert die mangelnde Transparenz bei den Leistungskriterien für die Festlegung der Boni und das Fehlen einer Obergrenze.

Offen ist, ob sich Großaktionäre wie die US-Fondsgesellschaft Black Rock den Anträgen auf Nichtentlastung anschließen werden. Die US-Aktionärsberatung ISS hat sich bereits für die Entlastung ausgesprochen. Sollte sie verweigert werden, hätte das kaum juristische Folgen, wäre aber ein schwerer Imageschaden für die ausscheidenden Top-Manager.

Übersicht zur regionalen Entwicklung der Deutschen Bank (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Fragen zur künftigen Strategie der Bank, zum Wachstum und zur Anpassung an die veränderte Regulierung werden bei dem Treffen ebenfalls zur Sprache kommen. So sorgen sich Frankfurter Deutschbanker immer noch, dass ihr Institut unter dem gebürtigen Inder Jain „weniger deutsch“ sein werde und die von Ackermann eingeleitete Hinwendung zu stabileren Geschäften zugunsten riskanterer Zockereien wieder rückgängig gemacht wird. Die ersten Personalentscheidungen haben den Eindruck der Skeptiker verstärkt und bei vielen für Enttäuschungen und Frustrationen gesorgt. Im Geschäft mit reichen Privatkunden etwa hievte Jain nicht Deutschland-Chef Joachim Häger an die Spitze, sondern überraschend seinen Vertrauten Michele Faissola.

Das Vertrauen ist weg

Das Image der Deutschen Bank hat tiefe Risse bekommen - Nicht zuletzt durch einige unüberlegte Bemerkungen von Josef Ackermann Quelle: dpa

„Der Heimatmarkt ist heute wichtiger denn je“, erklärte Jain gerade beruhigend in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNBC. Und intern haben er und Fitschen nach der vom Starkult geprägten Ära Ackermann vor allem den Teamgedanken als Leitlinie ausgegeben. Wie belastbar das ist, wie die beiden die weltweiten Herausforderungen angehen, werden die kommenden Monate zeigen.

Neue Kontaktaufnahme

In Berlin hat die Deutsche Bank ihren politischen Triple-A-Status verloren. Schuld daran ist auch der scheidende Vorstandschef Ackermann. Zum einen patzte er mit seiner unbedarften Bemerkung, die Kanzlerin habe ihm eine nette Geburtstagsparty ausgerichtet, und er habe Freunde dazu einladen dürfen. Daneben schuf er sich Gegner mit seiner Bemerkung, dass er sich schämen würde, Staatshilfen in Anspruch zu nehmen, die er selbst ins Gespräch gebracht hatte. „Da ist viel Porzellan und Vertrauen zerschlagen worden“, sagt ein Vertrauter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit Anshu Jain hat es noch nicht gegeben, auch mit Jürgen Fitschen gab es kein extra einberufenes Gespräch.

Infos zu den Kernkapitalquoten weltweit aktiver Banken (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Idealbild der Finanzindustrie sind dagegen stärker als zuvor die Sparkassen geworden. Bodenständigkeit schlägt Global Business, Provinzialität sticht Glamour. Als Meisterin der politischen Geste beehrte Bundeskanzlerin Angela Merkel am vorigen Dienstag in Berlin die Abschiedsfeier des Sparkassen-Präsidenten Heinrich Haasis. Indirekt las Merkel dort der Deutschen Bank die Leviten. „Wir konnten uns immer auf Sie verlassen“, lobte sie Haasis. „Im Mittelpunkt steht bei Ihnen der Kunde.“

Da half es wenig, dass Ackermann in den vergangenen Jahren mehr Präsenz in der Hauptstadt zeigte. „Früher waren sich die Spitzenbanker selbst genug“, sagt der Vorsitzende des Parlamentarischen Finanzmarktgremiums im Bundestag, Florian Toncar (FDP): „Heute sehen sie, dass Berlin wichtig ist und dass sie sich um mehr gesellschaftlichen Rückhalt kümmern müssen.“ Seit der Finanzmarktkrise lud der Deutsche-Bank-Chef, der zuvor nie in Berlin aufgetaucht war, zu Kamingesprächen mit Büroleitern ausgewählter Medien in seiner Hauptstadt-Repräsentanz Unter den Linden. Zuletzt zeigte sich Ackermann sogar beim Sommerfest der CDU/CSU-Mittelständler. Nachfolger Fitchen weiß also, wo er anknüpfen und zulegen muss.

Warum das Geschäft der Deutschen Bank in der Heimat immer unwichtiger wird

Unter scharfer Beobachtung

Das Gespräch findet jeden Morgen um neun Uhr statt und dauert meist nur 15 Minuten. Dennoch ist der „Risikocall“ einer der wichtigsten Termine. In ihm analysieren die verantwortlichen Top-Manager die Weltlage und mögliche Konsequenzen für das Institut. So entscheiden sie etwa, ob neue interne Stresstests nötig werden oder ob sie bei Geschäften mit anderen Banken zurückhaltend sein sollten.

Die tägliche Telefonrunde ist die Spitzenveranstaltung des Risikomanagements der Deutschen Bank. In dieser Disziplin gilt sie unumstritten als eines der führenden Institute. Sie hat sich relativ früh aus dem Geschäft mit verbrieften US-Hypotheken schlechter Qualität verabschiedet und schon vor Jahren entschieden, Staatsanleihen nur in begrenztem Umfang zu halten. Zudem gibt sie kaum längerfristige Kredite an andere Banken. Das macht sie nicht unverwundbar, die ganz großen Einschläge haben aber woanders stattgefunden.

Interne Zweifel bleiben

Mit dem Risikovorstand Hugo Bänziger verliert die Deutsche Bank den Manager, der das Risikomanagement des Unternehmens maßgeblich geprägt hat. Quelle: dpa

Schon seit 2002 habe sich der Risikogedanke „wie eine Spinne“ in der ganzen Bank ausgebreitet, meint ein führender Manager. Damals waren viele Unternehmenskredite ausgefallen und hatten zu hohen Verlusten geführt. In der Folge hatte die Bank alles in die Wege geleitet, um Risiken weniger isoliert zu betrachten. Zuletzt eröffnete sie ein nur der Risikobeherrschung gewidmetes Zentrum in Berlin.

Ob der Bereich seine Bedeutung behält, wird in und außerhalb der Bank genau beobachtet. Denn mit dem Ackermann-Vertrauten Hugo Bänziger verlässt genau der Manager die Bank, der das Risikomanagement in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat. Auch wenn Bänzigers bisheriger Stellvertreter Stuart Lewis nachrückt und dies als Zeichen von Kontinuität gelten kann, bleiben auch intern Zweifel. Denn das Risikomanagement gilt als natürlicher Gegenspieler des Investmentbankings, dessen bisheriger Chef Jain künftig die Bank leitet. Als mögliches Indiz für gestiegene Risikolust werten manche, dass künftig Finanzvorstand Stefan Krause und nicht mehr der kommende Risikochef Lewis das Kapital und die Liquidität der Bank steuern. Befürworter halten dagegen, dies sei bei vielen Banken so üblich und eher eine organisatorische Änderung.

Infos zum Bestand der Postbank an Finanzanlagen (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Die Deutsche Bank gilt als stabil, aber nicht als Vorbild der Solidität. Mit einer harten Kernkapitalquote von zehn Prozent liegt sie weltweit im Mittelfeld der großen Institute. Und obwohl das Management stets das Gegenteil behauptet, gibt es immer wieder Gerüchte über eine mögliche Kapitalerhöhung. Hinzu kommen Altlasten in Form schwer bewertbarer Vermögenswerte, deren Höhe Analysten auf 110 Milliarden Euro schätzen. Die Bank hat sich allerdings in den vergangenen Jahren kontinuierlich aus riskanten Positionen zurückgezogen und dafür mehr Firmenkredite und Baufinanzierungen vergeben.

Wahre Herkulesaufgabe

Ende 2010 jährt sich die Zusammenarbeit zwischen Deutscher und Postbank zum zweiten Mal, und deshalb treffen sich die Top-Manager beider Institute zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit Symbolwert. Unter Anleitung eines professionellen Jongleurs versuchen sie, einen postbank-gelben, einen deutsche-bank-blauen und einen neutralweißen Ball gleichzeitig in der Luft zu halten. Den meisten fallen die Bälle schnell wieder runter.

Lange hing die Beziehung zwischen beiden Banken in der Luft. Seit Beginn des Jahres gehören dem Branchenprimus 94 Prozent an dem Bonner Institut, und nun geht es zackig voran. Mit Frank Strauß übernimmt ein Abgesandter der Deutschen Bank die Führung, die Postbank soll dann zur zweiten starken Marke für Privatkunden werden. Randaktivitäten wie die Filialen der Norisbank macht die Deutsche Bank dafür zu, und auch der dauerhafte Bestand der regionalen Marke „Berliner Bank“ ist unsicher.

Die Integration ist vor allem Programmierarbeit. Experten beider Banken haben dafür das komplette dritte Stockwerk eines Deutsche-Bank-Bürokomplexes in der Frankfurter Theodor-Heuss-Allee besetzt. Der Zeitplan steht. Die Daten von mehr als fünf Millionen Sparkonten sollen in diesem Jahr auf die gemeinsame IT-Plattform wandern, bis 2014 sollen sämtliche Kundendaten, das Wertpapiergeschäft und der Zahlungsverkehr übertragen werden.

Das Streichkonzert der Banken

Die Zusammenlegung der Datenverarbeitung ist ein Schritt auf dem Weg zu mehr Effizienz. Deutsche-Bank-Manager streben ein Verhältnis von Kosten zu Ertrag von ungefähr 60 Prozent an. Das geht nicht ohne Stellenabbau. Konkrete Zahlen gibt es dazu nicht, bei der Postbank hat sich seit 2008 die Zahl der Beschäftigten bereits um rund 2.500 auf 19.000 Beschäftigte reduziert. Damit ist aber nicht Schluss mit dem Streichkonzert. Am Ende, so heißt es, sollen beide Banken ihren Kunden jeweils etwa 10.000 Berater bieten, eine gemeinsame Organisation mit etwa 12.000 Beschäftigten soll sich um alle technischen und organisatorischen Themen kümmern.

Auch wenn der Stellenabbau über Abfindungen und Vorruhestand bisher relativ geräuschlos ablief, knirscht es zwischen beiden Banken. Die kulturellen Unterschiede sind nach wie vor enorm. Ende vergangenen Jahres prallten beide Welten bei Warnstreiks aufeinander.

Obwohl die Postbank etwa bei der Baufinanzierung zu den führenden deutschen Instituten zählt, gilt sie bei der neuen Konzernmutter als „schlafender Riese“. Die Erweckung soll in erster Linie die Umgestaltung der Filialen bringen. Die haben oft noch den Charakter von Gemischtwarenläden, künftig soll das Bankgeschäft stärker in den Vordergrund treten, ohne die Stammkundschaft zu verprellen.

Ein Risiko bleiben die Finanzanlagen der Postbank, die diese mit ihrem Überschuss an Einlagen aufgebaut hatte. Sie sind zwar deutlich geschrumpft, mit einem Volumen von 45 Milliarden Euro immer noch hoch.

In der Höhle der Zocker

Cool, international, multikulturell – das ist das Image, mit dem sich die Deutsche Bank in London gern schmückt. Mehr als 8.000 Mitarbeiter beschäftigt das Geldhaus hier und ist einer der größten und am besten zahlenden Arbeitgeber des Finanzdistrikts, der City. Seit 2004 sponsert die Bank die Kunstmesse „Frieze“ im Regent’s Park, und auch im Foyer des Instituts in der Great Winchester Street prangt moderne Kunst. Jeden Tag lief Anshu Jain bisher mit jenem kleinen schwarzen Rucksack, der zu seinem Wahrzeichen geworden ist, hier vorbei: entweder hinauf in sein Büro am Rande des Handelsraums oder zu der schwarzen Limousine vor dem Eingang.

Colin Fan, ein US-Bürger mit chinesischen Wurzeln, der von Juni an gemeinsam mit dem Australier Robert Rankin die Investmentsparte in London übernimmt, passt schon rein äußerlich gut ins Zukunftskonzept der Deutschen Bank. Weil die Volkswirtschaften Asiens sich dynamischer entwickeln als Europa und die USA, und in der Alten Welt das regulatorische Umfeld immer härter wird, liegt „die Zukunft des Investmentbankings in dieser Region“, heißt es aus dem Umfeld Jains.

Infos zum Vorsteuergewinn der Investmentsparte der Deutschen Bank (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Fan gilt als besonders enger Vertrauter Jains. Der Absolvent der US-Eliteuniversität Harvard startete seine Karriere wie sein Chef bei der US-Investmentbank Merrill Lynch, wechselte dann zu deren Schweizer Wettbewerber UBS und 1998 als Händler zur Deutschen Bank, wo er unter anderem in New York und Hongkong arbeitete. Zehn Jahre später holte ihn Jain nach London und übertrug ihm gemeinsam mit dem damaligen Starhändler Boaz Weinstein die Leitung des Handels mit Kreditprodukten. Mit hochkomplexen Wetten an den Kreditmärkten setzte Weinstein allerdings das Kapital der Bank aufs Spiel. Im Herbst 2008, als seine Wetten platzten, saß die Bank auf 1,8 Milliarden Dollar Verlusten.

Die Zeiten werden härter

Wie deutsch ist die Deutsche Bank?
Anshu Jain Quelle: dapd
Jürgen Fitschen Quelle: dapd
Rainer Neske Quelle: unbekannt.
Stefan Krause Quelle: dapd
Stephan leithner Quelle: dpa
Stuart Lewis, Chief Risk Officer der Deutsche Bank Quelle: Presse
Henry Ritchotte Quelle: unbekannt.

Die Deutsche Bank gilt schon als drittgrößte Investmentbank der Welt hinter den US-Wettbewerbern Goldman Sachs und JP Morgan. Geplant ist, in den nächsten Jahren einen großen Teil der riskanten Altlasten abzuwickeln, was einen effizienteren Kapitaleinsatz ermöglichen soll. Auf der Agenda steht das Ziel, in allen Bereichen des Investmentbankings mindestens zu den fünf Besten zu gehören. Gleichzeitig sollen die traditionellen Stärken im Devisenhandel, Geldmarkt, Anleihegeschäft und bei den Rohstoffen erhalten bleiben. Im Devisenhandel ist die Deutsche Bank seit 2005 weltweit die Nummer eins.

2011 war der Vorsteuergewinn im Investmentbanking um rund 40 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro eingebrochen. Allerdings ist die Gewinnmaschine im ersten Quartal mit einem Profit von 1,7 Milliarden Euro wieder angesprungen, nachdem sie im vierten Quartal sogar Verluste gemacht hatte. Doch die Zeiten werden härter. Analysten von JP Morgan warnen, „die Erlöse in der Branche könnten im laufenden Quartal um 24 Prozent fallen“. Fan und Rankin werden sich anstrengen müssen.

Hatz am Hudson

Selten gibt sich ein Banker an der Wall Street so reuevoll wie Seth Waugh. „Manchmal wacht man nachts auf und wünscht sich, besser gewesen zu sein“, sagt der 53-Jährige. Die gesamte Branche müsse sich für das, was zur Finanzkrise geführt habe, entschuldigen.

Waugh kann es sich leisten, nachdenklich zu sein. Eigentlich wäre er lieber Lehrer als Banker geworden. Als dieser verantwortete er über eine Dekade die Geschäfte der Deutschen Bank in den USA. Doch jetzt ist Schluss. Sobald ein Nachfolger gefunden ist, wird sich Waugh der Golfkarriere seines Sohnes widmen und der Bank nur noch als Berater zur Verfügung stehen.

Kein Wunder, dass beim Town-Hall-Meeting Anfang Mai in der Zentrale der Deutschen Bank an der Wall Street bei den Mitarbeitern Unsicherheit herrschte: Der Chefposten in Amerika ist seit Monaten verwaist, in der Zentrale in Frankfurt demnächst eine Doppelspitze – wie geht es weiter mit dem Geldhaus? Wo und wie will sich das deutsche Finanzhaus am Hudson River gegenüber den amerikanischen Großbanken Goldman Sachs, Citi oder JP Morgan behaupten?

Tatsächlich hinterlässt Waugh seinem Nachfolger in Amerika eine Großbaustelle. In vielen Geschäftsbereichen hinkt das Institut anderen hinterher. So läuft der Handel mit Aktien schlecht. Weit abgeschlagen von der Konkurrenz liegt die Deutsche Bank in den USA beim Aktienhandel auf Platz sieben. Schwache Geschäfte aus der institutionellen Vermögensverwaltung wollte das Institut an die New Yorker Finanzfirma Guggenheim Partners verkaufen. Die Verhandlungen beschränken sich mittlerweile aber auf eine Tochterfirma.

Spitze sind die Deutschbanker in den USA nur im Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren. Heute liegt die Deutsche Bank in diesem Bereich mit einem Marktanteil von 13 Prozent auf dem ersten Platz. Ein neues Wachstumsfeld könnte auch das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen sein. Trotz der angeschlagenen Reputation wegen der Immobilienkrise steht die Bank für solides Finanzgeschäft in den USA.

Die Altlasten aus den Zeiten, als das deutsche Geldinstitut auf dem amerikanischen Immobilienmarkt eine entscheidende Rolle spielte, hängen der Bank in Amerika wie ein Klotz am Bein. Eine Armada von Anwälten kämpft auch mehr als vier Jahre nach der Finanz- und Immobilienkrise gegen das deutsche Geldinstitut. Städte, Gemeinden, andere Geldinstitute klagen vor Gericht. Sie fordern Schadensersatz in Millionenhöhe, weil die Bank ihnen faule Hypothekenkredite angedreht habe.

Gewaltige Chancen

Momentan liegt die Bilanzsumme der Deutschen Bank China bei winzigen fünf Milliarden Euro. Quelle: dpa

Auch die strengen amerikanischen Regulierungsvorschriften belasten die Deutsche Bank. Den Eigenhandel haben sie bereits aufgegeben, die höheren Eigenkapitalvorschriften versuchen sie zu umgehen, indem sich die Bank eine neue Organisationsstruktur verpasst. Sie hat dafür ihre Holding, die Taunus Corporation, mit einem Vermögenswert von rund 350 Milliarden Dollar und über 8000 Mitarbeitern so umstrukturiert, dass sie nicht länger ein Institut mit Banklizenz ist, sondern ein reines Investmenthaus. Für diese gelten die neuen Kapitalvorschriften in den USA nicht.

Ran ans Reich der Mitte

Hoch ragt der Deutsche-Bank-Tower im Geschäftsviertel Chaoyang in den Himmel. Anfang 2008 erhielten die Frankfurter die Lizenz, Finanzdienstleistungen in der Landeswährung Renminbi anzubieten. Im März 2008 bezog die Bank das Gebäude. Wenn der Smog der chinesischen Hauptstadt es zulässt, spiegelt sich die Sonne in der gläsernen Fassade.

Die Chancen der Banken sind gewaltig: Die Ersparnisse der privaten Haushalte werden auf 1,6 Billionen Euro geschätzt. Ein Markt für Anleihen ist kaum vorhanden, der gesamte Kapitalmarkt ist unterentwickelt. Das verheißt gigantische Geschäfte. Fragt sich nur, wann: Denn noch immer unterliegt der Bankensektor strengen Regulierungen. Maximal 20 Prozent der Anteile an einer chinesischen Bank darf eine ausländische Bank besitzen. Auch die Eigenkapitalquote muss wesentlich höher sein als in westlichen Ländern.

Chinas Bankenlandschaft wird nach wie vor von vier großen nationalen Instituten dominiert. Zwar wird den Chinesen oft Ineffizienz vorgeworfen, allein die Bank of China hat fast dreimal so viele Mitarbeiter wie die Deutsche Bank weltweit. Trotzdem gehören sie zu den profitabelsten Banken der Welt. Sie verdienen den Großteil ihres Geldes im sicheren Zinsgeschäft. Die Sätze sind von der Regierung festgesetzt.

Die Aktivitäten der Deutschen Bank sind quasi spiegelverkehrt: Nur ein kleiner Teil wird im Zinsgeschäft verdient, der Großteil im profitablen, aber volatilen Investmentsektor. Immer wieder drängen die Banker deswegen auf eine Liberalisierung des chinesischen Kapitalmarkts, die aber nur langsam voranschreitet.

Momentan liegt die Bilanzsumme der Deutschen Bank China bei winzigen fünf Milliarden Euro. Unter den rund 1600 Firmenkunden sind gerade mal 150 chinesische Unternehmen. Doch Rose Zhu, Geschäftsführerin der Deutschen Bank in China, hält die Bank für gut positioniert: „Wir haben Lizenzen und Partnerschaften in allen Kernbereichen unseres globalen Geschäfts. Unsere Mitarbeiterzahl wuchs von 60 vor zehn Jahren auf 600 heute.“

Joint Ventures der Deutschen Bank

2009 gingen die Deutschen ein Joint Venture mit Shanxi Securities ein und halten 33,3 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen Zhong De Securities. Über das Joint Venture kann die Bank Börsengänge und die Ausgabe von Schuldverschreibungen begleiten. Im Privatkundenmarkt ist der Riese vom Main seit 2007 mit einer Beteiligung an der chinesischen Huaxia Bank tätig. Über das Joint Venture hat sie Zugriff auf das aussichtsreiche chinesische Kreditkartengeschäft.

In Indien, im Heimatland Anshu Jains, zählt die Deutsche Bank zu den führenden Kapitalmarkthäusern. Sie ist dort seit 1980 vertreten, 2005 stieg sie auch in das Privatkundengeschäft ein und zählte im Juni vergangenen Jahres über 400.000 Kunden.

Vertrauensvorschuss

Was die deutsche Industrie von den neuen Chefs der größten Bank des Landes erwartet, mag kaum ein Manager oder Unternehmer offen sagen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verweigert jede offizielle Stellungnahme. Ein Präsidiumsmitglied äußert sich verhalten optimistisch und sagt, zumindest von Fitschen seien „weitgehende Impulse“ für das Geschäft mit den hiesigen Unternehmen zu erwarten. Der Deutschen Bank müsse allerdings „klar sein, dass sie für die deutschen Unternehmen und Mittelständler zuständig“ sei.

BDI-Vize Ulrich Grillo geizt allerdings nicht mit Vorschusslorbeeren. Es sei „positiv herzuheben“, so der Eigentümer des Duisburger Hüttenunternehmens Grillo-Werke, dass Fitschen einen ganzen Nachmittag bei der vergangenen BDI-Jahrestagung verbracht habe. „Der Mann hat ja auch ganz schön viel anderes zu tun.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%