Deutsche Bank Was läuft schief, Herr Achleitner?

Im Interview mit der WirtschaftsWoche verteidigt Aufsichtsratschef Paul Achleitner die neue Strategie der Deutschen Bank. Von einer Personaldiskussion wollte er aber nichts wissen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Paul Achleitner ist gefordert wie nie. Der frühere Finanzvorstand der Allianz muss beweisen, dass die großen Hoffnungen berechtigt waren, die sein Amtsantritt als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank 2012 geweckt hatte. Da stand er für einen Neuanfang, weil er unbelastet von den Verfehlungen des Instituts vor der Finanzkrise war. Zudem ist Achleitner ein umgänglicher Teamspieler – anders als sein Vorgänger Clemens Börsig, der sich heftig mit dem damaligen Vorstandschef Josef Ackermann über dessen Nachfolge gestritten hatte.

Die Hoffnungen haben sich bisher kaum erfüllt. Ihre Ziele für das Jahr 2015 haben die Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen verfehlt. Vom Anspruch, eine der fünf wertvollsten Banken der Welt zu werden, ist das Institut weit entfernt. Achleitner selbst hat deshalb Ende 2014 eine Strategiedebatte angestoßen. Als deren Ergebnis wird die Deutsche Bank die ab 2008 übernommene Postbank abgeben und das Investmentbanking deutlich verkleinern.

Immer wieder überschatten Sünden der Vergangenheit den Neuanfang. Zuletzt musste die Bank umgerechnet 2,2 Milliarden Euro für die Manipulation der Referenzzinsen Libor und Euribor zahlen. Es herrscht viel Unruhe in der Bank. Am Montag wurde bekannt, dass der enttäuschte Privatkundenvorstand Rainer Neske das Institut verlässt. Seine Sparte verliert im Rahmen der neuen Strategie massiv an Bedeutung.

Angesichts der zahlreichen Baustellen bei der Bank hat der einflussreiche Aktionärsberater ISS empfohlen, den Vorstand auf der Hauptversammlung am Donnerstag nicht zu entlasten, auch der Investor und Aktionärsberater Hermes fordert offenbar Veränderungen im Vorstand. Achleitner hat die Vorstandschefs stets gestützt. Bisher.

Zur Person

WirtschaftsWoche: Herr Achleitner, nach Monaten der Suche hat die Deutsche Bank kürzlich ihre neue Strategie präsentiert – und enttäuscht. Investoren hatten mehr erwartet, der Aktienkurs ist eingebrochen. Was ist falsch gelaufen?

Paul Achleitner: Ob eine Strategie gut ist oder nicht, können Sie nicht an kurzfristigen Reaktionen des Aktienmarkts festmachen. Es geht hier um die ganz grundsätzliche Frage, was die Deutsche Bank künftig ausmacht. Die Antwort ist das Ergebnis eines sehr detaillierten und tief greifenden Prozesses. Der Vorstand hat eine Vielzahl von Optionen und Fragen geprüft, die langfristig für die Bank wichtig sind. Wir stehen hinter der Entscheidung, der Aufsichtsrat hat sich einstimmig dafür ausgesprochen.

Die Frage, wofür die Deutsche Bank künftig steht, haben Sie kaum beantwortet. Es bleibt der Eindruck, dass Sie zwar an einigen Stellen etwas abschneiden, aber im Grunde so weitermachen wie bisher.

Der Eindruck täuscht. Mit der strategischen Weichenstellung kehrt die Deutsche Bank zu ihren Wurzeln zurück, das ist wahrlich kein trivialer Weg. Seit ihrer Gründung 1870 finanziert und unterstützt diese Bank große Unternehmen international. Später hat sie dies durch die Vermögensverwaltung und Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen ergänzt. Natürlich muss sie sich den veränderten Bedürfnissen ihrer Kunden anpassen. Finanzierung findet heute stärker über den Kapitalmarkt statt, Privatkunden erledigen ihre Transaktionen deutlich öfter digital. Darauf mussten wir reagieren, und das haben wir getan.

Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank

Die Diskussion ist doch nicht in erster Linie durch die Wünsche der Kunden, sondern auf Druck der Regulierer in Gang gekommen. Die Bank wirkt getrieben, etwa beim Beschluss zur Abspaltung der Postbank.

Natürlich findet eine strategische Neuausrichtung nicht im luftleeren Raum statt, sondern muss auch veränderte Rahmenbedingungen berücksichtigen. Und selbstverständlich hat die Regulierung da eine wichtige Rolle gespielt. Bei der Deutschen Bank muss das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme angesichts ihrer globalen Bedeutung künftig bei fünf Prozent liegen. Die Postbank dagegen konkurriert mit Wettbewerbern, bei denen drei Prozent ausreichen. Das ist für sie ein klarer Nachteil, außerhalb eines großen Finanzkonzerns hat sie deutlich bessere Chancen. Deshalb haben wir uns für die Trennung entschieden, auch wenn uns dieser Schritt sicher nicht leichtgefallen ist.

"Die Trennung ist die eindeutig bessere Option"

Die Deutsche Bank ist 2008 bei der Postbank eingestiegen, hat Milliarden für die Integration ausgegeben und verkündet jetzt, dass sie wieder aussteigt. Das ist keine langfristige Strategie, sondern ein Zickzackkurs.

Das sehe ich anders. Wir können doch die veränderten Rahmenbedingungen nicht einfach ignorieren. Die Regeln, die die Verschuldung globaler Banken so streng begrenzen, gab es 2008 nicht und auch nicht 2012 beim Amtsantritt der jetzigen Führung.

Die Köpfe des Aufsichtsrates
Foto von Frank Bsirske Quelle: dpa
Henning Kagermann Quelle: dpa
Johannes Teyssen Quelle: dapd
John Cryan Quelle: dpa
Katherine Garrett-Cox Quelle: REUTERS
Paul Achleitner Quelle: dapd
Peter Löscher Quelle: dapd

Die Regulierung zwingt Sie, die Postbank abzugeben?

Wir können lange darüber diskutieren, ob die Vorgaben sinnvoll sind oder nicht, aber letztlich müssen wir sie akzeptieren und unsere Hausaufgaben machen. Und dabei müssen wir auch hinnehmen, dass eine Entscheidung, die 2008 vielleicht richtig war, es 2015 nicht mehr ist. Die Trennung ist die eindeutig bessere Option – auch für die Postbank.

Die Deutsche Bank hat die Entschlossenheit der Regulierer offenbar unterschätzt. Sonst hätte sie diese Entscheidung früher getroffen und nicht so spät reagiert.

Die strategische Weiterentwicklung eines Unternehmens ist in erster Linie die Aufgabe des Vorstands und nicht des Aufsichtsrats. Hinterher ist man bekanntlich immer klüger und kann sich mit entsprechenden Kommentaren profilieren. Das ändert nichts daran, dass das regulatorische Umfeld vor drei Jahren noch ganz anders aussah als heute.

Die Reaktionen auf die neue Strategie sind auch deshalb so verhalten, weil sie zwar die Richtung vorgibt, aber kaum Details nennt. Warum hat der Prozess, der in der Bank für viel Verunsicherung gesorgt hat, so lange gedauert?

Ich kenne diese Einwände, aber Sie dürfen nicht vergessen, wie intensiv und fundamental sich die verantwortlichen Gremien mit der Zukunft dieser Bank befasst haben. Wir haben viele unterschiedliche Optionen diskutiert, etwa den Rückzug aus internationalen Märkten zugunsten einer stärkeren Konzentration auf Europa. Die entscheidenden Weichenstellungen haben wir nun getätigt. Die Deutsche Bank bleibt eine führende globale, in Deutschland verankerte Bank. Wir werden auch künftig Unternehmen mit verschiedensten Dienstleistungen weltweit begleiten und das Geschäft mit Privatkunden weiter betreiben. Die wichtigsten Fragen zur Zukunft haben wir damit für absehbare Zeit beantwortet.

Auf den Tisch zu hauen ist ein Zeichen von Schwäche: Paul Achleitner mit den WiWo-Redakteuren Miriam Meckel und Cornelius Welp (v. l.). (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Andere Banken stehen vor den gleichen Herausforderungen, haben aber deutlich schneller auf das veränderte Umfeld reagiert.

Ich will mich nicht zu Wettbewerbern äußern. Wenn ich mir aber die Strategien internationaler Banken anschaue, fällt schon auf, dass sich viele von Randaktivitäten trennen und auf den eigentlichen Kern ihrer Dienstleistung konzentrieren. Den Schritt macht auch die Deutsche Bank. Sie konzentriert sich auf Kunden, mit denen sie eine intensivere Beziehung pflegen kann, die für beide Seiten vorteilhaft ist. Dafür gibt sie die Postbank ab und zieht sich aus ertragsschwachen Bereichen in der Investmentbank zurück.

Es bleibt der Eindruck, dass die beiden Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain seit 2012 viel Zeit ungenutzt verstreichen haben lassen.

Die Bank hat sich unter ihrer Führung deutlich stabilisiert und steht heute viel solider da als 2012.

Seit dem Amtsantritt von Fitschen und Jain wird deren Wirken heftig kritisiert, auch der Strategieprozess war geprägt von Indiskretionen. Wie sehr behindert Sie das?

Natürlich enttäuscht es mich, wenn Einzelnen ihr Ego wichtiger zu sein scheint als die Zukunft eines der wichtigsten deutschen Unternehmen. Tatsächlich ist Vertraulichkeit bei der Deutschen Bank eine ungewöhnlich große Herausforderung. Davon dürfen wir uns aber nicht irritieren lassen. Wir gehen auf unserem Weg möglichst unaufgeregt weiter.

"Es geht um die Zukunft der Deutschen Bank, nicht um die von Individuen"

Das scheint schwer, das Vertrauen in Fitschen und Jain hat auch bei Investoren gelitten. Für die kommende Hauptversammlung empfehlen einflussreiche Aktionärsberater wie ISS, den Vorstand nicht zu entlasten.

Es ist legitim, dass die Eigentümer ihre Bedenken, Einschätzungen und Empfehlungen dort äußern. Das ist schließlich der Sinn einer Hauptversammlung. Wir profitieren davon, wenn wir uns mit anderen Meinungen auseinandersetzen.

Jain und Fitschen haben die meisten ihrer für 2015 ausgegebenen Ziele verfehlt. Was spricht noch für sie?

Die Frage werden die beiden Co-Vorstandsvorsitzenden bei der Hauptversammlung selbst beantworten.

Sie haben die beiden Co-Chefs immer gestützt. Halten Sie sie weiter für die richtigen?

Ich werde keine Personaldiskussion mit Ihnen führen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Unsere Aufgabe als Aufsichtsrat besteht darin, alle Entwicklungen kritisch zu begleiten und zur richtigen Zeit die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Würden Sie gerne mit Jain und Fitschen weitermachen?

Wir arbeiten gemeinsam daran, dass es uns gelingt, wieder eine respektierte und geachtete Bank zu sein.

Das klingt nicht so, als ob die beiden unersetzbar wären.

Wer ist das schon? Es geht bei diesen Fragen um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen. Mit unserer neuen Strategie haben wir gezeigt, wo die Reise hingehen soll. Jetzt gilt es, diese erfolgreich umzusetzen.

Jürgen Fitschen steht derzeit wegen versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Verfahren in München vor Gericht. Warum halten Sie an ihm fest?

Wir beobachten und beurteilen den Fortgang des Verfahrens gewissenhaft. Das tun wir ganz nüchtern, ohne Rücksicht auf persönliche Wünsche und Sympathien. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist so groß, dass ich von einem richtigen Urteil ausgehe. Natürlich würden wir uns freuen, wenn am Ende ein Freispruch steht.

Altlasten wie der Kirch-Prozess belasten das Erscheinungsbild der Deutschen Bank. Vom Anspruch, wieder ein respektiertes Unternehmen zu werden, ist die Bank weit entfernt.

Die Lasten aus der Vergangenheit überdecken, was wir schon erreicht haben. Die Bank ist heute viel stabiler, es gibt mehr Kontrollen, und auch kulturell hat sich vieles zum Guten verändert. Wie arbeiten systematisch und hart daran, uns weiter zu verbessern und Altlasten kontinuierlich zu beseitigen.

Da haben Sie noch viel zu tun. Die britischen und US amerikanischen Aufseher haben gegen die Deutsche Bank nicht nur die höchste Strafe wegen der Manipulation von Referenzzinsen wie dem Libor verhängt, sondern auch den mangelhaften Willen zur Aufklärung kritisiert.

Wir müssen unterscheiden, ob es um individuelles Fehlverhalten oder technische Mängel geht. Dass die Bank technisch nicht alle Anforderungen immer unmittelbar erfüllen konnte, ist sehr bedauerlich. Eine aktive Blockadehaltung hat der Aufsichtsrat bisher nicht erkennen können. Dann hätte es entsprechende personelle Konsequenzen gegeben.

"Auf den Tisch hauen halte ich für ein Zeichen von Schwäche"

Anders als bei anderen Instituten hatten die Manipulationen bei der Deutschen Bank bisher kaum personelle Folgen im gehobenen Management. Ist das das richtige Signal für eine bessere Zukunft?

Es wäre voreilig, sich hierzu zu äußern, solange nicht alle Untersuchungen abgeschlossen sind. Wir werden das abwarten und angemessen reagieren.

Die meisten Fehler sind im Investmentbanking passiert, das Co-Chef Anshu Jain viele Jahre geleitet hat. Wann sind die Aufräumarbeiten fertig?

Ich vergleiche die aktuelle Situation gerne mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Sie hat enorme Fortschritte gebracht, hatte aber auch aus heutiger Sicht nur schwer erträgliche Begleiterscheinungen wie Kinderarbeit und rücksichtlose Umweltzerstörung. Seit Ende des 20. Jahrhunderts haben wir eine finanzielle Revolution erlebt, und auch hier sind einige Phänomene aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar. Wir müssen das gewissenhaft aufarbeiten, dürfen dabei aber nicht immer die Maßstäbe von heute anlegen. Einige Verhaltensweisen waren schlicht der Zeit geschuldet. Ich möchte nichts beschönigen. Aber wir sollten Menschen auch zugestehen, dass sie die neuen Gegebenheiten verstehen und sich ändern.

Die Deutsche-Bank-Doppelspitze in Zitaten

Sie sehen sich als Teamspieler und Sparringspartner. Müssten Sie nicht mal auf den Tisch hauen und klar sagen, dass es so nicht weitergeht?

Wer auf den Tisch haut, hat im Zweifel schon viele wesentliche Entwicklungen verpasst. Jeder hat seinen eigenen Stil, ich persönlich halte auf den Tisch hauen eher für ein Zeichen von Schwäche. Ich denke, dass wir bei der Deutschen Bank die richtige Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle gefunden haben.

Haben Sie die Aufgabe unterschätzt?

Wer sich einer solchen Aufgabe in solch turbulenten Zeiten stellt, erlebt zwangsläufig schwierige Situationen. Ich bin auch ein Mensch mit Emotionen, manche Dinge haben mich enttäuscht oder wütend gemacht. Ich bin aber überzeugt davon, dass die Deutsche Bank eine wichtige Institution für Europa ist. Und ich will, dass sie dieser Rolle gerecht werden kann.

Andere Aufsichtsratvorsitzende haben oft eine Vielzahl von Mandaten, Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Deutsche Bank. Ist die Aufgabe ein Vollzeitjob?

Eine effektive Kontrolle ist umso zeitaufwendiger, je größer die Umbrüche in einer Branche sind. Da sind Finanzunternehmen aktuell sicher nicht mit der Industrie vergleichbar. Kontrolle beschränkt sich nicht mehr auf Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, sie muss auch künftige Entwicklungen, etwa bei der Regulierung, möglichst gut antizipieren. Das ist ein enormer Aufwand. Wir haben deshalb im Aufsichtsrat die fachliche Expertise gestärkt und sieben Ausschüsse eingesetzt. Unsere Kontrollgremien haben sich im vergangenen Jahr 63 Mal getroffen. Das dürfte in Deutschland ein Rekord sein.

Sie haben auch die Führungsgremien der Bank aufgestockt, in den Vorstand ziehen zwei neue Mitglieder ein, das Group Executive Committee hat statt 12 inzwischen 22 Mitglieder. Ist das wirklich erforderlich?

Ich halte es für sinnvoll, wenn in der Führung möglichst viel unterschiedliche Kompetenz vertreten ist. Die Herausforderungen werden schließlich nicht geringer, wir stehen erst am Anfang einer Zeitenwende.

Inwiefern?

Wir reden viel darüber, wie die Digitalisierung über unsere Zukunft entscheidet. Ich halte die Finanzierung aber für eine genauso wichtige Dimension. Europa steht vor gigantischen Herausforderungen, und wir müssen uns fragen, wie die sich finanziell lösen lassen. Wir müssen eigentlich nicht nur über Industrie 4.0 diskutieren, sondern auch über Finanzierung 4.0.

"Wir ziehen uns nicht aus Deutschland zurück"

Wo sehen Sie Probleme?

Die Regulierung hat das Ziel, die Bankbilanzen zu verkürzen. Der Finanzbedarf in Europa wird aber nicht sinken, sondern steigen. Das lässt sich nur über den Kapitalmarkt lösen. Allerdings schränken wir die Möglichkeiten der Versicherungen und damit der einzigen langfristigen Investoren, die es in Europa gibt, regulatorisch weiter ein. Die Aktivitäten der Banken auf diesem Gebiet werden von den Regulierern ebenfalls kritisch beäugt. Wenn wir nicht aufpassen, wird es hier eine ähnliche US-amerikanische Dominanz geben, wie wir sie im Internet schon erleben.

Was wäre so schlimm daran?

Am Beispiel Russland sehen wir, wie effektiv Sanktionen auf dem Kapitalmarkt sein können. Das Thema hat eine immense politische Dimension, das erleben wir auch bei den Diskussionen um Griechenland. Ich glaube, wir sind generell gut beraten, wenn wir hier eine europäische Alternative zu den US-Adressen zulassen. Das sehen unsere Kunden weltweit genauso.

Bleibt die Deutsche Bank bei dieser globalen Orientierung noch ein deutsches Institut?

Sie bleibt so deutsch, wie das auch die großen Industriekonzerne hierzulande sind. Das sind internationale Unternehmen mit starken deutschen Wurzeln.

Die neue Strategie lockert diese Wurzeln nicht?

Das wäre eine völlig falsche Einschätzung. Nur weil wir die Postbank abgeben, ziehen wir uns nicht aus Deutschland zurück. Im Gegenteil: Wir bekräftigen unseren Anspruch, eine in Deutschland stark verankerte Bank zu sein.

Ist es ein Vorteil oder eine Belastung, das „Deutsche“ im Namen zu tragen?

Eindeutig ein Vorteil.

So tickt die Investmentsparte der Deutschen Bank

Es gibt den Eindruck, dass die Beschäftigten im Privatkundengeschäft nun die Sünden der Investmentbanker ausbaden müssen, weil diese im Konzern den Ton angeben.

Das halte ich für eine sehr verkürzte Darstellung. Wir haben uns gegen eine komplette Abspaltung des Privatkundengeschäfts entschieden, es bleibt ein wichtiger Bestandteil der Bank. Wenn es hier Veränderungen gibt, resultieren die vor allem aus dem veränderten Kundenverhalten und nicht aus angeblichen Vorlieben Einzelner in der Führung der Bank.

Für Veränderungen sorgt vor allem die Digitalisierung der Branche, mit ihr konkurrieren auch neue Wettbewerber mit den Banken. Wie sind die vorbereitet?

Die Digitalisierung verändert Gesellschaft und Geschäftsmodelle so wie vorher allenfalls die Einführung der Elektrizität. Ich glaube, dass große Banken besser mit den neuen Technologien umgehen können als Neueinsteiger. Das heißt nicht, dass es keine Nischen gibt, in denen diese erfolgreich sein können.

"Anleger brauchen mehr und bessere Beratung"

Wie verändert die Digitalisierung die Deutsche Bank?

Es geht hier mehr um grundlegende Prozesse und weniger um möglichst attraktive Apps für Konsumenten, auch wenn diese wichtig sind. Entscheidend ist aber, ob wir unsere Strukturen so anpassen können, dass wir das enorme Volumen an vorhandenen Daten zum Vorteil unserer Kunden bestmöglich nutzen können.

Geschäfte wie der durch Algorithmen gesteuerte Hochfrequenzhandel legen den Verdacht nahe, dass die Digitalisierung der Banken zu weit fortgeschritten ist.

Auf einen Blick: Probleme bei der Deutschen Bank

Von der Idee, dass Modelle den Menschen überlegen sind, hat sich unsere Branche mit der Krise ab 2008 schmerzhaft verabschiedet. Wir können unsere Algorithmen noch so sehr optimieren, Kausalzusammenhänge werden sie nicht ausreichend erfassen. Und kein noch so gutes Programm kann einen erfahrenen Experten ersetzen, der einem Händler im Handelsraum sofort anmerkt, wenn er ins Schwitzen gerät.

Welche Rolle spielt die persönliche Beratung?

Der Bedarf wird wachsen, und die Banken werden stärker dazu übergehen, an Gebühren für Dienstleistung und Beratung zu verdienen. Sie haben kaum eine Alternative, an der Spanne zwischen Kredit- und Einlagenzinsen verdienen sie immer weniger.

Kunden und Banken leiden unter dem Dauerzinstief.

Nicht alle. Kreditnehmer und der Staat profitieren enorm von den historisch niedrigen Zinsen. Aber sie treffen jeden Sparer und haben enorme Auswirkungen auf die Altersvorsorge. Anleger brauchen mehr und bessere Beratung. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir weiter über Expertise auf dem Kapitalmarkt verfügen.

Sie sind Fan des FC Bayern München. Dort steht Trainer Pep Guardiola unter Druck. Wie sollte der Verein agieren?

Ich hoffe, dass er sich von der langfristigen Perspektive und nicht von kurzfristigen Erschütterungen leiten lässt. Ein erfolgreicher Trainer muss aber neben Können auch Fortüne haben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%