Der lange inflationär verwendete Begriff des Kulturwandels ist in der Deutschen Bank mittlerweile völlig verpönt. Schließlich erinnert er zu sehr an die erfolglose Amtszeit der 2015 abgetretenen Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Weder der aktuelle Vorstandschef John Cryan noch der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner nehmen ihn bei der Hauptversammlung des Instituts in den Mund. Und doch betreiben sie in ihren Ausführungen vor den zahlreichen, in der Masse erstaunlich friedlichen Aktionären eine Imageumkehr in eigener Sache. Seht her, so die Botschaft, wir sind eigentlich ganz anders als ihr denkt - und uns immer mal wieder vorwerft.
Die teuersten Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank
In der Affäre um Geldwäsche von Kunden bei Wertpapiergeschäften in Moskau, London und New York muss die Deutsche Bank umgerechnet knapp 600 Millionen Euro an Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien zahlen. Deutsche-Bank-Kunden kauften zwischen 2011 und 2015 bei der Moskauer Filiale Aktien großer Konzerne in Rubel - um diese dann an westlichen Handelsplätzen in dortiger Währung wieder zu verkaufen. So sollen rund 10 Milliarden Dollar Rubel-Schwarzgeld gewaschen worden sein. Die Deutsche Bank habe wegen Aufsichtsversagens zahlreiche Gelegenheiten ungenutzt gelassen, das Komplott zu unterbinden, urteilte die New Yorker Finanzaufsicht DFS und verhängte ein Bußgeld von 425 Millionen Dollar. An die britische Finanzaufsicht FCA muss die Deutsche Bank 163 Millionen Pfund zahlen.
Kurz vor Weihnachten einigt sich die Deutsche Bank mit den US-Behörden auf einen Vergleich über 7,2 Milliarden Dollar (6,7 Mrd Euro) für dubiose Hypothekengeschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise 2007/2008. 3,1 Milliarden Dollar werden als Zivilbuße fällig, 4,1 Milliarden Dollar muss die Bank über fünf Jahre verteilt an „Erleichterungen für Verbraucher“ zur Verfügung stellen. Wie sich das auf die Bilanz auswirkt, ist noch offen. US-Justizministerin Loretta Lynch kritisiert das Institut harsch: „Die Deutsche Bank hat nicht nur Investoren getäuscht, sie hat direkt zu einer internationalen Finanzkrise beigetragen.“ Ursprünglich hatte US-Justizministerium mit 14 Milliarden Dollar Strafe gedroht.
Die Deutsche Bank muss wegen ihrer Verstrickung in den Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Das Institut verständigt sich mit Behörden in den USA und Großbritannien auf einen Vergleich. Es ist die höchste bislang verhängte Buße gegen eine Bank in diesem Fall.
Die Bank zieht einen teuren Schlussstrich unter den Dauerstreit um die Pleite des Kirch-Medienkonzerns. Insgesamt 925 Millionen Euro kostet der am Oberlandesgericht München besiegelte Vergleich. Damit beendete die Bank die juristische Auseinandersetzung um eine Mitverantwortung für die Pleite des Kirch-Konzerns 2002.
Das Institut zahlt 1,9 Milliarden Dollar in einem Streit um Hypothekenpapiere in den USA. Die beiden staatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac fühlten sich bei Hypothekengeschäften aus den Jahren 2005 bis 2007 übers Ohr gehauen.
Der Konzern steht für zwielichtige Hypotheken-Geschäfte der US-Tochter MortgageIT gerade. Um eine Klage aus der Welt zu schaffen, fließen 202 Millionen Dollar.
Das Geldhaus legt einen Streit mit der Stadt Mailand über umstrittene Zinswetten gegen eine Millionen-Zahlung bei. Insgesamt erhält die italienische Wirtschaftsmetropole 455 Millionen Euro. Die Entschädigungszahlung teilen sich vier Banken.
Wie es die gute Ordnung will, macht Achleitner den Anfang. Ihm haben große Aktionäre und manche Gegner immer wieder vorgeworfen, dass er zu weich und wankelmütig für den Job sei. Zu lange habe er Jain und Fitschen machen lassen, zu unentschlossen habe er die diversen Skandale aufgeklärt, zu schwammig sei die von ihm in Auftrag gegebene Strategie ausgefallen. Mit den Vorurteilen will er nun ganz offensichtlich aufräumen. Hätte eine HV-Rede eine Überschrift, so könnte sie ohne Weiteres „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ lauten. „Es lohnt sich für diese Deutsche Bank zu kämpfen“, sagt Achleitner gleich zu Beginn mit möglichst kraftvoller Stimme. Und damit auch keiner daran zweifelt, wie schwer dieser Kampf ist, nennt er eine Zahl. 303 mal hat sich das Kontrollgremium im Laufe seiner Amtszeit seit 2012 getroffen. „Wohl kein anderer Aufsichtsrat arbeitet so viel wie unserer“, sagt er.
Aber wer viel arbeitet, arbeitet ja nicht automatisch gut. Und so gibt der Chefkontrolleur ein paar Beispiele für seinen Lernwillen. In einem „von externen Beratern als vorbildlich bezeichneten Fortbildungsprogramm“ etwa habe das Gremium im abgelaufenen Jahr sechs Tage verbracht. Spärlichen Applaus gibt es jedoch erst, als Achleitner in Aussicht stellt, dass er sich von früheren Vorständen eine ganze Menge Geld zurückholen wird.
Aktionäre hoffen, das Ruhe einkehrt
Immerhin bleiben während der Rede größer Unmutsbekundungen aus. Vermutlich sind die leidgeprüften Aktionäre einfach froh, wenn bei der Bank endlich etwas Ruhe einkehrt. Diesem Wunsch der Investoren verdankt es Achleitner wohl vor allem, dass er trotz aller Turbulenzen und Kehrtwenden am Ende des Tages tatsächlich für eine zweite Amtszeit gewählt werden wird. Von seiner zur Schau gestellten Kompromisslosigkeit dagegen sind viele nicht wirklich überzeugt.
Auch der demonstrative Optimismus von Vorstandschef John Cryan mag für viele Aktionäre überraschend sein. Schließlich gilt der Brite als eher mürrischer Chef, etliche zweifeln sogar daran, dass der Restrukturierer der Richtige ist, um die Bank zurück auf den Weg optimistischen Wachtsums zu führen. Die ersten Klatscher gibt es denn auch nicht für eine Zukunftsbotschaft, sondern für die Bekräftigung des Bonusverzichts für das abgelaufene Jahr.
Doch nach den Pflichtmeldungen über Sparerfolge und Altlastenabbau streut Cryan ein Beispiel nach dem anderen ein, das belegen soll, wie segensreich das Wirken der Deutschen Bank sein kann. Burda druckt mit der finanziellen Förderung der Bank Schulbücher für Afrika, in New York finanziert sie gleich ein ganzes Stadtviertel. Der aufmerksame Beobachter ahnt schon, worauf das hinausläuft. Und richtig, am Schluss fasst Cryan noch mal zusammen, wofür die Bank stehen soll. Für #positiveimpact nämlich, der Hashtag, der den alten Claim „Leistung aus Leidenschaft“ ersetzen soll. „Schon die ersten Tage zeigen, wie viel Energie das freisetzt“, sagt Cryan.
Damit ihm das auch jeder glaubt, zeigt der Chef anschließend ein kleines Filmchen, in dem ganz viele Menschen Smartphones benutzen und außerdem auffällig viel gebaut wird. Und ein paar Mitarbeiter erklären auch noch, wie gut sie es finden, dass sie jetzt auch mal wieder optimistisch sein dürfen. Cryan darf das jetzt offenbar auch. Die Aktionäre werden noch brauchen, bis sie glauben, dass es tatsächlich wieder aufwärts geht.