„Die EZB will Blut sehen“ Banken sollen Schiffskredite strenger bewerten

Die Latte für Schiffsbanken im Bilanzcheck soll erhöht werden: Die EZB kritisiert Modelle, nach denen deutsche Banken den Wert von Schiffen berechnen als zu optimistisch. Die Banken müssen sich auf Gegenwind einstellen.

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Deutsche Schifffinanzierer müssen sich auf hohe Wertberichtigungen einstellen, darunter sind HSH Nordbank, NordLB und Commerzbank. Quelle: dpa

Frankfurt Die deutschen Schiffsfinanzierer müssen sich im europaweiten Bilanzcheck für Banken auf Gegenwind einstellen. Die Europäische Zentralbank (EZB) will die teilnehmenden Institute zu einer wesentlich strengeren Bewertung ihrer Schiffskredite zwingen, wie sechs mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.

Die Modelle, mit denen deutsche Institute den Wert von finanzierten Schiffen berechnen, gehen aus Sicht der EZB von zu optimistischen Annahmen aus. Nach langen Debatten mit den deutschen Aufsichtsbehörden wolle die EZB im Bilanzcheck deshalb einen pauschalen Abschlag auf die Schiffsbewertungen vornehmen, erklärten drei der Insider.

Die deutschen Institute, die zu den größten Schiffsfinanzierern in Europa zählen, müssten sich in dem Test deshalb auf höhere Wertberichtigungen einstellen. Die HSH Nordbank hatte zuletzt 20 Milliarden Euro an den schwächelnden Sektor verliehen, die NordLB 16 Milliarden und die Commerzbank 13 Milliarden.

Die betroffenen Banken sind wütend über das Vorgehen der EZB, zumal es auch ihrer Sicht nicht mit den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) vereinbar ist. „Die EZB will Blut sehen“, sagte ein hochrangiger Banker. „Sie will ihre kritischen Annahmen, was die deutsche Schiffsfinanzierung angeht, bestätigt wissen.“

Aus Sicht eines anderen Bankvorstands zeigt die Diskussion, dass Banken und nationale Aufsichtsbehörden mit ihren Einwänden beim europäischen Gesundheitscheck meist nur wenig bewegen können. „Am Ende entscheidet die EZB.“


Einigung in Sicht

Deutsche Banken berechnen den Sicherheitswert der von ihnen finanzierten Schiffe schon lange mit sogenannten Discounted-Cash-Flow-Modellen (DCF-Modellen). Berücksichtigt werden dabei – basierend auf den Vorhersagen von Prognoseinstituten über die Entwicklung der Charterraten – die zukünftigen Einnahmen, die ein Schiff einfahren kann.

Dieser Wert ist in der Regel höher als der Marktwert, zu dem Schiffe aktuell verkauft werden könnten. Dies liegt daran, dass die Schifffahrt wegen Überkapazitäten, gestiegener Treibstoffkosten und des mauen Welthandels seit rund sechs Jahren in einer tiefen Krise steckt.

Die deutschen Aufsichtsbehörden haben in der Diskussion mit der EZB ausführlich dargelegt, warum die DCF-Modelle aus ihrer Sicht sinnvoll sind, wie mehrere Insider berichten. Die EZB habe dagegen eine Kalkulation bevorzugt, die sich stärker an den aktuellen Marktwerten orientiert.

Mittlerweile zeichnet sich jedoch eine Einigung zwischen den Extrempositionen ab, wie mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen berichten. Demnach soll ein pauschaler Abschlag („prudential haircut“) auf den nach DCF ermittelten Wert der Schiffe angesetzt werden. Nach dem letzten Verhandlungsstand könnte sich dieser Abschlag auf zwölf Prozent belaufen, sagten zwei mit den Diskussionen vertraute Personen.


„Völlig neue Vorgehensweise“

In den Banken wird der sich abzeichnende Kompromiss kritisch gesehen. „Da werden sämtliche Methodengrundsätze über Bord geschmissen, um ein Ergebnis zu produzieren“, sagte ein hochrangiger Banker. „Das ist eine völlig neue Vorgehensweise, die nach IFRS nicht zulässig ist.“ Er gehe deshalb nicht davon aus, dass die Ergebnisse des Bilanzchecks in die Gewinn- und Verlustrechnung seines Institut einfließen werden.

Wie stark die Wertberichtungen der Banken im Bilanzcheck wegen der neuen Bewertungsmethode steigen werden, sei derzeit noch nicht abzusehen, sagte ein anderer Banker. Das gelte auch für die Frage, ob Schiffsbanken deshalb beim Gesundheitscheck durchfallen könnten.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die Deutsche Bundesbank sowie die betroffenen Banken wollten sich zu dem Thema nicht äußern. Eine EZB-Sprecherin hielt sich zu den Details ebenfalls bedeckt. Grundsätzlich sollten die Vorgaben zu „angemessen konservativen Ergebnissen“ führen, die über Ländergrenzen hinweg vergleichbar seien, erklärte sie.

Die EZB unterzieht die großen Institute derzeit einem umfassenden Gesundheitscheck, der aus einer Detailprüfung riskanter Bilanzpositionen (AQR) und einem Stresstest besteht. Mit der Prüfung soll sichergestellt werden, dass die Geldhäuser „besenrein“ sind, wenn die Notenbank im November die Aufsicht über die größten Geldhäuser in den 18 Euro-Ländern übernimmt.

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