WirtschaftsWoche: Herr Voigtländer, welche Chancen geben Sie den verbleibenden Landesbanken nach der Schließung der WestLB nächste Woche?
Voigtländer: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Landesbankensektor in der jetzigen Aufstellung langfristig nicht überlebensfähig ist. Um Strukturen anzupassen und Kapazitäten abzubauen, sind Fusionen am sinnvollsten, auch wenn sie leider einen unvermeidbaren und schmerzhaften Personalabbau bedeuten. Schon vor Jahren gab es Ankündigungen von Ministerpräsidenten, sich diesem Thema zu widmen. Aber passiert ist nichts. Bis heute werden überkommene Strukturen einzementiert, und regionale Interessen bleiben im Vordergrund.
Sie haben als Vorstand im Genossenschaftsbereich erfolgreiche Bankzusammenschlüsse erlebt. Warum klappt das bei den Sparkassen und Landesbanken nicht?
Anders als Sparkassen stehen Genossenschaftsbanken unter denselben ökonomischen Sachzwängen wie Privatbanken. Und Genossen ringen so lange auf der Basis von Zahlen, Fakten, Kundenbedürfnissen und Bilanzen, bis sie einen vernünftigen Kompromiss finden – und das in einer offenen Feldschlacht. Bei den Sparkassen wird hinter den Kulissen telefoniert und die beschriebenen Fragen kommen, soweit ich das erlebe, erst am Ende. Dort ist am wichtigsten: Wie kann ich den Ist-Zustand bewahren?
Kann das größte deutsche Bundesland auf eine eigene Landesbank verzichten?
Die Zeiten, in denen ein Bundesland die eigene Bank braucht, sind doch seit Jahrzehnten vorbei. Ein Land braucht, gerne in Kooperation mit anderen Bundesländern, leistungsfähige Dienstleister für den regionalen Mittelstand und die Sparkassen. So wie es mit der Helaba für Hessen und Thüringen längst funktioniert. Aber ich warne davor, sich zu sehr auf diejenigen zu verlassen, die immer nur erklären, was alles nicht geht. Das killt sämtliche Initiativen.
Sie sind 2008 angetreten, um die WestLB zu retten. Sind Sie gescheitert?
Ich habe die WestLB nicht retten können. Die ganze Bank hat im Jahr 2011 hart an einem Gegenentwurf zur Umstrukturierung gearbeitet, wie sie die EU wollte. Statt einer Zerschlagung wollten wir die überalterten Strukturen im Landesbankensektor aufbrechen und über Bundeslandgrenzen hinweg Kräfte bündeln. Das wäre Erfolg versprechend gewesen. Aber ich habe die externen Einflüsse und die Veränderungsresistenz unterschätzt.
Schwierigkeiten in Brüssel
Welche externen Einflüsse?
Wir hatten viele Feinde in Brüssel und nur wenige Freunde in Berlin. Die WestLB musste in Brüssel schon seit Jahren stellvertretend die Probleme des ganzen Landesbankensektors ausbaden. Diese grundsätzlichen Ressentiments uns gegenüber haben mich dann doch überrascht. Sobald wir in den Verhandlungen mit den Mitarbeitern der zuständigen EU-Generaldirektion Verständnis für unsere Vorschläge erlebt haben, gab es die Anweisung von oben, uns ja nicht weiter entgegenzukommen.
Hätten Sie mehr Unterstützung von der Bundesregierung gebraucht?
Ja, und nicht nur in Brüssel.
Hatten Sie als WestLB-Chef überhaupt Einfluss auf wichtige Entscheidungen?
Sagen wir es so: Die Entscheidungen fallen in Brüssel, schwappen rüber nach Berlin und landen dann in Düsseldorf und Frankfurt. Für mich war es besonders schwierig, dass es bei ökonomisch sinnvollen Handlungssträngen, die auch genehmigungs- und umsetzungsfähig waren, aus anderen Gründen keine Unterstützung gab.
Haben Sie mal gedacht, das tue ich mir nicht länger an?
Irgendwann war es bei mir auch mal so weit. Aber ich will am nächsten Morgen in den Spiegel gucken können: Also Niederlagen eingestehen und die Chancen für die Bank sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, die sich jetzt aus den neuen Entscheidungen ergeben. In den letzten Wochen haben wir dafür Tag und Nacht sehr hitzig mit Sparkassenorganisationen, dem Land NRW und dem Bund verhandelt. Es geht ja um sehr viel Geld. Die Risiken, wenn die geplante Aufspaltung nicht funktioniert, wären gigantisch.
Wie haben Sie den Stress abgebaut?
Ich habe mich beim Radfahren ausgepowert und feste getreten. Aber ich verrate Ihnen jetzt nicht, auf welche Namen ich das linke und das rechte Pedal getauft habe. Bis dato ging es bei mir im Leben immer aufwärts, jetzt muss ich eben zur Kenntnis nehmen, dass es auch mal heftige Tiefschläge gibt. Dann muss man eben wieder aufstehen. Auch wenn es nicht so einfach ist, wie es sich anhört.
Wie lange werden Sie noch bei der WestLB-Nachfolgerin Portigon bleiben? Ihr Vertrag läuft bis Juli 2013.
Jetzt sind die Eigentümer dran. Wenn sie die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Portigon schaffen, bleibt das eine spannende Herausforderung.