Direktbanken Das taugen Lockangebote beim Tagesgeld

Gerade ausländische Direktbanken locken immer wieder mit Tagesgeldzinsen weit über dem Marktschnitt. Wie lukrativ diese Angebote für die Banken sind und was Sparer dabei beachten müssen.

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Das sind die beliebtesten Direktbanken
Audi Bank DirectAuf Platz 10 landet die Direktbank des Autoherstellers Audi mit 75,8 von 100 möglichen Punkten. Bei der Umfrage, die vom Deutschen Institut für Service-Qualität im Auftrag vom Nachrichtensender n-tv durchgeführt wurde, bewerteten insgesamt 37.923 Kunden ihre Direktbank. Quelle: dapd
Bank of ScotlandMit 76,2 von 100 Punkten landet die Bank of Scotland auf dem 9. Platz. Die Bank mit Hauptsitz im schottischen Edinburgh ist in Deutschland als Direktbank tätig und bekannt für attraktive Zinsen aufs Tagesgeld. Nicht zu verwechseln ist das Institut mit der Royal Bank of Scotland.
MoneYouDie Direktbanktochter der niederländischen ABN AMRO Bank ist seit 2011 auch in Deutschland aktiv und landete gleich auf dem achten Platz. Insgesamt überzeugten die untersuchten Direktbanken vor allem mit ihren Möglichkeiten beim Online-Banking.
NIBC DirectAuch auf dem siebten Platz landet mit NIBC Direct die Tochter einer niederländischen Bank. Seit Februar 2009 sind die Niederländer auch auf dem deutschen Markt aktiv.
Mercedes-Benz BankUnd noch eine Auto-Bank hat es unter die Top-Ten geschafft. 78,8 von 100 Punkten erreichte die Bank insgesamt. Die gesamte Befragung ergab eine hohe Zufriedenheit der Kunden mit ihrer Bank, dafür spricht, dass mindestens 80 Prozent der Befragten jeder Bank das gleiche Institut wieder wählen würden. Quelle: dpa
Wüstenrot DirectAuch die Bausparkasse bietet ihren Kunden Service rund ums Geld und erreichte damit 79,3 von 100 Punkten und den fünften Platz. Quelle: dpa/dpaweb
1822direktKurz hinter den Medaillenrängen auf Platz 4 landet 1822direkt. Die Direktbank der Frankfurter Sparkasse erhielt 79,7 von 100 Punkten. In der Kategorie Service erreichte die Bank sogar den zweiten Platz. Quelle: AP

Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Dieses Zitat von Friedrich Schiller gilt für Anleger in der Niedrigzinsphase mehr denn je. Tagesgeld ist daher in Deutschland so beliebt wie lange nicht mehr – trotz der Minizinsen, die Banken ihren Kunden bieten. Umso leichter haben es Institute, die mit Tagesgeldzinsen weit über dem Marktschnitt Kunden locken. Oft sind es ausländische Direktbanken, die in Deutschland auf die Jagd nach Einlagen gehen. Sie führen die Tagesgeldcharts an – vor deutschen Direktbanken und weit vor Filialbanken wie der Deutschen Bank oder den Sparkassen.

Die Unterschiede sind gewaltig. Einerseits zahlen die meisten Sparkassen, Volksbanken oder große Privatbanken wie die Commerzbank oft maximal 0,25 Prozent Zinsen und liegen damit deutlich unter der aktuellen Teuerungsrate in Deutschland von 1,3 Prozent. Gleichzeitig gibt es aber Banken, bei denen Sparer den Inflationsausgleich sogar mit Tagesgeld schaffen. Aktuell liegen die höchstbietenden Institute bei 1,5 Prozent.

Dass die Kostenstruktur einer Direktbank eine andere ist als die einer Sparkasse oder Volksbank ist offensichtlich. Aber auch zwischen den einzelnen Internet-Banken gibt es Unterschiede. Während etwa die comdirect, die Online-Tochter der Commerzbank, für ihr Tagesgeld-Konto gerade einmal 0,6 Prozent Zinsen locker macht, können Neukunden der österreichischen VTB zur Zeit 1,5 Prozent kassieren. Allerdings nur im Rahmen einer Aktion bis Anfang März.

Aber warum können sich einige Online-Banken solche Lockangebote leisten? Wie nachhaltig sind diese Angebote? Und welche Risiken gehe ich als Kunde ein, wenn ich mich darauf einlasse?

Während die comdirect ihre vergleichsweise niedrigen Zinsen damit erklärt, dass sie Wert lege auf ein ausgewogenes Zusammenspiel aus angemessenen Konditionen und der aktuellen Marktlage, propagiert die VTB werbewirksam ihren Zinsknaller und geht so auf die Jagd nach Einlagen. Für Banken ist so ein Halali einerseits lukrativ, sie können schnell Geld eintreiben. Branchenkenner erklären, dass bei guten Angeboten in nur ein bis zwei Wochen dreistellige Millionenbeträge in die Kasse fließen können. Ganz ungefährlich ist das für Banken allerdings nicht. „Tagesgeldeinlagen sind eine riskante Form der Banken-Refinanzierung, vor allem wegen der täglichen Kündigungsmöglichkeit seitens der Kunden und Compliance-Fragen“, sagt Klaus Fleischer, Professor für Banklehre an der Hochschule München.

Denn um mit dem Geld der Kunden auch etwas zu verdienen, muss es angelegt werden. Je längerfristiger, desto besser. Nutzen Banken das Kapital beispielsweise, um damit Kredite zu vergeben, für die sie wiederum höhere Zinsen kassieren können, ist das ein lukratives Geschäft. Banker sprechen von positiver Fristentransformation, wenn langfristige Investitionen mit kurzfristigen Geldern finanziert werden. Diese Fristentransformation ist allerdings zuletzt immer schwieriger geworden. Die comdirect etwa erklärte gegenüber WirtschaftsWoche Online, es sei im Niedrigzinsumfeld schwieriger geworden, die Balance zwischen Kundenzins und Profitabilität zu managen.

Gleichzeitig gehen die Banken ins Risiko: Sparer mit Tagesgeldkonten können ihr Geld jederzeit wieder abziehen. „Sie brauchen nur eine schlechte Nachricht über die Bank, dann ziehen Anleger in großem Umfang Gelder ab und wechseln zu einem Wettbewerber“, sagt Fleischer. Auch das sogenannte Zins-Hopping, also der Wechsel von einem Angebotszins zum nächsten, wird immer beliebter. Zwar wissen Beobachter, dass Tagesgeldanleger relativ träge sind und nicht so oft den Anbieter wechseln. Langfristig planen können Banken mit den Kundeneinlagen dennoch nicht.

ING Diba gilt als Paradebeispiel

Diese Länder haben die meisten Bankfilialen
SchweizSpätestens seitdem das gefährliche Geschäftsmodell von Zypern, ein überdimensionierter Banksektor, der das Geld ausländischer Sparer anlockt, gescheitert ist, stehen vor allem kleine Staaten mit großen Banken in der Kritik. Auch die Anzahl der Bankfilialen kann ein Indikator dafür sein, welche Rolle die Finanzindustrie in einem Land spielt. Allerdings weisen einige Länder allein aufgrund niedriger Bevölkerungszahlen eine hohe Filialdichte auf. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt jährlich Daten darüber heraus, wie viele Bankfilialen ein Land je 100.000 Einwohner vorweisen kann. Für das Jahr 2011 hat es die Schweiz dabei gerade so in die Top Ten geschafft, mit 51 Filialen je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland kommt gerade einmal auf 15 Filialen je 100.000 Einwohner. Quelle: dpa
IslandDas was Zypern in den letzten Wochen durchmachte kennt Island gut. Dem dortigen Bankensystem wurde die Finanzkrise 2008 zum Verhängnis. Von der Pleite der größten isländischen Bank Kaupthing waren auch zahlreiche ausländische Sparer aus Großbritannien und den Niederlanden betroffen. Wie sich einer solche Krise auf das Bankensystem auswirken kann, zeigt ein Blick auf die Zahl der Bankfilialen. Während Island zu Spitzenzeiten 2004 auf 90 Filialen je 100.000 Einwohner kam, sind es mittlerweile nur noch 52. Quelle: dpa
BulgarienAuch Bulgarien liegt was die Bankfilialen angeht weit vorne, 58 Niederlassungen kommen auf 100.000 Einwohner. Allerdings gilt das Land dank niedrigem Defizit als stabil. Zuletzt wurde spekuliert, ob Russlands Sparer ihr Geld jetzt von Zypern nach Bulgarien verlegen. Quelle: dpa
PeruEtwas überraschend ist auch das südamerikanische Peru in der Liste der Länder mit den meisten Bankfilialen sehr prominent vertreten. Auf 58 Filialen je 100.000 Einwohner kommt das Andenland, welches vor allem für seine von den Inkas erbauten Ruinenstadt Machu Picchu bekannt ist. Quelle: dpa
PortugalMit Portugal taucht auf Platz Fünf des Rankings der erste Euro-Krisenstaat auf. 64 Bankfilialen entfallen auf 100.000 Einwohner. Die Krise hat das Land derweil noch längst nicht überstanden, erst in der vergangenen Woche gingen zahllose Portugiesen auf die Straßen, um gegen die dortige Sparpolitik zu demonstrieren. Quelle: dpa
MongoleiAuch wenn das Bild es nicht vermuten lässt, die Mongolei gehört zu den Ländern mit der höchsten Dichte an Bankfilialen je Einwohner. Auf 100.000 Einwohner kommen 66 Filialen. Das mag allerdings auch daran liegen, dass das asiatische Land zwar viermal so groß ist wie Deutschland, aber insgesamt nur rund 3,18 Millionen Einwohner hat. Damit gilt die Mongolei als einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Quelle: REUTERS
ItalienMit Italien ist ein weiterer südeuropäischer Wackelkandidat in den Top-Fünf vertreten. 66 Bankfilialen je 100.000 Einwohner kann der Staat vorweisen. Zuletzt sorgte vor allem die Bank Monte dei Paschi für Wirbel, die älteste Bank der Welt. Unter anderem sollen sich Manager bereichert haben und Kommissionen kassiert haben. Die Affäre um das Geldinstitut forderte sogar bereits ein Opfer, Kommunikationschef David Rossi beging Selbstmord und hinterließ eine Nachricht. "Ich habe Mist gebaut", war dort zu lesen. Quelle: dpa

Dennoch schaffen es einige Institute, sich seit langem in den Tagesgeld-Spitzenpositionen zu halten. Ein klassisches Beispiel ist die ING Diba, die bei vielen Auslandsbanken als Vorbild gilt. Die Tochter der niederländischen ING Gruppe hat sich dank ihrer Tagesgeldangebote dauerhaft am deutschen Markt etabliert. Über die Tochter Interhyp wiederum vermittelt die ING Diba Immobilienkredite an Verbraucher. So gehen beide Bereiche eine lukrative Symbiose ein. Am Freitag verkündete die Bank ein neues Rekordergebnis. Mit ihren 8,1 Millionen Kunden steigerte die Bank ihren Nettogewinn um satte 46 Prozent auf 474 Millionen Euro. Mehr als eine halbe Million neue Kunden seien hinzugekommen, so ING-Diba-Chef Roland Boekhout. Der Großteil der 104 Milliarden Euro Kundeneinlagen hätten die Sparer in Tagesgeld angelegt.  

Gleichzeitig legen allein die Zinsdifferenzen zwischen den einzelnen Banken nahe, dass das Geschäft mit den Lockangeboten nicht immer gewinnbringend ist. „Anleger müssen zwischen normalen Konditionen und Marketingkonditionen unterscheiden“, sagt Olaf Stotz, Professor an der Frankfurt School of Finance. Letztere würden mehr oder weniger aus dem Marketingbudget der jeweiligen Banken finanziert. „Mit den hohen Zinsen werden Sparer als Neukunden gewonnen und auf andere Produkte aufmerksam gemacht, um damit dann Gewinne zu erzielen", sagt Fleischer. Gerade Auslandsbanken wie Moneyou, Rabodirect oder der Onlineableger der spanischen Santander nutzen Tagesgeldangebote als Ausgangspunkt in den deutschen Markt. Häufig würden die vergleichsweise hohen Zinsen dann durch andere Geschäftsbereiche der Institute quersubventioniert, so Fleischer. Der Bankexperte schätzt, dass das Geschäft bei einem Zins von etwa 0,7 Prozent ein für die Banken ein Nullsummenspiel ist.

Einige Banken geben daher zumindest hinter vorgehaltener Hand zu, sich eine Position unter den besten Tagesgeldzins-Zahlern nicht auf Dauer leisten zu können. Dafür ist die Nachfrage zu groß. Auch die Rabodirect, der Online-Ableger der niederländischen Rabobank, musste sich zwischendurch aus den Tagesgeld-Vergleichscharts zurückziehen, da die Mitarbeiter der Online-Bank den Kundenansturm nicht mehr bewältigen konnten.

Ähnliches passierte auch der Mercedes Bank, zeitweise war die Autobank so beliebt, dass die Webseite zusammenzubrechen drohte. Seit dem haben die Stuttgarter ihr Angebot deutlich reduziert und bieten jetzt nur noch 0,7 Prozent für ein Online-Tagesgeldkonto.

Grundsätzlich benutzen gerade Autobanken den Tagesgeldkanal gerne zur Refinanzierung. Beobachter schätzen, dass sie etwa ein Viertel ihres gesamten Refinanzierungsvolumens aus Tagesgeldeinlagen generieren. Für die Autofinanzierer ist das einfach und günstig, denn sie verfügen oft über deutlich schlechtere Ratings als große Privatbanken. Für sie ist es daher teurer, sich über die traditionellen Kanäle wie den Interbankenmarkt oder über die Europäische Zentralbank (EZB) zu refinanzieren. Große Privatbanken dagegen haben ein so gutes Rating, dass sie sich leicht über andere Kanäle refinanzieren können und auf Lockangebote beim Tagesgeld nicht angewiesen sind.

Worauf Kunden achten müssen

Dennoch ist das Modell der Autofinanzierer einfach. Sie sammeln Kundeneinlagen vergleichsweise günstig ein und geben es dann in Form von Autokrediten an Kunden weiter. Das ist lukrativ, da für die Finanzierung des Neuwagentraums in der Regel Raten deutlich über den Tagesgeldzinsen fällig werden. Zudem sind die Kredite über den Wert des Fahrzeugs besichert.   

Trotz besicherter Kredite fragen sich Kunden immer wieder, wie sicher ihr Erspartes bei den Tagesgeld-Lockangeboten ist. Denn es gibt auch negative Beispiele. Das jüngste ist die Kaupthing Bank. Die größte isländische Bank machte nicht nur auf dem Heimatmarkt ein gutes Geschäft, sondern expandierte auch ins europäische Ausland, um dort Einlagengeld der Sparer einzusammeln. Auch in der Bundesrepublik. Zehntausende deutsche Anleger legten ihr Erspartes bei den Isländern an – weil die Bank mit Kampfzinsen auf Kundenfang ging. Zu Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 brach die Bank zusammen und die Sparer mussten zittern. Das größte Problem war damals, dass durch die magere Einlagensicherung bei Kaupthing pro Sparer gerade einmal 20.887 Euro abgesichert waren.   

Können Sparer den Kampfangeboten also vertrauen? Grundsätzlich ja, denn mittlerweile gibt es eine EU-weite Einlagensicherung, die Ersparnisse bis 100.000 Euro abdeckt. "Für den Kunden kann da relativ wenig schief gehen", sagt Stotz. Allerdings: Ist eine ausländische Tochter am deutschen Tagesgeldmarkt aktiv, gilt für sie normalerweise die Einlagensicherung des Heimatlandes. Die ist zwar auf dem Papier in Ordnung, Kritiker befürchten allerdings, dass im Fall einer Pleite die Belange der ausländischen Sparer zuletzt bearbeitet würden.

Sparer müssen deshalb vor den guten Angeboten nicht zurückschrecken, sollten sich aber vorher mit dem Kleingedruckten beschäftigen. Denn teilweise sind gerade die Lockangebote an konkrete Bedingungen geknüpft, wie beispielsweise das gleichzeitige Eröffnen eines Depots. „Je verklausulierter die Vertragsbedingungen sind, desto eher sollten Sparer die Finger davon lassen“, sagt Fleischer. Wer unsicher ist, wie seriös die jeweilige Bank ist, kann auch einen Blick auf das Rating sowie den Eigenkapitalbestand werfen. Die wichtigste Regel ist allerdings, das Geld auf dem jeweiligen Tagesgeldkonto nicht einfach zu vergessen, sondern regelmäßig Angebote zu vergleichen. Oft gelten die besten Zinssätze nämlich nur für Neukunden, Bestandskunden gehen mit weit weniger nach Hause.

Nichtsdestotrotz wird der Kampf um die Einlagen des Sparers in jedem Fall weitergehen. Denn durch die verschärften Liquiditätsvorschriften im Zuge von Basel III müssen die Banken höhere Kapitalquoten erreichen. Auch die EZB könnte den Markt weiter anfachen, sollten Banken ihr Kapital nicht mehr kostenlos bei der Notenbank parken können. „Sollte die EZB tatsächlich einen Strafzins auf Einlagen der Banken einführen, dürfte der Markt für Tagesgeld noch umkämpfter werden“, sagt Fleischer. Auf den Sparer dürften damit weitere Lockangebote zukommen.

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