Edelmetall gewinnt an Bedeutung Banken fordern Gold-Aufwertung

Die Banken wollen Gold zu einem "Tier-1-Asset" aufwerten und so ihrem Kernkapital zurechnen. Damit könnte die Bedeutung des Edelmetalls drastisch zunehmen. Ein Gastbeitrag von Benjamin Summa.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Gold soll zu einem erstklassigen Asset hochgestuft werden - Damit würde das Edelmetall als Kernkapital gelten Quelle: dpa

Bullen und Bären, Kredithaie und jetzt „Tier-1“ oder „Tier-3“ - in der Finanzwelt sind immer wieder Tierbegriffe zu hören. In den vergangenen Tagen ging es erneut tierisch zu: Im Rahmen der Verhandlungen zum Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), genannt „Basel III“, könnte auch die Bedeutung von Gold im kommenden Jahr drastisch zunehmen - die Verwendung des gelben Metalls in den Bilanzen der Banken wird für die Geldhäuser attraktiver, wenn Gold von einem sogenannten "Tier-3-Asset" zu einem "Tier-1-Asset" hochgestuft wird. Der Begriff leitet sich vom englischen "tier" ab, was so viel wie "Rang" bedeutet - und es gibt mit Tier-1 (Kernkapital) über Tier-2 (Ergänzungskapital) und Tier-3 (Drittrangmittel) drei Ränge von Eigenmitteln eines Kreditinstituts.

Eigentlich steht seit der spektakulären Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Suche nach einem Rezept gegen weitere Schock-Pleiten im Mittelpunkt der Verhandlungen um die sogenannten "Basel-III-Regeln", die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden und 2013 in Kraft treten sollen. Im Jahr 1988 wurden erstmals weltweite Bankregeln unter dem Stichwort "Basel I" zusammengefasst, 2004 folgte "Basel II". Gold hatte in diesem Regelwerk bislang eine untergeordnete Rolle und wurde lediglich als drittklassige Rücklage verstanden - doch die Wertzuwächse beim Edelmetall in den vergangenen zwölf Jahren lassen diese Bewertung nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Immerhin sind trotz der Basel-II-Regeln mehrere Großbanken ins Trudeln geraten oder - wie Lehman Brothers - völlig zusammengebrochen. Offenkundig hat sich die bisherige Klassifizierung herkömmlicher Erste-Klasse-Assets als nicht tragfähig erwiesen. Ein möglicher Ausweg, der ganz aktuell angedacht wird: Die Quote an Kernkapital der Banken soll erhöht werden, um die Geldhäuser gegenüber Turbulenzen zu stabilisieren.

In Gold anlegen, aber wie?
Südafrikanische Krügerrand Goldmünz Quelle: REUTERS
Goldschmiederei in einer Mine Quelle: REUTERS
Frau mit goldenem Schleier Quelle: REUTERS
Goldwiege Quelle: AP).
Arbeiter in einer Goldmine Quelle: AP).
Krügerrand-Goldmünze Quelle: PR
Liebhabermünze aus Gold Quelle: AP

Die Hinweise verdichten sich

Und hier könnte Gold ins Spiel kommen: Das Edelmetall könnte, wenn die Pläne und Forderungen der Banken in den endgültigen "Basel-III"-Entwurf integriert werden, von einem drittklassigen zu einem erstklassigen Asset hochgestuft werden - Münzen und Barren wären dann Teil des Kernkapitals der Bank und könnten als Reserve für herausgegebene Kredite eingesetzt werden. Zwar steht noch nicht fest, ob Gold künftig als Kernkapital gelten kann, doch die Hinweise verdichten sich - nicht ohne Grund dürften internationale Großbanken in den vergangenen Monaten massenhaft Gold angekauft haben. Offenbar werden erste Vorbereitungen getroffen, um das gelbe Metall nicht im neuen Jahr zu deutlich höheren Preisen kaufen zu müssen.

Was Sie über Gold wissen sollten

Die Auswirkungen einer Aufwertung von Gold zu einem sogenannten "Tier-1-Asset" wären spektakulär - das Edelmetall hätte damit einen Status als De-jure-Geld und als Bankreserve den gleichen Stellenwert wie Bargeld oder Anleihen. Seit 1971 war Gold kein offizieller Teil des Geldsystems, eine Absicherung von Krediten war mit Gold nicht möglich. Wenn Gold künftig als "Tier-1-Asset" gilt, dürfte die Nachfrage auf Bankenseite drastisch steigen - bislang muss eine Bank seit Basel II eine Eigenkapitalquote von 8 Prozent vorhalten und dürfte diese künftig auch in Gold halten. Die Rechnung für die Banken ist einfach - je mehr Gold sie besitzen, desto mehr Geld dürfen sie verleihen, nämlich das 12,5-fache des Eigenkapitals.

Doppelt profitieren

Die Länder mit den größten Goldreserven
Platz 10: Indien Quelle: REUTERS
Platz 9: Die Niederlande Quelle: REUTERS
Platz 8: Japan Quelle: REUTERS
Platz 6: Schweiz Quelle: AP
Platz 7: Russland Quelle: dpa-tmn
Platz 5: China Quelle: dapd
Platz 4: Frankreich Quelle: dapd

Somit könnte für die Banken, wenn Gold tatsächlich den Status als "Tier-1-Asset" bekommt, eine komfortable Situation entstehen, denn sie würden mit Gold doppelt profitieren: Sie könnten sich zukünftig nicht nur effektiver absichern und beispielsweise über Diversifikationseffekte mit Gold gegen Krisen und Inflation vorsorgen, sondern daneben auch durch die Zinserträge der höheren Leihsummen, die sie wegen ihrer Goldreserven ausgeben dürfen, praktisch gratis weiteres Gold aufkaufen.

Fakten zu den deutschen Goldreserven

Die einfache Gleichung lautet: Je mehr Gold als Eigenkapital, desto mehr Kredite dürfen vergeben werden und desto mehr Zinserträge hat die Bank, mit der sie neues Gold für ihr Eigenkapital beschaffen könnte. Der World Gold Council weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Banken bereits jetzt mit Gold die Schwankungen und Risiken ihrer Portfolien bei verbessernden risikoadjustierten Renditen besser abfedern können. Und die Gerüchte, die derzeit die Runde machen, gehen noch weiter - verstärkt ist davon zu hören, dass der Pflichtanteil des Tier-1-Kapitals bei den Banken künftig von 4 auf 6 Prozent angehoben werden soll, wie aus einer Analyse des „Centre for Research on Globalization“ hervorgeht.

Nachvollziehbare Argumente

Die Argumentation der Banken für eine Aufwertung von Gold zum Kernkapital ist denkbar einfach: Gold hat in den vergangenen zwölf Jahren stets an Wert zugelegt, andere Anlageklassen haben dagegen an Wert verloren. Insbesondere die als Kernkapital gültigen Klassen wie Barrücklagen dürfen künftig noch stärker in Zweifel gezogen werden, da sie durch Inflation einen realen Wertverlust erleiden. 

Investoren sollten also in den kommenden Wochen die Nachrichten aus Basel im Blick behalten, denn sobald absehbar ist, dass Gold wirklich von „Tier-3“ auf „Tier-1“ hochgestuft wird, dürften die Banken in Europa in großem Stil auf dem Goldmarkt zugreifen.

Und schon jetzt drängen deutsche Banker und Finanzaufseher trotz Widerstandes aus den USA auf eine rasche Einführung der neuen Eigenkapitalregeln für die Branche:  "Es führt kein Weg daran vorbei, Basel III jetzt so zügig wie möglich einzuführen, und zwar weltweit", sagt Medienberichten zufolge die Chefin der Finanzaufsicht BaFin, Elke König. Immerhin sind tragfähige Eigenkapital- und Finanzpolster für Banken dringend nötig, um die Steuerzahler vor erneuten Rettungsaktionen zu schützen – wozu mangelnde Finanzrücklagen im Bankensektor führen, ist seit Monaten besonders eindrucksvoll in den südlichen Eurostaaten zu beobachten, wo allein in Spanien die Banken etwa 60 Milliarden Euro benötigen.

Unser Gastautor, Benjamin Summa, ist seit Juli 2011 Unternehmenssprecher des Münchner Edelmetallhandelshauses Pro Aurum. Zuvor arbeitete er als Wirtschafts-Redakteur im Axel Springer Finanzen Verlag.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%