Entlassungswelle Commerzbank startet neue Sparrunde

Die Commerzbank senkt Kosten, wo sie nur kann - vor allem aber bei ihren Mitarbeiter. Rund 450 Stellen will sie im September streichen. Gewerkschafter kritisieren, dass sich die Bank aus den Tarifverträgen flüchte.

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Die zweitgrößte Bank in Deutschland muss ihr Geld zusammenhalten und plant eine neue Entlassungsrunde. Dabei soll die Finanzbuchhaltung an Billig-Töchter in Polen und in Ostdeutschland ausgelagert werden. Quelle: dpa

Frankfurt Die Mitarbeiter der Commerzbank müssen sich auf eine neue Sparwelle einstellen und bangen wieder um ihre Jobs. „Die Führungsetage schaut sich alle Bereiche an, wo sie noch an der Kostenschraube drehen kann”, sagte eine mit den Überlegungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Frank Annuscheit bestätigte die Pläne zum Teil: „Wir werden dahin kommen müssen, Kostendisziplin als dauernde Management-Aufgabe zu betrachten. Die 'guten alten Zeiten' werden nicht zurückkommen”, erklärte der auch als Personalchef agierende Manager im Intranet der teilverstaatlichten Bank.

Wie das Handelsblatt am Montag exklusiv berichtete, ist das erste konkrete Ergebnis die Auslagerung eines Teils der Finanzbuchhaltung, die von Billig-Töchtern in Ostdeutschland oder Polen erledigt werden soll. 450 Mitarbeitern in Frankfurt, Duisburg und Berlin droht Insidern der Verlust ihrer Stelle bei der zweitgrößten deutschen Bank. Es gehe darum, Standard-Aufgaben billiger erledigen zu lassen, sagte Annuscheit, ohne den Umfang der Verlagerungen zu nennen.

Andere Banken seien hier schon weiter. Die Gespräche mit dem Betriebsrat hätten begonnen, die nächste Runde sei im September angesetzt. Es gehe primär um Verlagerungen innerhalb des Konzerns. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi sammeln derzeit Unterschriften gegen die Auslagerungspläne und den Stellenabbau. Die Deutsche Bank lässt bereits viele Routinearbeiten in Tochterfirmen an Niedriglohnstandorten erledigen.

Erst im vergangenen Jahr hatte die Commerzbank die Streichung von 5200 Arbeitsplätzen bis 2016 angekündigt, vor allem in der Privatkunden-Sparte. Das ist jede zehnte Stelle. Schon damals sei klar gewesen, dass es mit einem einmaligen Abbau nicht getan sei, wenn insgesamt zwei Milliarden Euro investiert werden sollten, hieß es im Umfeld der Bank. Zwei Insider sagten, Ergebnisse der neuen Sparrunde könnten Mitte September dem Aufsichtsrat vorgestellt werden. Die Commerzbank sitzt derzeit auf einem Kostenblock von sieben Milliarden Euro im Jahr.

„Das Projekt 'Strategie 2016' ist noch nicht beendet, und schon stehen weitere drastische Sparmaßnahmen an”, heißt es auf einem Flugblatt der Verdi-Arbeitnehmervertreter, das auf einer Betriebsversammlung verteilt wurde. „Verlagerungen und Personalabbau sollen in der Bank kein Ende nehmen. Wir vermissen seit Jahren ein überzeugendes Konzept, das wieder für Wachstum sorgt.” Die Bank versucht vor allem ihr Privatkundengeschäft auf Vordermann zu bringen und zugleich die Altlasten in der Bilanz zu bereinigen. Von der Commerzbank befragte Analysten rechnen im Schnitt für 2014 mit 346 Millionen Euro operativem Gewinn in der Privatkundensparte, doch der Abbau von Immobilien-, Staats- und Schiffskrediten dürfte in diesem Jahr noch einmal 730 Millionen Euro verschlingen. Für den Gesamtkonzern rechnen Experten mit knapp einer Milliarde Euro Gewinn.


Verdi wirft Commerzbank Tarifflucht vor

Den 450 von der Verlagerung betroffenen Mitarbeitern seien keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten worden, moniert Verdi. Die Tochterfirmen ComTS in Ostdeutschland und die polnische Ceri zahlen ihren Mitarbeitern deutlich weniger Lohn als die Commerzbank, die sich nach dem Bank-Tarifvertrag richten muss. „Wenn die Commerzbank Tarifflucht betreibt, hat sie mit unserem Widerstand zu rechnen”, sagte Gewerkschaftssekretär Mark Roach, der auch im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt.

Die Commerzbank ist nicht die einzige deutsche Bank, die die Kostenschraube anzieht. Die Deutsche Bank dehnt einem Bericht des "Handelsblatts" zufolge ihr Sparprogramm bis 2018 aus. Demnach wollen die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen weitere bis zu 2,5 Milliarden Euro einsparen. Dabei stehe aber kein Stellenabbau im Vordergrund. Die HypoVereinsbank dünnt ihr Filialnetz drastisch aus. Nach einer Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) an der Goethe-Universität Frankfurt wollen die deutschen Banken im dritten Quartal wieder Stellen abbauen, weil die Erträge sich abschwächen. „Überraschend kommt diese Entwicklung nicht”, hieß es in der Studie.

Ärger hat die Commerzbank auch mit der Finanzaufsicht BaFin. Die Behörde habe ihr in einer Sonderprüfung gleich drei schwere Rügen erteilt, weil sie Mängel in der Informationstechnik (IT) festgestellt habe, berichtete das „Handelsblatt”. Annuscheit betonte: „Die Sicherheit von Bankdaten wurde durch die BaFin an keiner Stelle moniert.” Wesentliche Kritikpunkte der Behörde seien bereits abgestellt worden. Solche Prüfungen liefen bei vielen Banken, sagte ein Insider. „Das ist nicht schön, kommt aber immer wieder einmal vor.”

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