Idyllischer kann ein Arbeitsplatz kaum liegen: Inchenhofen ist eine kleine bayerische Gemeinde mit nur 2500 Einwohnern, etwa auf halbem Weg zwischen Augsburg und Ingolstadt. „Leahad“ nennen die dialektaffinen Einheimischen den Flecken wegen seines Wahrzeichens, der Wallfahrtskirche St. Leonhard, deren für die Gegend typischer Zwiebelturm sich seit dem 15. Jahrhundert über den Dächern erhebt. Jedes Jahr im November feiern die Inchenhofer das Fest des heiligen Leonhard, dem Schutzpatron der bäuerlichen Nutztiere, ganz standesgemäß mit einer großen Pferdeprozession, dem Leonhardiritt.
Tradition, Religion, Region – unter diesem Dreiklang leben die Leute hier. In der Ortsfiliale von Inchenhofen arbeitete Markus Freudling drei Jahre seiner insgesamt dreizehnjährigen Dienstzeit bei der Sparkasse Aichach-Schrobenhausen. Er brachte es bis zum kommissarischen Filialleiter der Mini-Geschäftsstelle, in der vier Mitarbeiter die Stellung hielten. Vom Schalter aus konnte Freudling das Mittagsgeläut von St. Leonhardt hören. Es war ein Traumjob für jemanden wie ihn, der sich als Kind der Region versteht und niemals dort weg wollte.
Obwohl viele Sparkassen vor allem kleinere Standorte auflösen, um Geld zu sparen, gibt es die Filiale in Inchenhofen noch immer. Nur darf Markus Freudling nicht mehr dort arbeiten. Sein Arbeitgeber, die Sparkasse Aichach-Schrobenhausen, hat ihn degradiert, versetzt und sich dann nach einem langen Kampf von ihm getrennt. Das hat der 47-Jährige bis heute nicht verwunden.
Man kann das verstehen, denn die langjährigen Auseinandersetzungen mit seinen Chefs sowie der anschließende Marsch durch die Institutionen des Sparkassenwesens und der Politik war geprägt von Widersprüchen. Das Desinteresse an einer öffentlichen Aufarbeitung seines Falles kann er nicht akzeptieren. Um diese in Gang zu bringen, hat er alles und jeden in Bewegung gesetzt – oder es zumindest versucht – angefangen beim Bürgermeister der Stadt Aichach, der die Sparkasse gemeinsam mit anderen Kommunen gehört, über die Sparkassenaufsicht des Regierungsbezirks Schwaben bis hin zum bayerischen Landtag.
Die Zuspitzung
Markus Freudlings berufliche Leidensgeschichte spitzt sich im Jahr 2005 zu. Er ist da schon als kommissarischer Filialleiter von Inchenhofen degradiert worden und bearbeitet jetzt unter anderem Privatkundenkredite am Standort Aichach. Eine Vorgesetzte legt Freudling das Formular eines Kunden mit der Anfrage nach einem Sofortkredit zur Bearbeitung auf den Tisch. Für Freudling sah das nach einer Falle aus. Ihm kam gleich merkwürdig vor, dass die Anfrage bei ihm landete, obwohl er das Beratungsgespräch mit dem potenziellen Kreditnehmer gar nicht geführt hatte. Das eigentliche Problem bei dem Arbeitsauftrag aber war, dass er sich gar nicht umsetzen ließ, ohne die internen Vorschriften der Sparkasse zu verletzten. Denn in dem Formular fehlten relevante Einträge – ein grober Mangel also.
Freudling gab den Vorgang daher zurück, denn als gewissenhafter Mitarbeiter hätte er gar nichts anders tun dürfen. Doch die Chefin reagierte nicht etwa mit Lob auf seine Aufmerksamkeit, sondern schickte ihm eine Abmahnung. Begründung: Arbeitsverweigerung. Sie ließ die Kreditvorlage kurzerhand von einem anderen Mitarbeiter gegenzeichnen. Der sitzt heute mit im Vorstand der Sparkasse. Für Freudling war das schon die vierte Abmahnung nach einer Reihe ähnlicher aber etwas harmloserer Vorfälle in der Vergangenheit. Nach einer detaillierten Stellungnahme Freudlings zog die Sparkasse die umstrittene Abmahnung wieder zurück.
Freudling ist überzeugt, dass hinter dem Arbeitsauftrag ein perfider Plan stand. Hätte er den Kreditantrag durchgewinkt, hätte das die internen Regeln der Bank verletzt und ebenfalls eine Abmahnung zur Folge haben können. Besonders widersprüchlich findet er die Tatsache, dass ausgerechnet der Kollege, der die zweifelhafte Kreditvorlage damals gegenzeichnete, später in den Vorstand der Sparkasse aufrückte.
Die Sparkasse Aichach-Schrobenhausen sieht heute keine Möglichkeit, auf Fragen zu der ausweglosen Situation zu antworten, in die Freudling mit der Kreditvorlage gebracht wurde. „Einerseits besteht auch eine über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehende Verpflichtung, keine Angaben zu machen, die die Interessen des Herrn Freudling beeinträchtigen könnten“, sagt die heutige Vorstandsvorsitzende. Zudem sei zwischen der Sparkasse und Freudling eine umfangreiche vertragliche Vereinbarung geschlossen worden, in der sich beide Seiten zum Stillschweigen gegenüber Dritten verpflichtet haben. „Aus Ihren Ausführungen ziehen wir den Schluss, dass Herr Freudling seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt hat“, sagt die Sparkasse. Sie wolle sich trotzdem an die Vereinbarung halten.