EZB-Check Landesbanken stehen besonders unter Druck

Der laufende Stresstest der EZB könnte Kapitallücken bei Banken zu Tage bringen – vor allem für die Landesbanken wäre das ein Horrorszenario. Die Wahrscheinlichkeit ist Experten zufolge allerdings gering.

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Die Ergebnisse des Stresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main sollen im Oktober veröffentlicht werden. Quelle: dpa

Frankfurt Viele Landesbanker sind nervös. Grund ist der laufende Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB), deren Ergebnisse im Oktober veröffentlicht werden. Sollten die Aufseher bei den Instituten Kapitallücken aufdecken, wären diese schwieriger zu schließen als bei privaten Großbanken. Kapitalerhöhungen über die Börse sind für die öffentlich-rechtlichen Geldhäuser keine Option. Und falls die staatlichen Miteigentümer Geld in die Banken pumpen, ist Ärger programmiert. „Staatliche Kapitalspritzen für Banken dürften sowohl von der EU als auch von den Mitgliedsstaaten kritisch gesehen werden“, sagt Gerhard Hofmann, Regulierungsexperte beim Genossenschaftsverband BVR.

Welcher Prozess in Gang gesetzt werden könnte, falls eine öffentlich-rechtliche Bank den EZB-Check nicht besteht, hat die HSH Nordbank kürzlich in ihrem Halbjahresbericht beschrieben. Die Landesbank müsste dann mit ihren Eignern – allen voran den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein, die 85 Prozent an dem Institut halten – über Maßnahmen beraten. Sollten diese anschließend weitere „öffentliche Mittel“ in das Geldhaus stecken, drohen der HSH neue Auflagen der EU-Kommission.

Nach Einschätzung der HSH und anderer Landesbanken handelt es sich dabei nur um ein theoretisches Schreckensszenario, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird. „Wir sind fest davon überzeugt, dass nach dem Test bei keiner Landesbank eine Kapitallücke bestehen wird“, sagte Liane Buchholz, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB), kürzlich im Reuters-Interview. Dennoch wird hinter den Kulissen eifrig über Optionen diskutiert, falls eine Landesbank nach dem Test zusätzliches Kapital braucht.

„Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Banken selbst umsetzen können – zum Beispiel Risikoaktiva abbauen oder Dividenden und Gewinne einbehalten“, erklärt Analyst Michael Dawson-Kropf von der Ratingagentur Fitch. Bei geringeren Risiken erhöhen sich die Kapitalquoten entsprechend.

Die Institute können auch Kreditrisiken an Investoren verkaufen, wie es die NordLB bereits getan hat, oder bestimmte Wandelanleihen (AT1-Bonds) begeben. Diese werden abgeschrieben, wenn die Kernkapitalquote einer Bank unter eine bestimmte Schwelle sinkt, und entlasten damit die Bilanz. „Wenn Marktumfeld, Preis und Volumen stimmen, wird es aus unserer Sicht genügend Investoren geben, die AT1-Anleihen von Landesbanken kaufen“, sagt Dawson-Kropf. „Nur wenn die Kapitallücke unerwartet groß ist, brauchen die Banken externe Hilfe von ihren Eigentümern.“

Dass die Sparkassen, die bei den meisten Landesbanken nur noch Minderheitsaktionäre sind, mögliche Kapitallücken im Alleingang schließen, halten öffentlich-rechtliche Bankenmanager für ausgeschlossen. Und Finanzspritzen ihrer staatlichen Eigentümer möchten die Institute selbst mit allen Mitteln verhindern, wie mehrere Landesbanker der Nachrichtenagentur Reuters sagten. „Niemand will ein langwieriges Beihilfeverfahren der EU-Kommission riskieren“, betont ein Branchenvertreter. Ob oder unter welchen Bedingungen die Brüsseler Behörde staatliche Hilfen durchwinken würde, ist unter Experten höchst umstritten.


Kapital als Wettbewerbsfaktor

Aus Sicht der Ratingagenturen Fitch und S&P ist es wahrscheinlich, dass die EU Kapitalspritzen nach dem Stresstest zulassen würde. Es würde sich dabei um eine „vorausschauende Maßnahme bei einer solventen Bank handeln und nicht um Rettungsaktionen wie in der Finanzkrise“, sagt Dawson-Kropf. VÖB-Lobbyistin Buchholz verweist zudem auf den Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung. Dort heißt es, Maßnahmen zur Erfüllung von Eigenkapitalanforderungen für öffentliche Banken „dürfen nicht als Beihilfen gewertet werden“.

Die Bundesregierung dürfte sich in Brüssel im Ernstfall also wohl für die Landesbanken einsetzen – die Entscheidung liegt am Ende aber bei der EU-Kommission. Diese will in jedem Einzelfall prüfen, ob eine staatliche Kapitalerhöhung zu Konditionen stattfand, die auch für private Investoren akzeptabel gewesen wären, wie ein Sprecher erklärte. Sollte dies nicht der Fall sein, werde die EU die Maßnahmen als staatliche Beihilfe werten. Dann könnte die Behörde die Institute zu einer harten Restrukturierung zwingen, oder im Extremfall – wie 2012 bei der WestLB – zur Abwicklung.

Die EU-Kommission werde bei den Landesbanken, die nach dem jahrelangen Streit um die WestLB für viele in Brüssel ein rotes Tuch sind, besonders genau hinsehen, glaubt Nicolas Veron, ein Regulierungsexperte des Forschungsinstituts Bruegel. „Wenn es nach dem Gesundheitscheck keine Veränderungen in der Landesbanken-Landschaft gibt, wären viele Leute überrascht und enttäuscht.“ Für Reformen in dem Sektor brauche es Druck von außen, sagt Jörg Rocholl, Präsident der European School of Management and Technology. Er hofft, dass es dazu spätestens ab November kommt, wenn die EZB die Aufsicht auch über die Landesbanken übernimmt. „Die Verbindung von Politik und Landesbanken ist noch zu stark. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es aus Deutschland heraus zu Reformen kommt.“

Nach den milliardenschweren Bankenrettungen in der Finanzkrise will aber auch die Politik weitere Kapitalspritzen für öffentliche Banken verhindern. „Die meisten europäischen Länder hätten nur geringen finanziellen Handlungsspielraum für Banken-Rekapitalisierungen und die öffentliche Meinung in einem solchen Fall gegen sich“, erklärt BVR-Experte Hofmann. „Auch in Deutschland dürften staatliche Kapitalspritzen für Banken wegen der Schuldenbremse nur eingeschränkt möglich sein.“

Die Landesbanken haben sich deshalb darauf eingestellt, auf absehbare Zeit ohne Kapitalerhöhungen ihrer Eigner über die Runden zu kommen. „Die meisten Landesbanken haben sich auch deshalb vorausschauend große Kapitalpuffer zugelegt“, sagte ein Branchenvertreter. Mehrere Kapitalerhöhungen zu stemmen, wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank, ist für die Institute nicht möglich. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon sieht dennoch keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber privaten Geldhäusern. Schließlich könnten Landesbanken weitere Risiken abbauen und dadurch ihr Kapital stärken. Manche Landesbanker glauben dagegen, dass Kapital langfristig durchaus ein einschränkender Faktor für das weitere Wachstum werden könnte. „Ich finde das aber gut, denn es diszipliniert“, sagt ein Insider. Landesbanken könnten so nur Geschäfte machen, die sie sich leisten könnten. „Das verhindert auch, dass Händler wie vor der Finanzkrise zu hohe Risiken eingehen.“

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