Die Turbulenzen an den weltweiten Finanzmärkten bringen die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Notenbanken unter Zugzwang. Sie wird im März ihre Geldpolitik auf den Prüfstand stellen. Greg Fuzesi, Ökonom der US-Großbank JP Morgan, erwartet drastische Aktionen.
Die EZB werde den Einlagenzins bis Juni auf minus 0,7 Prozent senken und ihre Anleihekäufe ausweiten, prognostiziert er in einer aktuellen Analyse. Derzeit liegt der Satz bei minus 0,3 Prozent. Als Grund nennt der Analyst den schwächeren Inflationsausblick und die großen globalen Risiken. Die Zentralbanken sollen es richten.
10 Fragen zur neuen europäischen Einlagensicherung
Für die Sicherung von Spareinlagen gelten seit diesem Jahr einheitliche Regeln in Europa. Danach sollen je Konto 100.000 Euro gesetzlich geschützt sein. Aber noch haben nicht alle Staaten diese Vorschriften umgesetzt. In Deutschland ist die Sicherung deutlich höher, weil private Banken im Pleitefall Guthaben je nach Höhe ihres Eigenkapitals Kontoinhaber in Millionenhöhe entschädigen. Sparkassen oder Volksbanken lassen es laut Satzung gar nicht erst zu Pleiten einzelner Institute kommen, sodass theoretisch Guthaben in jeder Höhe geschützt sind.
Nein, denn die Schutzregeln ändern sich durch die europaweite Einlagensicherung nicht. Sie sorgen allerdings dafür, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob eine Bank in einem überschuldeten Staat wie Griechenland sitzt oder in einem Land mit relativ ausgeglichenem Haushalt wie derzeit Deutschland. Zunächst steigt also nur der Schutz von Sparern in Krisenländern.
Nach den Plänen aus Brüssel soll es 2017 losgehen. Es gibt aber eine lange Übergangsphase bis 2024. Je nachdem wie der Gesetzgebungsprozess läuft, könnte es aber auch ein bis zwei Jahre länger dauern.
Nur solche Länder können auf zusätzliches Geld aus dem europäischen Einlagensicherungsfonds zugreifen, die ihre nationalen Sicherungstöpfe schon gefüllt haben. Der Schutz greift, wenn eine Pleitebank nach den Regeln des europäischen Abwicklungsmechanismus SRF stillgelegt wird.
Sie soll verhindern, dass Sparer Geld verlieren, nur weil ihre verschuldeten Heimatstaaten den Bankensektor des Landes destabilisieren. Die Verlagerung der Einlagensicherung weg von der nationalen auf die europäische Ebene soll den Sparerschutz unabhängig von der Finanzlage einzelner Mitgliedstaaten machen.
Vorbild ist die seit 1934 geltende Einlagensicherung für Banken in den USA. Diese gilt unabhängig davon, in welchem Bundesstaat eine Bank sitzt. Das bedeutet: Bekommt ein Bundesstaat Finanzprobleme, müssen sich die Sparer dieses Staats trotzdem nicht um ihre Bankeinlagen sorgen.
Die EU-Kommission will 45 Milliarden Euro von den Banken einsammeln. Allerdings leisten seine keine höheren Beiträge an die Sicherungsfonds als bisher, weil die Anteile für den europäischen Fonds von den Beiträgen an die nationalen Fonds abgezogen werden.
Diese werden ab 2024 nicht mehr gebraucht, um den gesetzlichen Schutz von 100.000 Euro je Konto aufrecht zu erhalten. Sie können aber als freiwillige nationale Zusatzversicherungen weiter genutzt werden.
Die europäische Einlagensicherung gilt für Großbanken und Landesbanken. Für Sparkassen und Volksbanken greift die Regelung nicht.
Nein, denn Sparer verlieren bei Bankenpleiten kein Geld, genau dafür soll der Einlagenschutz sorgen. Deutsche Steuerzahler und auch die Steuerzahler anderer EU-Länder haften allerdings auf ganz anderem Wege für die Schieflage des griechischen Finanzsystems – nämlich über die Kapitalspritzen für griechische Banken im Rahmen der Hilfsprogramme. Auch das soll die EU-Einlagensicherung verhindern, indem sie alle Staaten gleichermaßen zwingt, für den Schutz ihrer Sparer vorzusorgen.
Und in der Finanzwelt wird der Ruf nach solchen drastischen Schritten lauter. Der Vorstandschef der italienischen Großbank fordert ein koordiniertes Vorgehen der großen globalen Zentralbanken. „Eine Zentralbank ist nicht genug, es gibt einen großen Bedarf an einer starken Koordination der großen Zentralbanken der Welt – in den USA, Europa, Japan und vielleicht China“, sagte Federico Ghizzoni am späten Dienstagabend in einem Fernsehinterview.
Sturz der Bankaktien
Er sehe derzeit keine logische Reaktionen im Markt, so Ghizzoni. Am Mittwoch erholten sich Bankaktien zwar deutlich und teilweise zweistellig, doch seit Jahresbeginn hat ein wichtiger europäischer Bankindex deutlich mehr als 20 Prozent verloren. „Für italienische Banken ist die Lage noch schwieriger als in anderen Ländern, aber derzeit stehen alle Banken in Europa und den USA unter Druck“, so Ghizzoni weiter.
Der dramatische Verfall der Bankaktien könnte deutliche Auswirkungen auf die Geldpolitik haben. In der Euro-Zone spielen die Banken eine wesentlich größere Rolle bei Finanzierung der Unternehmen als anderswo. In den USA etwa finanzieren sich diese viel stärker über den Kapitalmarkt. Die Banken haben deshalb eine Schlüsselrolle bei der Übertragung geldpolitischer Impulse auf die Realwirtschaft. In der Krise haben sie diese Impulse wegen ihrer eigenen Probleme nicht weitergegeben, was dazu geführt hat, dass Zinssenkungen der EZB weitgehend verpufften.
Seit dem Höhepunkt der Krise 2012 hat sich dies verbessert. Viele Maßnahmen der Notenbank, wie zum Beispiel die zur „Dicken Bertha“ getauften Langfristkredite der EZB an die Banken, dienten dazu, den Bankensektor zu stützen. Doch das Beben bei den Bank-Aktien könnte das in Gefahr bringen. Denn wenn ihre Aktienkurse sinken, steigen die Kapitalkosten. Das wiederum kann dazu führen, dass sie weniger Kredite vergeben.
Welche EZB-Mittel den Banken helfen könnten
Eine Schwächung der Banken könnte es auch für die EZB schwerer machen, bestimmte geldpolitische Instrumente zu nutzen. Die von JP Morgan-Ökonom Fuzesi diskutierte drastische Senkung des Einlagenzinsens beispielsweise wäre für die Finanzsituation der Banken eher kontraproduktiv. Denn das hieße: Banken, die über Nacht ihr Geld bei der EZB lagern, müssen dafür eine Strafe zahlen. Damit sollen sie einen stärkeren Anreiz bekommen, das Geld stattdessen für Kredite zu verwenden. Tun sie das aber nicht, zahlen sie eine höhere Strafe – und machen weniger Gewinn.
Aus Sicht der meisten Banken wären mehr Anleihekäufe da die bessere Variante. Aktuell kauft die EZB für monatlich 60 Milliarden Euro Anleihen der Euro-Länder. Dieses Volumen könnte sie ausweiten. Die Geldspritze würde die Vermögenspreise stützen, was vielen Banken helfen würde. Denn damit könnten sie bestimmte Vermögenswerte in ihren Bilanzen leichter verkaufen.
Der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, stimmt ebenfalls den Ruf nach einer weiteren Lockerung der Geldpolitik an und ähnelt Unicredit-Chef Ghizzoni im Tonfall.
Stephan befürwortet auch eine koordinierte Aktion der Notenbanken weltweit: „Bei der aktuellen Verunsicherung könnten die Märkte positive Impulse gut gebrauchen. Diese könnten etwa von den wichtigsten Zentralbanken der Welt kommen, wenn sie ihre Geldpolitik untereinander koordinieren würden.“