Manchmal liegen neue und alte Welt nur ein paar Schritte weit auseinander. Um die Jahrtausendwende kaufte und verkaufte Sarah Brylewski noch Wertpapiere im Dienst der Commerzbank. Heute leitet die 40-Jährige das Jungunternehmen Ayondo – um die Ecke vom Handelssaal ihres Ex-Arbeitgebers, direkt hinter dem Frankfurter Hauptbahnhof. Auch dort geht es darum, mit Finanzinstrumenten Geld zu verdienen, doch das Prinzip bei Ayondo ist komplett anders.
Das Portal hat nichts Geringeres vor, als die Transparenz sozialer Netzwerke aus dem Web auf die Finanzmärkte zu übertragen: Privatkunden können den Wertpapierkäufen und -verkäufen erfolgreicher Anleger folgen. Wikifolio aus Wien oder die Frankfurter United Signals kochen nach ähnlichen Rezepten. Setzen sie sich in großem Stil durch, werden Banker als Ratgeber bei Geldanlagen überflüssig, weil Anleger sich untereinander beraten und Tipps von Gleichgesinnten aus dem Netz holen.
Kreditinstitute durch digitale Geschäftsmodelle zu ersetzen, das ist bisher nur eine Vision – aber eine, die immer öfter diskutiert wird, seit kleine, technisch hochgerüstete Angreifer wie Ayondo und Co. den Banken Kunden abjagen wollen. Portale wie Smava vermitteln Kredite für Verbraucher und Kleinunternehmer, Avuba will ein Girokonto fürs Smartphone anbieten, das Start-up Weltsparen vom Niedrigzins geplagte deutsche Verbraucher mit lukrativeren Geldanlagen im Ausland beglücken. Und beim Internet-Zahldienst Klarna können Kunden auch Festgeld höher verzinst anlegen.
Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet
Die zehn wichtigsten jungen Internet-Finanzdienste
Quelle: Unternehmen, eigene Recherche
Geschäftsmodell: Girokonto auf dem Smartphone
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Jonas Piela, Oliver Lukesch und Wilken Bruns
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: 9
Geschäftsmodell: Social Trading: ambitionierte Anleger folgen erfahrenen Spekulanten
Sitz: Frankfurt, London
gegründet: 2009 von Robert Lempka und Thomas Winkler
größte Geldgeber: Luminor Capital
Nutzer: 80.000
Mitarbeiter: 47
Geschäftsmodell: Internet-Zahldienst und Festgeld
Sitz: Stockholm, Köln
gegründet: 2005 von Sebastian Siemiatkowski
größte Geldgeber: Sequoia Capital, Atomico
Nutzer: 25 Millionen
Mitarbeiter: 1.100
Geschäftsmodell: Scoring-Algorithmus zum Aufbau einer digitalen Bank
Sitz: Hamburg
gegründet: 2012 von Sebastian Diemer
Investoren: Värde Partners, Blumberg Capital, Pont Nine Capital
Kunden: 2 Millionen Nutzer gescored, bei 9 Niederlassungen
Mitarbeiter: mehr als 200
Stand:Oktober 2014
Geschäftsmodell: Private Finanzplanung über soziales Netzwerk
Sitz: Köln
gegründet: 2012 von Dieter Fromm und Johannes Cremer
größte Geldgeber: Dieter von Holtzbrinck Ventures, Family Offices
Nutzer: etwa 5000
Mitarbeiter: 12
Geschäftsmodell: Vermittlung von Bank- und Privatkrediten
Sitz: Berlin
gegründet: 2007 von Alexander Artopé und Eckart Vierkant
größte Geldgeber: Earlybird
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: über 100
Geschäftsmodell: Kursprognosen durch Auswertung sozialer Netzwerke
Sitz: Köln
gegründet: 2011 von Jonas Krauß und Stefan Nann
größte Geldgeber: Ayondo, eigenes Management
Nutzer: 2.700
Mitarbeiter: 7
Geschäftsmodell: Automatisierte Geldanlage
Sitz: Frankfurt
gegründet: 2013 von Thomas Bloch, Yassin Hankir und Oliver Vins
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: 200 Testkunden, Ziel bis 2018: 100.000
Mitarbeiter: 14
Geschäftsmodell: Festgeldanlagen bei internationalen Banken
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Tamaz Georgadze, Frank Freund, Michael Stephan
größte Geldgeber: Index Ventures
Nutzer: Etwa 5.000
Mitarbeiter: 30
Geschäftsmodell: Social Trading: Anleger folgen erfahrenen Händlern und Profis
Sitz: Wien
gegründet: 2011 von Andreas Kern
größte Geldgeber: Speedinvest, Verlagsgruppe Handelsblatt
Nutzer: 28.000
Mitarbeiter: 24
Fintech-Firmen nennen sich die Anbieter. Ihre Gründer und Jungchefs sind gelangweilte Unternehmensberater, Ex-Banker oder kreative Techniknerds. Sie strotzen vor Selbstbewusstsein, reden gern vom disruptiven Charakter ihrer Geschäftsmodelle, mit denen sie Banken- und Finanzwelt aus den Angeln zu heben gedenken.
Bankenschreck PayPal
Noch schwimmen sie im Kielwasser der US-Internet-Giganten mit Millionen Nutzern. Die attackieren mit digitalen Finanzdiensten die Banken und werden von diesen auch als ernste Gefahr wahrgenommen – wie der Online-Händler Amazon mit seinem neuen Kartenleser für stationäre Einzelhändler, der Digitaldienst PayPal mit seinem Zahlsystem für Internet-Einkäufe oder jüngst Apple mit seiner virtuellen Geldbörse Apple Pay im neuen iPhone. „Auf die riesige Herausforderung im Privatkundengeschäft durch all das, was sich bei Google, PayPal und Co. abzeichnet, haben die Banken noch keine gemeinsame Antwort gefunden“, sagt Andreas Schmitz, Chef der Düsseldorfer Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt und bis April 2013 Präsident des privaten Bankenverbands.
„Gefährlich für die Banken ist vor allem PayPal“, urteilt Oliver Mihm, Chef der Beratung Investors Marketing aus Frankfurt. Die Ebay-Tochter nutzen in Deutschland rund 15 Millionen Kunden für Internet-Einkäufe. Mit seiner bekannten Marke und dem hohen Verbrauchervertrauen könne der Bezahldienst problemlos Girokonten und Tagesgeld anbieten, um mit den Einlagen Händler- oder Verbraucherkredite zu refinanzieren.
Doch auch den kleineren Finanzinnovatoren trauen immer mehr Branchenkenner Gefährdungspotenzial für die etablierten Geldhäuser zu, weil sie billiger sind und mehr Bequemlichkeit bieten. „Fintech-Unternehmen können günstiger anbieten als große Banken, denn sie spezialisieren sich auf wenige Dienste und schleppen keine teuren Altlasten mit sich herum“, sagt Andreas Hackethal, Professor für Retailbanking an der Universität Frankfurt und Aufsichtsratschef des Frankfurter Finanz-Start-ups Vaamo. Ihre Angebote setzten die Neuen oft aus bereits bestehenden Produkten von Fonds, Emissionshäusern oder Banken zusammen. So könnten sie an deren Größenvorteilen teilhaben und hätten kein Problem mit Regulierungsauflagen.
Berater Mihm hält die neuen Anlageportale jedoch nicht für massenmarkttauglich: „Den meisten Verbrauchern ist Geldanlage eher lästig, vor allem Social Trading ist daher ein Nischenangebot für eine kleine Zielgruppe, die Spaß daran hat.“
Die WirtschaftsWoche hat die spannendsten Finanz-Revoluzzer unter die Lupe genommen. Was bringen die neuen Finanzideen aus der digitalen Welt den Kunden, und wie steht es um ihre Chancen auf breiten Markterfolg?
Ayondo
„Wir bieten einen Markt, den es vorher nicht gab“, sagt Ayondo-Chefin Brylewski. Die Geschäftsidee der Frankfurter: Börsenanfänger sollen von den Tricks ausgebuffter Händler profitieren. Nutzer wählen nach Anmeldung bis zu fünf von derzeit rund 1000 erfahrenen „Signalgebern“ aus. Deren Käufe und Verkäufe werden automatisch auf den Nutzerdepots ausgeführt.
Ayondo-Nutzer kaufen künstliche Finanzinstrumente. Mit denen können sie vom Anstieg oder Fall von Aktien, Rohstoffen oder Währungen profitieren – wenn sie deren Entwicklung richtig tippen. Beim Kauf solcher Differenzkontrakte entfallen Depot- und Börsengebühren, die Banken üblicherweise in Rechnung stellen.
Allerdings ist das nur etwas für Erfahrene mit hoher Risikoneigung, weil durch die Hebelwirkung mehr als das eingesetzte Kapital verloren gehen kann. Anfänger sollten also erst mal vorsichtig über Demokonten testen, bevor sie bei Ayondo echtes Geld einsetzen. Zudem veranstaltet das Portal via Web kostenlose Börsenseminare.
Geld verdient Ayondo, weil die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs beim Social Trading – also bei Anlegern, die anderen folgen – größer sind als beim Handel auf eigene Faust. Die Signalgeber wiederum bekommen von Ayondo eine Kommission für jeden Umsatz, den ihre Gefolgschaft tätigt. Damit die Vorbilder nicht häufiger traden als nötig, will Ayondo das Gebührenmodell demnächst ergänzen: Signalgeber können dann auch nach dem Wertanstieg ihrer Depots bezahlt werden.
Sollte Ayondo Kundengelder im Fall eines finanziellen Zusammenbruchs nicht mehr herausgeben können, springt die britische Einlagensicherung mit bis zu 50 000 Pfund in die Bresche, weil der Hauptsitz des Unternehmens in London liegt.
Die durch den Begriff Social Trading erweckte Vorstellung vom Finanzneuling, der sich über Ayondo von Profis an die Hand nehmen lässt, führt allerdings in die Irre. Im Portal herrscht keine Kuschelatmosphäre, im Kleingedruckten wird der Nutzer sogar vor Interessenkonflikten gewarnt. Denn Ayondo muss Kundenaufträge nicht zwingend an der Börse ausführen, sondern kann diese auch ins eigene Buch nehmen. In solchen Fällen wettet der Anbieter gegen die eigenen Nutzer.
- Kundennutzen: Niedrig, stellt auf den Zocker-Instinkt der Anlegerseele ab
- Marktchancen: Nur in der Nische wegen kleiner Zielgruppe
Smava
Das Berliner Portal startete 2007 als Bankenstürmer und wollte am Finanzsektor vorbei Kredite zwischen Privatleuten vermitteln. Mittlerweile hat sich Smava zum braven Kooperationspartner der Geldhäuser gewandelt. „Kredite von Privat zu Privat spielen bei uns keine zentrale Rolle mehr“, sagt Gründer und Geschäftsführer Alexander Artopé. Löwenanteil des Geschäfts ist nun die Vermittlung normaler Konsumentenkredite. Partner sind 17 Geldhäuser, darunter Deutsche Bank und Postbank, aber auch Kreditspezialisten wie die Targobank. Wegen der Transparenz und Reichweite des Portals bieten die Partnerbanken Sonderkonditionen für Smava-Kunden.
Kann Artopé trotzdem dabei helfen, ohne Bank an einen Kredit zu kommen? Kein Problem, er zahlt dafür sogar drauf. 1500 Euro verschafft er seinen Kunden für 0,99 Prozent Nominalzins. So günstig bekomme man das Geld sonst nirgendwo, sagt er. Die Geldgeber sind Privatanleger, denen Smava einen Teil der Zinserträge von vier bis sechs Prozent – je nach Bonität und Risikoklasse der Schuldner – zuschießt. Mit diesem Werbegag will Smava demonstrieren, wie günstig seine Konditionen sind. Fällt ein Schuldner um, wird der Verlust auf alle Anleger innerhalb einer Risikoklasse verteilt. Die noch ausstehenden Zinsen verliert der Gläubiger dann aber.
- Kundennutzen: Hoch wegen Transparenz, Komfort und günstigeren Konditionen
- Marktchancen: Gut, da bereits viele Partnerbanken und Kunden gewonnen
Vaamo
Mit den Hipsterfarben Weiß und Lila im Logo wirbt Vaamo, tatsächlich richtet sich das Angebot aber an den Spießer in uns. Transparenter und billiger soll die Geldanlage sein als bei der Bank. Und die drei Gründer wollen Sparer vor typischem Fehlverhalten bewahren. Ex-Unternehmensberater Yassin Hankir und seine Mitstreiter Thomas Bloch und Oliver Vins arbeiten in einem Altbau im rauen Frankfurter Stadtteil Gallus, nicht weit vom Start-up-Kollegen Ayondo. In den Räumen herrscht ein Hauch von Silicon-Frankfurt-Atmosphäre mit Biergartenbänken in der Küche und offenem Pausenbereich.
Hankir hat seine Position im Bankenteam der Beratung McKinsey aufgegeben, weil es ihn nach unzähligen PowerPoint-Präsentationen in den Fingern kribbelte, eigene Ideen umzusetzen. „Der Impuls kam bei einem Projekt in Vietnam“, erzählt er. Dort testete er neue Filialmodelle für eine lokale Bank. Auch Vins ist ein Ex-Meckie, Finanzchef Bloch war Investmentbanker bei JP Morgan in Frankfurt.
Die drei haben das Jungunternehmen mit dem akademisch gesicherten Wissen gegründet, dass in Anlegerseelen oft die dunkle Seite die Oberhand gewinnt. Der Zocker in uns lässt selbst sonst ganz vernünftige Menschen ihr Geld in die angeblich einzige und beste Superaktie stecken, nur um ebenso schnell wieder auszusteigen, sobald Bank- oder Finanzberater eine noch einzigartigere Chance empfehlen.
„Wer sich derart durch die Kapitalmärkte treiben lässt, wird schnell arm, weil die Kosten für Käufe und Verkäufe oft die Rendite aufzehren“, sagt Hankir. Vaamo will daher seine Nutzer zu mehr Disziplin beim Sparen zwingen – nach wissenschaftlichen Kriterien statt nach Geheimrezepten selbst ernannter Finanzgurus.
Punkten beim Kunden soll die einfache Bedienung. Dabei füttern Sparer die Internet-Seite mit ihrem Ziel – zum Beispiel 50 000 Euro für das Studium des heute achtjährigen Kindes in zehn Jahren – und bekommen sofort die nötige monatliche Sparrate ausgespuckt. Dabei lässt sich prüfen, wie stark das Sparziel leidet, wenn man mal weniger zurücklegen kann. Wer riskanter investiert, kann in guten Zeiten wegen der höheren geplanten Rendite mit niedrigeren Monatsbeiträgen hinkommen, fährt bei Crashs aber größere Verluste ein. Auch das machen Schaubilder transparent, sobald der Kunde die Seite mit seinen Sparzielen füttert.
Das Geld der Anleger fließt in fünf Indexfonds des US-Anbieters Dimensional, zu dessen Mitgründern Wirtschafts-Nobelpreisträger Eugene Fama zählt. Die Aufteilung in Aktien- und Anleihenfonds richtet sich nach der Risikoneigung. Ist die hoch, landen mehr stärker schwankende Aktien und weniger der verlässlichen, aber niedrig verzinsten Anleihen im Portfolio.
Vaamo wählte Dimensional, weil sich mit diesem Anbieter die drei Risikoklassen hoch, mittel und gering ohne Vertriebs- und Bestandsprovision abbilden lassen. Vaamo kassiert jedes Jahr bis zu 1,19 Prozent des angelegten Geldes, dazu kommen laufende Kosten des Fondsanbieters von bis zu 0,48 Prozent. Bei einem investierten Betrag von 5000 Euro spart das mehr als 100 Euro im Vergleich zu Fondsanlagen, wie sie Filialbanken vermitteln.
Vielleicht ist Vaamo mit seinem kühl kalkulierten Konzept etwas zu brav für die Web-Welt. Seine Nische bei rational getriebenen Anlegern wird das Portal aber finden. Ambitionierte Renditejäger hingegen werden sich schnell wieder abwenden, wenn andere Versuchungen locken.
Sollte Vaamo pleitegehen, könnten die Nutzer ihr investiertes Geld beim Fondsdienstleister FFB abrufen, mit dem das Start-up zusammenarbeitet. FFB sitzt in der Nähe von Frankfurt und verwaltet 600 000 Depots von Kunden verschiedener Anlagegesellschaften.
Sparer sollten beachten, dass Vaamo nur mit einer Fondsgesellschaft zusammenarbeitet. Sinnvoller wäre eine Streuung über mehrere Anbieter. Günstige Fondsanlagen finden Privatanleger auch bei Direktbanken: Sie bieten über das Internet börsengehandelte Indexfonds an, bei denen Provisionen und Depotgebühren anfallen, aber keine Kosten für Fondsmanagement. Allerdings fehlt dort die bei Vaamo gebotene Transparenz und Kontrolle des Sparziels.
- Kundennutzen: Hoch, weil typische Anlegerfehler ausgemerzt werden
- Marktchancen: Mittel, da rein rational und akademisch aufgezogen
Weltsparen
Tamaz Georgadze erscheint als Mann der Stunde für deutsche Sparer. Der aus Georgien stammende Unternehmer will ihnen dabei helfen, der Zinsflaute zu entkommen. „Die Finanzmärkte in Europa sind immer noch nicht voll integriert“, sagt er. „Das ist die Grundlage für unser Geschäftsmodell.“ Weltsparen vermittelt Festgeldanlagen bei Banken im europäischen Ausland, wo das Zinsniveau höher ist. Deutschland gilt als sicherer Hafen, daher die niedrigeren Zinsen. Weltsparen kassiert für ins Ausland vermittelte Anlegergelder Provision von den Kreditinstituten.
Sein Abitur hat Georgadze schon im Alter von zwölf Jahren abgelegt, sein Volkswirtschaftsstudium mit 15 abgeschlossen, danach in Deutschland promoviert. Mit Anfang 30 war er Partner bei McKinsey – und dort Chef von Vaamo-Mitgründer Hankir. Die Fintech-Welt ist klein.
Kann dieser Überflieger, der neben akzentfreiem, fließendem Deutsch auch Englisch und Russisch spricht, Sparern mehr bieten? In der Tat erweitert Weltsparen auf bequeme Weise den Anlagehorizont. Festgeldzinsen von deutlich unter einem Prozent wie bei vielen deutschen Banken muss sich damit keiner mehr bieten lassen.
Via Weltsparen bekommt man derzeit zum Beispiel ab 10 000 Euro fest für ein Jahr 2,5 Prozent Zinsen bei der bulgarischen Fibank, 2,0 Prozent bei der BN Bank aus Norwegen oder 1,6 Prozent bei der polnischen Alior Bank.
Ob sich deutsche Sparer von einem Plus von ein bis zwei Prozentpunkten über die Grenze locken lassen, ist allerdings fraglich – zumal das nicht ohne Risiko läuft. Denn es gelten die Einlagensicherungssysteme der Anlageländer. Und attraktive Zinsen können auch ein Zeichen dafür sein, dass eine Bank dringend Anlegergeld braucht.
Georgadze musste bereits Crashbanken aus seinem Angebot werfen. So lockte auf Weltsparen die Banco Espírito Santo aus Portugal mit zwei Prozent für ein Zwölf-Monats-Festgeld. Dumm nur, dass das Geldhaus kürzlich wegen krummer Geschäfte in die Schlagzeilen geriet und vom portugiesischen Staat abgewickelt werden musste. Brüssel hat den Schutz von Bankeinlagen bis 100 000 Euro europaweit gesetzlich verankert, was auch für Espírito-Santo-Sparer gilt. Da die portugiesische Einlagensicherung nicht stark genug war, um die Bank alleine rauszuboxen, flossen Milliarden aus Portugals Staatskasse und aus dem Europäischen Rettungsfonds.
- Kundennutzen: Überschaubar wegen geringer Zinsunterschiede und schwach-brüstiger Einlagensicherungen
- Marktchancen: Niedrig, da schmales Angebot
Kreditech
Sebastian Diemer schickt quer durch die Welt Geld an Menschen, die er noch nie zu Gesicht bekommen hat. Vor Verlusten schützen soll den 27-jährigen Gründer ein von Kreditech entwickeltes Rechenprogramm, das die Bonität potenzieller Schuldner per Web prüft, und dies schneller und billiger als klassische Auskunfteien.
Diemers Hamburger Unternehmen will Geld mit Mikro- und Ratenkrediten an Privatleute verdienen, die von einer Bank kein Geld bekommen würden. Ihnen fehlt der Zugang zu Finanzdiensten, weil sie kein Bonitätsrating haben oder in entlegenen und strukturschwachen Gegenden leben.
Kreditech konzentriert sich zunächst auf sieben Länder, auf die dieses Profil in vielen Regionen passt – Spanien, Polen, Russland, Tschechien, Mexiko, Australien und neuerdings Peru. Im Andenstaat läuft die Auszahlung über Kreditkarten oder Kioske, 1500 Darlehen sind schon vergeben.
Um Deutschland macht Diemer aus zwei Gründen einen Bogen. Hierzulande braucht er eine Genehmigung der Finanzaufsicht BaFin, um Kredite zu vergeben, und die hat er noch nicht. Zudem gibt es in Deutschland schon viele Anbieter, die Informationen über Kreditsuchende liefern.
Damit er sein Geld wiedersieht, muss Diemer seine Schuldner gründlich durchleuchten. Begeistert erklärt der Jungunternehmer das Konzept: „Aus den Spuren der Nutzer im Netz erkennt unser Algorithmus Muster, mit denen sich schlechte von guten Schuldnern unterscheiden lassen. Bis zu 15 000 Daten je Person werden dabei ausgewertet.“ Die Software merkt zum Beispiel, ob beim Kreditantrag geschummelt wird – nämlich wenn Name und Adresse flott eingetippt werden, aber bei der Eingabe des Arbeitgebers viel Zeit verstreicht, weil der Antragsteller sich hier erst eine Lüge einfallen lassen muss.
Stellt die Software fest, dass der Antragsteller vorher auf Web-Seiten surfte, die über Privatinsolvenz oder Pfandleihe für Überschuldete informieren, zieht sie Punkte vom Rating ab. Zudem wird blitzschnell über Behördendatenbanken abgeglichen, ob die Adresse von gestohlenen Pässen oder Ausweisen stammt. Wer will, kann Kreditech auch Einblick in sein Facebook-Profil oder sein Amazon-Konto erlauben, um einen soliden Lebensstil zu demonstrieren. Das tun bisher aber nur wenige.
Entscheidend ist, dass die Software nicht aufgrund festgelegter Kriterien über die Kreditvergabe entscheidet, sondern diese an die Erfahrungen mit bisherigen Schuldnern anpasst. Je mehr Kredite vergeben werden, desto mehr lernt Big Brother dazu.
85 Prozent der Kreditanfragen lehnt Kreditech nach eigenen Angaben ab. Trotzdem haben die Hamburger allein im August sieben Millionen Euro verliehen. Wegen der kurzen Laufzeiten der Mikrokredite von einer Woche bis zu einem Monat komme das Geld aber schnell wieder rein.
In etablierten Kreditech-Märkten wie Polen, Tschechien oder Spanien fallen bisher im Schnitt etwas weniger als zehn Prozent des Kreditvolumens aus, beim Einstieg in neue Märkte sind die Ausfallraten wesentlich höher. Das hohe Risiko lässt Diemer sich dort durch Zinsen von bis zu zwölf Prozent je Monat vergüten.
Investoren hat er mit diesem Geschäftsmodell überzeugt und im Juni 40 Millionen Dollar Wagniskapital eingesammelt. Ein Wagnis ist es tatsächlich, denn die mächtige Berliner Gründerfabrik Rocket Internet bringt in Spanien ein ähnliches Konzept auf den Markt. Zudem bauen für Kreditech attraktive Schwellenländer ihren Finanzsektor aus. Die neue indische Regierung etwa verpflichtet demnächst alle Banken, auch den Ärmsten ein Konto anzubieten.
- Kundennutzen: Hoch, da schneller Kredit für Zielgruppen, die keine Bank als Kunde will
- Marktchancen: Mittel, wegen hohem Kreditrisiko und Konkurrenz auf dem Markt
Der Aufstieg der Finanzinnovatoren mag riskant sein für die ambitionierten Gründer vom Schlage Diemers, Hankirs oder Georgadze sowie deren Investoren. Für die Volkswirtschaft ist das Risiko allerdings gleich null, ganz anders als beim überdimensionierten Bankensektor. Schlagen die neuen Geschäftsmodelle fehl, wird kein Steuerzahler in Mitleidenschaft gezogen: Die Finanz-Start-ups sind fast nur mit Eigenkapital finanziert.