Finanzzentrum Londons Banker rutschen in die Zweitklassigkeit

Ärger am größten Finanzplatz Europas: Britische Banken verkleinern ihr Investmentbanking und riskieren damit ihr Renommée. Tausende Jobs fallen weg.

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Am größten Finanzplatz Europas geht es zur Sache. Quelle: dpa

Die Briten sind stolz darauf, dass London mit New York zu den wichtigsten Finanzzentren der Welt zählt und verteidigen dieses Privileg mit harten Bandagen. Soeben haben sie einen wichtigen Etappensieg erzielt: der Europäische Gerichtshof gab einer Klage Großbritanniens statt und entschied, dass Clearing-Häuser zur Abwicklung von Euro-Wertpapiergeschäften physisch nicht der Eurozone ansässig sein müssen, so wie es die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert hatte.

"Dies ist ein großer Sieg für Großbritannien", jubelte Finanzminister George Osborne. "Wir haben immer betont, dass für alle EU-Mitglieder im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit gleiche Rechte gelten müssen, ob sie nun in der Euro-Zone sind oder nicht". Osborne hatte die Klage gegen die EZB 2011 angestrengt, weil er fürchtete, ein Abzug der Clearing-Häuser aus London werde dem Finanzplatz schaden.

In anderer Hinsicht aber bot der vergangene Mittwoch wenig Anlass zum Feiern. So wurde klar, dass die britischen Banken künftig nicht länger in der Top-Liga des internationalen Investmentbanking mitspielen werden. Die Rückzugsgefechte hatten sich schon im Verlauf der Bilanzsaison angekündigt,  nun sind sie in vollem Gang. So werden bei der Royal Bank of Scotland, einem der großen Verlierer der Finanzkrise, die immer noch zu 80 Prozent im Staatsbesitz ist, rund 14.000  der 18.000 Jobs im Investmentbanking gestrichen - das entspricht der Größe einer Kleinstadt.

Der Stellenabbau betrifft allerdings nicht nur London: in Deutschland wird die RBS ihre Belegschaft wohl um 50 Prozent verringern. RBS-Chef Ross McEwan begründete den Kahlschlag damit, künftig wolle man sich vor allem auf das Firmen- und Privatkundengeschäft in Großbritannien fokussieren.

Dramatische Kehrtwende

Verwunderlich ist das eigentlich nicht, hatte die Bank doch nach ihrer Rettung durch den britischen Steuerzahler im Jahr 2008 viel Kritik geerntet, weil sie ihren Investmentbankern auch danach noch ordentliche Boni ausschüttete - angeblich um im Wettbewerb um Talente bestehen zu können. Tatsache ist jedoch, dass die Investmentbank der RBS nach der noch von McEwans Vorgänger Stephen Hester eingeleiteten ersten Schrumpfkur so geschwächt war, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig war. Und dann stellte sich auch noch heraus, dass die RBS sowohl am Libor-Skandal um manipulierte Referenzzinsen als auch an den umstrittenen Devisenfixings beteiligt war - es regnete saftige Strafen von den einheimischen und internationalen Aufsichtsbehörden. Kein Wunder, dass McEwan jetzt die Reißleine zieht.

Fujitsu streicht 400 Jobs
Fujitsu Der japanische Elektronikkonzern Fujitsu will einem Zeitungsbericht zufolge in Deutschland 400 bis 500 Arbeitsplätze abbauen. Eine endgültige Entscheidung solle nach Verhandlungen mit den Beschäftigten fallen, berichtete die japanische Wirtschaftszeitung "Nikkei". Insgesamt beschäftigt der Konzern hierzulande 12.000 Menschen. Die Stellenstreichungen beträfen hauptsächlich Entwicklung und Informationstechnik. Bereits am Dienstag hatte der Konzern bekanntgegeben, in Großbritannien 1800 Jobs zu streichen. Das entspricht 18 Prozent der Belegschaft dort. Insidern zufolge könnte sich Fujitsu künftig auf IT-Dienstleistungen konzentrieren. Mit dem weltgrößten Computer-Hersteller Lenovo verhandelt das Unternehmen offenbar über einen Verkauf des PC-Geschäfts von Fujitsu. Quelle: REUTERS
Lufthansa Technik Quelle: dpa
DAK Gesundheit Quelle: dpa
EnBWDer Energieversorger baut weiter Stellen ab: Die Energie Baden-Württemberg werde sich aus dem Strom- und Gasvertrieb an Großkunden der Industrie zurückziehen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Davon seien 400 Beschäftigte betroffen, denen ein Aufhebungsvertrag oder ein alternativer Arbeitsplatz im Konzern angeboten werde. Auch im Privatkundengeschäft, der Energieerzeugung und der Verwaltung steht demnach Stellenabbau bevor, der noch nicht beziffert wurde. In den vergangenen zwei Jahren waren bereits rund 1650 Stellen weggefallen. Quelle: dpa
Intel Quelle: REUTERS
Nokia Quelle: dpa
Der IT-Konzern IBM plant in Deutschland offenbar einen massiven Stellenabbau Quelle: dpa

Gleichzeitig kündigt sich nun aber auch bei der Barclays Bank eine dramatische Kehrtwende an - einer Bank immerhin, die die Finanzkrise ohne Staatshilfe überstanden und sich 2008 in den USA die Filetstücke des kollabierten Rivalen Lehman Brothers gesichert hatte. Unter ihrem früheren Chef Bob Diamond - der schließlich im Sommer 2012 über seine Arroganz und die Verwicklung der Bank in den Libor-Skandal stolperte - hatte die Barclays Bank gehofft, in den Bereich der Top-Spieler im Investmentbanking vorzustoßen und zum ernsthaften Konkurrenten von Goldman Sachs, JPMorgan und Morgan Stanley aufzusteigen. Mit der Deutschen Bank gehörte die Barclays Bank damals zu den wenigen ernstzunehmenden europäischen Häusern in diesem Bereich.

Bedeutsame Kehrtwende für den Finanzplatz London

Doch auch dieser Traum ist nun endgültig geplatzt. Bei der Vorlage der Bilanz am Dienstag sprach Diamonds Nachfolger Antony Jenkins Klartext: "Mir geht langsam die Geduld aus", erklärte er, nachdem er allein für drohende Strafen wegen Manipulationen im Währungsmarkt eine Aufstockung der Rückstellungen auf insgesamt 1,2 Milliarden Pfund (1,7 Milliarden Euro) bekanntgeben musste. Durch diese und weitere Sonderbelastungen rutschte Barclays 2014 ins Minus und wies einen Nettoverlust von 174 Millionen Pfund aus.

Die wertvollsten Namen der Bankenwelt
Die spanische Großbank Santander eröffnet das Ranking der wertvollsten Bankenmarken der Welt. Die Auswertung für das vergangene Jahr lieferte das Magazin „The Banker“. Bei der Bewertung der Marke spiele besonders der Geschäftsausblick (Gewinnprognose) und die Wahrnehmung von Risiken eine entscheidende Rolle. Viele Institute arbeiten an ihrem Markenwert, der sich nicht nur in Kundenvertrauen widerspiegelt, sondern auch in Eigenständigkeit und Innovation. Sprich: Eine starke Marke fällt im Wettbewerb auf. Die Spanier kommen auf einen Markenwert von 18,7 Milliarden US-Dollar, sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Das Markenrating ist AAA-. Quelle: Reuters
Die Bank of China zählt zu den vier riesigen Staatsbanken der Volksrepublik. Ihr Umsatz liegt bei über 300 Milliarden Yuan im Jahr. Das entspricht grob 40 Milliarden Euro. Im Boomland China haben die regulierten Institute reichlich zu tun. Die Bank of China wird zudem vom Finanzstabilitätsrat als systemrelevant überwacht und muss strenge Auflagen erfüllen. Der Markenwert beträgt rund 20,4 Milliarden Dollar, 22 Prozent mehr als zuletzt. Quelle: dpa
Die teilverstaatlichte chinesische Bank ist eine der größten ihrer Art. Die ABC hat schätzungsweise 320 Millionen Privatkunden und etwa 2,7 Millionen Geschäftskunden. Fast eine halbe Million Menschen arbeitet in knapp 24.000 Filialen. 2010 sammelte die Bank mit ihrem Börsengang 22,1 Milliarden Dollar ein. Ihr Markenwert beträgt 22,7 Milliarden Dollar, ein Plus von 28 Prozent. Quelle: REUTERS
First, we take Manhattan: JP Morgan Chase sitzt in New York und ist nach Marktkapitalisierung die größte Bank der USA und nach Eigenkapital das zweitgrößte Finanzinstitut der Welt. Den Markenwert können da auch die hohen Handelsverluste – also Fehlspekulationen – aus dem Jahr 2012 nicht nachhaltig schmälern. Die Marke Chase ist rund 24,8 Milliarden Dollar schwer. Der Zuwachs beträgt sieben Prozent. Quelle: DAPD
25,7 Milliarden Dollar beträgt der Markenwert der Bank of America – noch, muss man sagen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von vier Prozent. Das Fachmagazin „The Banker“, was die BoA 2008 noch als wertvollste Bankmarke führte, bescheinigt dem Finanzriesen, nach Eigenkapital das größte Institut seiner Art zu sein. Auch die Bank of America darf sich über das Prädikat „systemrelevant“ freuen – das stärkt natürlich das Markenvertrauen. Quelle: dpa
Wie die BoA gehört auch die Citigroup zu den „Big Four“ der US-Banken. Zuletzt lag die Bilanzsumme des Riesen bei 1,88 Billionen Dollar, der Umsatz 76,4 Milliarden. Sie ahnen es – systemrelevant, streng kontrolliert. Der Markenwert beträgt 26,2 Milliarden Dollar, was einem Plus von sieben Prozent entspricht. Quelle: DAPD
China wächst buchstäblich in den Himmel. In den zahlreichen Millionenmetropolen kommen mit dem Industrie-Boom auch die Wolkenkratzer. Der Bauwirtschaft kommt das gelegen – und damit der China Construction Bank, die rund 27 Prozent aller Baukredite im Reich der Mitte vergibt. Der Markenwert liegt bei 26,4 Milliarden Dollar. Das sind stolze 39 Prozent mehr als im Vorjahr. Quelle: REUTERS

Der Gewinn bei der Investmentbank fiel um 32 Prozent und die Eigenkapitalrendite der Sparte sank auf nur noch 2,7 Prozent - und war damit weit entfernt von den zwölf Prozent, die Jenkins vorgegeben hatte. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte der Barclays-Chef angekündigt, die Investmentbank-Tochter werde schrumpfen, mehrere tausend Mitarbeiter mussten bereits gehen. Insgesamt sollen 7000 Jobs gestrichen werden. Nun ist klar: Barclays hat seine globalen Ambitionen begraben und konzentriert sich neben dem Heimatmarkt Großbritannien lediglich auf die USA.

Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Renditen im Investmentbanking nie mehr so hoch sein dürften wie vor der Krise. Denn die Verschärfung der Regulierung, die bedeutet, dass bestimmte riskante Handelsaktivitäten mit mehr Eigenkapital unterlegt werden müssen, hat diese Geschäfte erheblich verteuert. Außerdem schaden die weltweit niedrigen Zinsen dem Anleihehandel, der einst ein wichtiger Gewinnbringer der Investmentbanken war. Das alles beeinträchtigt die Renditechancen. Dennoch setzen die US-Banken und die Deutsche Bank anders als ihre britischen Rivalen weiterhin aufs Investmentbanking und hoffen außerdem darauf, dass der Konsolidierungsprozess ihnen neue Geschäfte bescheren wird.

Pyrrhus-Sieg

Die beiden anderen britischen Großbanken, Lloyds Bank und HSBC, hatten schon immer weniger Ambitionen im Investmentbanking, weil sie sich vor allem auf das Firmen- und Privatkundengeschäft konzentrierten. Deshalb ist die Kehrtwende von Barclays und RBS bedeutsam für die Kunden und für den Finanzplatz London, dessen Aufstieg nach dem Big Bang - der großen Deregulierung des Bankenwesens im Jahr 1986 - unaufhaltsam schien.

An der Themse werden künftig, wie beim Tennisturnier von Wimbledon, vor allem die großen ausländischen Player punkten können. Das gilt in erster Linie für die Wall-Street-Häuser wie Goldman Sachs, JPMorgan, Morgan Stanley und BoA Merrill Lynch, aber auch für die Deutsche Bank. Für die Kunden der Investmentbanken bedeutet eine Reduktion des Wettbewerbs, so wie er sich jetzt abzeichnet, allerdings höhere Preise für Finanz- und Kapitalmarktdienstleistungen.

Einige ausländische Geldhäuser drohten allerdings bereits damit, sie könnten ihre Aktivitäten in Großbritannien verringern, falls die Briten sich 2017 in einem Referendum zum Ausstieg aus der EU entschließen sollten. Sicher ist es zwar nicht, dass die Volksabstimmung überhaupt stattfinden wird, denn das wird davon abhängen, ob die Konservativen bei den Wahlen im Mai gewinnen. In diesem Fall könnte sich der Triumph, den die britische Regierung gegen die EZB erzielte, jedoch als Pyrrhus-Sieg erweisen, wenn die Briten die EU in ein paar Jahren tatsächlich verlassen sollten.

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