FinTechs Der schwere Weg zum Digital-Banking aus einer Hand

Seite 2/2

Das hochtrabende Gerede von der Disruption


Als klar wurde, dass ein beträchtlicher Anteil der Kunden diese Ansicht nicht teilte, ja, die digitalen Produkte sogar begrüßte und anwendete, geschah ein Umdenken. Plötzlich waren Bildungsreisen ins Silicon Valley nicht nur schick, sondern Pflicht bei den Vorständen, die Digitalisierungsstrategie durfte in keinem Konzernbericht mehr fehlen und die Kunden wurden mit neuen Banking-Apps gelockt. Gegenüber den FinTechs konterte man entweder mit Investition in selbige, schnellem Kopieren oder sehr teuren Digital Labs, die das gleiche Maß an Innovation hervorbringen sollten.

Auch auf FinTech-Seite hatte ein Meinungswandel stattgefunden. Statt die Banken als analoge Ladenhüter abzutun, bemerkte man plötzlich die vielen Millionen an Kunden, die den Instituten immer noch uneingeschränkt vertrauten und machte erste Erfahrung damit, was es eigentlich heißt, eine BaFin-Lizenz zu bekommen - und zu behalten. Die “Disruption” war der “Kooperation” gewichen.

An diesem Punkt sind wir gerade. Derzeit begegnen sich Banken und FinTechs auf Augenhöhe, was man auch an den vielen Partnerschaften in der Branche sieht. Hier die Großbank, die den digitalen Versicherungsmanager in ihr Angebot einbindet, dort das Finanzinstitut, das seinen Kunden den digitalen Kontowechsel ermöglicht von einem FinTech anbietet. Der angesehene Branchenblog “Payment and Banking” zählt rund 70 Kooperationen zwischen 32 deutschen Banken und ihren digitalen Herausforderern.

Fintech-Revolutionäre

Mit der Plattform-Lösung geht es noch einen Schritt weiter. Das digitale Angebot sollte sowohl Banken als auch FinTech-Produkte umfassen, auch miteinander konkurrierende Dienstleistungen. Das ist insbesondere eine Herausforderung für die Banken, die bereit sein müssen, auch Services von der Konkurrenz anzubieten, wenn die eigenen nicht wettbewerbsfähig sind. Diese Plattform kann beispielsweise bei einer digital-affinen Bank angesiedelt sein, oder bei einem größeren, regulierten FinTech-Anbieter.

Chinesischer Vorreiter namens WeChat

Wirft man einen Blick nach Asien, zeigt sich dort noch eine dritte Möglichkeit: Ein soziales Netzwerk als Finanzplattform. Die Messenger App Wechat entwickelt sich in China gerade zum Giganten im Bezahlen per Smartphone (mobile payment). Rund 697 Millionen Menschen nutzen den Dienst weltweit, rund 200 Millionen kommen jeden Monat dazu. Auch einen deutschen Ableger gibt es.


WeChat-Nutzer können sich untereinander Geld schicken oder auch online über den Dienst bezahlen. Der Erfolg der chinesischen Social-Payment-Methode lässt sich auch damit erklären, dass es sich in China um einen mit Finanzdienstleistungen unterversorgten Markt handelt. Laut einer McKinsey Studie vom Juli 2016 (“Disruption and Connection: Cracking the Myths of China Internet Finance innovation”) hat nur einer von fünf Erwachsenen im Reich der Mitte Zugang zu Bankdienstleistungen, doch mehr als 30 Prozent der Bevölkerung nutzen Finanzservices über ihr Smartphone oder Tablet. Für die große Masse der Unterversorgten, zu denen auch geschätzte 277 Millionen chinesische Wanderarbeiter zählen, ist digitales Payment über ein soziales Netzwerk eine Lösung, um Geld einfach zu transferieren.


In Kontinentaleuropa ist diese Entwicklung weniger wahrscheinlich, weil viele Menschen bereits in jungen Jahren über ein oder mehrere Bankkonten verfügen. Hinzu kommt, dass Banken immer noch mehr Vertrauen entgegengebracht wird als zum Beispiel einer Bezahlfunktion per Instagram-Selfie. Trotzdem können sich die Banken nicht darauf ausruhen, wie ja auch schon der Erfolg der FinTechs bewiesen hat.

Überleben wird am Ende das Modell, das vom Kunden her denkt und das Thema Datensicherheit an erste Stelle setzt. Eine digitale Plattform mit Herz, Agilität, Verstand und Sicherheitskonzept. Das ist nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre gar nicht mehr so unvorstellbar, wie es sich anhört.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%