François Villeroy de Galhau "Die Inflation wird bald steigen"

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"...im Interesse aller Bürger Europas."

Viele Deutsche fürchten, dass die Politik der EZB ihr Erspartes aufzehrt. Was entgegnen Sie?
Zunächst einmal: Die reale Rendite auf Sparguthaben der Deutschen ist seit 2015 wieder positiv. Vorher war sie negativ. Das muss man betonen und den Deutschen die Politik der EZB besser erklären. Unsere Antwort auf die weltweite Finanzkrise war dieselbe wie in den USA. Wir haben gut daran getan, weil wir Schlimmeres für die Wirtschaft, wie die Deflation in den Dreißigerjahren, verhindern mussten. Wir haben dabei nicht im Interesse einiger Länder oder Banken gehandelt, sondern im Interesse aller Bürger Europas. Es war zudem wichtig, im Anschluss die Rettungsmechanismen für die Banken zu verschärfen und die Anteilseigner heranzuziehen.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Das überzeugt längst nicht alle.
Die Geldpolitik der EZB ist keine Erfindung der vergangenen Jahre. Sie entspricht dem Mandat einer von der Politik unabhängigen Institution, das stark demjenigen der Deutschen Bundesbank ähnelt. Das Hauptanliegen der EZB ist die Preisstabilität. Die EZB muss sich sowohl gegen eine zu hohe Inflation wappnen als auch gegen die Risiken einer zu niedrigen Inflation – wie wir sie heute vorfinden. Das Inflationsziel wurde 2003 einvernehmlich bei nahe, aber unter zwei Prozent festgelegt. Das war lange vor der Krise und lange vor Mario Draghi. Und es war der damalige deutsche Chefökonom der EZB, Otmar Issing, der dieses Inflationsziel vorgeschlagen hatte. Es ist heute nicht zufällig Konsens aller großen Zentralbanken, der Federal Reserve, der Bank of England, der Bank of Japan. Auch wenn wir unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, bleiben wir unserem Mandat treu.

Wo liegt die Grenze für negative Zinsen?
Eine der Grenzen liegt dort, wo sie an Privathaushalte oder die kleinen und mittelständischen Unternehmen weitergereicht würden. Bisher legt aber keine einzige europäische Bank die Negativzinsen auf Privatleute und Mittelständler um. 

Noch nicht.
Meiner Meinung nach wird das nie der Fall sein. Schauen Sie in die Schweiz oder in die skandinavischen Länder. Dort sind die Zinsen negativ, ohne dass die Endkunden dies zu spüren bekommen. Und wie gesagt: Negativzinsen sind nur ein Instrument in einem Orchester der Möglichkeiten. Wichtig ist, dass wir mehrere Instrumente spielen.

Das Ziel der EZB, die Inflation in der Euro-Zone zu erhöhen, wurde bisher verfehlt. Was ist der Grund dafür?
Die Inflation hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt vom Ölpreis. Unsere jüngste Prognose geht für 2016 von 0,2 Prozent für die Euro-Zone aus, von 1,3 Prozent für 2017 und von 1,6 Prozent für 2018. Wir bewegen uns also auf die zwei Prozent zu. 

Trotzdem kann man Ihre Politik des Quantitative Easing (QE) bisher kaum als Erfolg bezeichnen.
QE ist erfolgreich! Man muss nur Geduld haben. Unsere Geldpolitik ist nachhaltig, und ohne QE wäre die Inflation noch niedriger. Die Schätzungen der Zentralbanken – auch der Bundesbank – stimmen überein: Unsere Politik trägt jedes Jahr mindestens einen Viertelprozentpunkt zur Inflation bei. Je nach Model stimuliert sie das Wachstum um 0,4 bis 1 Prozent. Allerdings sind Wolfgang Schäuble, Mario Draghi und ich uns einig: Die Geldpolitik kann nicht „the only game in town“ sein. 

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen

Werden Sie bei QE nochmal nachlegen?
Priorität hat, die im März beschlossenen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Wir haben vergangene Woche unsere Entschlossenheit betont, monatlich 80 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen und das TLTRO II-Programm beizubehalten. 

Wenn die Inflation 2018 tatsächlich 1,6 Prozent erreicht, wird die EZB die expansive Geldpolitk beenden? Oder ist dann der Druck der Politik nicht so massiv, dass die EZB die Zinsen nicht erhöhen kann?
Sie fragen mich im Juli 2016 nach der Geldpolitik 2018? Ich versichere ihnen: Wir werden unserem Mandat treu bleiben. Wir haben gesagt, dass wir die Niedrigzinsen bis März 2017 beibehalten – und falls nötig darüber hinaus. Schauen Sie, was in den USA passiert ist: Dort hat die Fed lange vor uns unkonventionelle Maßnahmen ergriffen. Schritt für Schritt nimmt sie diese nun zurück. Die Fed zeigt, dass ein Ausstieg funktioniert. So weit sind wir aber noch nicht.

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