Schon bevor Frank Strauß, 42, im Sommer 2011 von der Deutschen Bank nach Bonn in den Vorstand der Postbank wechselte, galt er als heißester Favorit für den Chefposten. Nun übernimmt er die Leitung des Instituts, das der Frankfurter Branchenprimus 2008 erwarb und das mit 14 Millionen privaten Kunden Deutschlands größte Einzelbank im Massengeschäft ist.
Bei Management und Mitarbeitern war Strauß' Vorgänger Stefan Jütte, der Ende Juni in Rente geht, sehr beliebt. Der Neue an der Spitze dürfte relativ wenig Umgewöhnung erfordern. Der „unkomplizierte Typ“, als den ihn Weggefährten beschreiben, gilt bei der Postbank als deutlich bodenständiger und direkter als manch anderer Abgesandter des Mutterkonzerns aus Frankfurt.
Dazu passt, dass Strauß in der Kantine isst. „Obwohl er sehr dynamisch ist, kann er auch zuhören“, sagt ein Ex-Mitarbeiter. Sein Erfolg wird darüber entscheiden, ob sich die größte Akquisition der Ackermann-Ära für die Deutsche Bank lohnt und ob hier ein stabiler Gegenpol zum zyklischen Investmentbanking entstehen kann.
Freunde & Gegner: Gesunde Konkurrenz
Strauß’ Karriere bei der Deutschen Bank ist eng mit der von Privatkundenvorstand Rainer Neske verbunden. Der hat ihn immer wieder mit wichtigen Aufgaben bei Veränderungsprozessen betraut. Beide verstehen sich nach wie vor, obwohl es 2011 vereinzelt hieß, Strauß sei zur Postbank nach Bonn weggelobt worden. Ein gutes Verhältnis hat Strauß zu den kommenden Deutsche-Bank-Vormännern Jürgen Fitschen und Anshu Jain.
Obwohl es mit dem gebürtigen Inder als Leiter des Investmentbankings eigentlich kaum Berührungspunkte gab, haben beide eng zusammengearbeitet. Strauß baute von 2002 bis 2005 das Geschäft der Deutschen Bank in Jains Heimatland mit auf. Axel Wieandt, angeblicher Konkurrent um den Top-Job bei der Postbank, hat die Deutsche Bank mittlerweile verlassen. Dafür bekommt Strauß dort demnächst familiäre Unterstützung: Sein älterer Bruder Thorsten übernimmt im Juni die Kommunikationsabteilung.
Stärken & Schwächen: Ohne Studium nach oben
Was bei Urgesteinen wie dem Ex-Deutsche-Bank-Boss Hilmar Kopper oder dem früheren Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller üblich war, ist heute rar: Strauß hat nicht studiert, sondern sich von der Ausbildung in der Deutsche-Bank-Filiale in Iserlohn an Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Das verschafft ihm in dem Institut, bei dem viele Spitzenjobs von Absolventen von Elitehochschulen und Ex-Unternehmensberatern besetzt sind, einen Sonderstatus.
Ein früherer enger Mitarbeiter beschreibt Strauß als „Chef, bei dem man weiß, woran man ist“. Mitunter hat seine offene Art andere vergrätzt. Dabei kann er sich geschickt und diplomatisch in den Führungszirkeln bewegen. Er gilt als „wenig verkopfter, starker Analytiker, der wegen seiner praktischen Erfahrungen immer den Kunden im Blick hat“.
Vorbilder, Vorlieben und Abneigungen, Ziele und Visionen
Strauß’ Karriere im Management der Deutschen Bank beginnt mit einem grandiosen Fehlschlag. Unter dem damaligen Privatkundenmanager und späteren Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter gehört er Ende der Neunzigerjahre zu dem Team, das das Geschäft mit weniger betuchten Kunden in die damalige Deutsche Bank 24 ausgliedert. Weil sich die Betroffenen dadurch diskriminiert fühlen, wird das Unterfangen 2002 wieder rückgängig gemacht. Dennoch bleibt das gescheiterte Projekt für alle Beteiligten eine prägende Erfahrung. Viele heutige Top-Manager waren damals mit von der Partie.
Walter ist der früheste Förderer von Strauß. Noch heute lobt der für seinen Perfektionismus bekannte Ex-Bankchef den damaligen Ziehsohn: „Er hat schnell gelernt, nie aufgegeben und immer überzeugende Lösungen gefunden.“ Auch größere Projekte habe er erfolgreich geleitet, sein Aufstieg sei deshalb keine Sensation.
Vorlieben & Abneigungen: Jäger des Pucks
Parallel zu seiner Laufbahn bei der Deutschen Bank hat Strauß zunächst auch als Leistungssportler Karriere gemacht. Als Eishockeyprofi absolvierte er in der Zweiten Bundesliga zwischen 1989 und 1998 mehr als 300 Spiele für Teams aus seiner Heimatstadt Iserlohn, aus Dortmund und Bad Nauheim. Strauß gelangen in dieser Zeit immerhin 67 Tore.
Sport ist ihm noch immer wichtig, doch die Zeit reicht heute nur noch für regelmäßige Besuche im Fitnessstudio. Gerne besucht er Fußballspiele seines Lieblingsclubs Borussia Mönchengladbach, dessen Hauptsponsor die Postbank ist. Möglichst viel Zeit widmet er seiner Frau und den zwei Kindern, die nicht an den Postbank-Sitz Bonn gezogen sind, sondern weiter im Raum Frankfurt leben.
Ziele & Visionen: Schwieriger Spagat
Die Postbank gilt als schlafender Riese. Nach eigenen Angaben hat sie 14 Millionen Kunden, von denen aber nur ein kleiner Teil als aktiv gilt. Strauß muss beweisen, dass die übrigen Registrierten in der Kartei nur schlummern und nicht tot sind. Nach der Übernahme sind die Beschäftigten des früheren Staatsunternehmens verunsichert.
Sie fürchten nicht nur um ihre Arbeitsplätze. Der neue Chef muss ihnen auch vermitteln, dass sie im weltweiten Finanzkonzern Identität und Stellenwert behalten. Gleichzeitig sind die Synergieerwartungen in Frankfurt groß, weitere Einsparungen deshalb unvermeidlich. „Strauß hat einen der schwierigsten Jobs in der ganzen Bank“, sagt ein Manager.