Deshalb ist die Kritik des EZB-Vorstandsmitglieds Yves Mersch, Probleme des Bankensektors seien ausschließlich hausgemacht und hätten nichts mit der Niedrigzinspolitik zu tun, unangemessen. Selbst wenn die Effizienzspielräume ausgenutzt werden, wird die Niedrigzinspolitik dafür sorgen, dass prinzipiell erfolgreiche Geschäftsmodelle kleiner Banken unter Druck geraten. Dies trifft dann eben die deutschen Banken besonders stark, weil die Genossenschaftsbanken und Sparkassen in der Fläche sehr erfolgreich waren und nun unter Druck geraten.
Für belgische oder italienische Zentralbanker mag es dabei unerheblich sein, dass ein bestimmtes Geschäftsmodell obsolet wird. Es war dann eben nicht mehr zeitgemäß, oder? Leider ist es nicht so einfach.
Denn selbst wenn es nur kleine Banken sind, die unter Druck geraten oder gar aus dem Markt ausscheiden müssten – es wären unter Umständen sehr viele der deutschen kleineren Banken zeitgleich. Kann es sich die Eurozone leisten, viele eigentlich erfolgreiche Banken mit einer Politik, die ihre Ziele zweifelsfrei verfehlt, aus dem Markt zu scheuchen? Dann müsste wiederum die Systemfrage gestellt werden, nämlich danach, ob das Finanzsystem es aushält.
Außerdem ist zu bedenken, dass gerade die kleinen Banken und Sparkassen in der Fläche für die Kreditgewährung des Mittelstandes sehr wichtig sind. Die Frage stellt sich, ob die Kreditvergabe in Apolda, Husum oder am Niederrhein genauso reibungslos verlaufen wird, wie es bisher der Fall ist, falls die lokale Sparkasse oder Volksbank schließt. Sind diese regionalen Teilmärkte für die privaten Großbanken genau so attraktiv? Haben sie dafür die Expertise? Das darf bezweifelt werden.
Vor diesem Hintergrund sollte die EZB nicht so tun, als ob das Ausscheiden einiger kleiner Banken deren eigenes Problem, aber kein gesamtwirtschaftliches wäre. Sollte es doch eines werden, würde Professor Stiglitz‘ Prognose schneller Realität werden, als es ihm und uns allen Recht wäre.